Originaltitel: Bockbierfest. (Wer niemals einen Rausch gehabt…) Schwank 1930; 98 min.; Regie: Carl Boese; Darsteller: Ida Wüst, Ludwig Stössel, Margarete Kupfer, Margot Walter, Hans Adalbert Schlettow, John Mylong, Trude Brionne, Kurt Lilien, Julius Falkenstein; Fett & Co.-Tobis-Film.
Ein Unterwäschefabrikant und Alkoholgegner hat neben einer resoluten Gattin und einer legitimen Tochter auch eine außereheliche. Um deren Verlobung – ihre Mutter, eine abgetackelte Artistin, hatte gehochstapelt – nicht in Brüche gehen zu lassen, muß er den Kapitän der „München“ spielen. Schließlich glückliche Lösung und zwei Verlobungen.
Zusammenfassung
In einem großen Berliner Hotel tagen in zwei nebeneinandergelegenen Sälen die Bierbrauer und ihre geschworenen Gegner, die Antialkoholiker. Präsident der erbitterten Feinde des Suffs ist Livius Heintze aus Apolda, der bekannte Fabrikant von Dr. Samsons poröser Unterwäsche. Aber nicht nur sein schweres Amt bringt ihm in der Woche dieser bedeutungsvollen Berliner Tagung Ärger und Verdruß, sondern auch die besonderen Bosheiten, die das Schicksal gegen Ihn im Schilde führt. Der erste Schlag, der ihn trifft, kommt auch noch ausgerechnet von seinem einzigen Kinde, seiner Tochter Hedwig, die in Berlin kochen lernen sollte und dem Vater als erstes Produkt ihrer Kochkunst eine sehr versalzene Speise vorsetzt. Sie ist nämlich, um im Küchenjargon zu bleiben, die neugebackene Braut des Berliner Brauereibesitzers Raumert. Heintze kennt Raumert nur dem Namen nach, er will ihn aber persönlich nicht kennenlernen und ist empört, daß Hedwig in sein alkoholfreies Heim mit einer solchen Mesalliance hineinplatzen will. Das kommt selbstverständlich für ihn nicht in Frage. Schon aber schießt das Schicksal seinen zweiten Pfeil ab. Heintze stößt mit seiner Vergangenheit zusammen, mit einer Vergangenheit, die ihre guten zwanzig Jahre zurückliegt. Ihrem bürgerlichen Namen nach heißt sie Frieda Panke, war zeitlebens Artistin und ist auch jetzt wieder von morgen ab auf dem Bockbierfest als Attraktion engagiert nämlich in dem sensationellen Wasserakt: „Das Erscheinen und Verschwinden der Venus.“ – Wenn vorhin gesagt wurde, daß Hedwig Heintzes einziges Kind sei, so war das nur unter dem Begriff der ehelichen Abkömmlinge gemeint, In Wirklichkeit hat Heintze schon vor der Ehe Vaterfreuden erlebt. wenn sie ihm auch gerade nicht als besondere Freuden erschienen. Kurz und gut, Frieda Panke alias Venus ist heute Mama einer Tochter Emmi, für die der gute Heintze bis jetzt nichts übrig hatte als eben die sechzehn Jahre Alimentationsgelder. Man muß sich deshalb nicht wundem, daß Livius Helntze diesen Tag, der ihm einen Bierbrauer als Schwiegersohn ins Haus bringen soll und Ihm gleichzeitig das Wiedersehen mit der vergessenen Geliebten beschert, ab Unglückstag betrachtet. Aber es kommt noch besser, oder eigentlich für ihn schlechter !
Frieda Panke ist nämlich auch heute noch eine sehr energische Dame, wenn es um das Glück ihrer Tochter Emmi geht, für die sie sich schwer genug die ganze Zeit durchs Leben geschlagen hat. ihr sehnlichster Wunsch ist schon die ganze Zeit, Emmi gut zu verheiraten und Ihr, der kleinen Verkäuferin, ein schöneres Leben zu gestalten, als ihr, der Artistin, beschieden war. Auf dem Bockbierfest macht ein Münchener Hopfenhändler, namens Seidl der kleinen Emmi so heftig den Hof, daß er sich sogar bei Mama Panke sehr auffällig und eingehend nach den Familienverhältnissen erkundigt. Die Artistin weiß genau, was auf dem Spiel steht, und Seidls gefährlichen Fragen nach dem Papa weicht Sie mit einer Notlüge aus, indem sie einen Kapitän erfindet, der das ganze Jahr auf hoher See sei. Aber jetzt sucht das Pech auch sie heim. Seidl der bis über beide Ohren in Emmi verliebt ist, kommt durch einen unglücklichen Zufall dahinter, daß Frieda Panke ihn hereinlegen wollte, und besteht, um sich zu revanchieren, mit aller Energie darauf, den Herrn Kapitän persönlich kennenzulernen. Um der Panke keinen Ausweg zu lassen, behauptet er am nächsten Tage, zu wissen, daß heute früh der Kapitän ehrenbeladen als Sieger eines neuen Weltrekordes in Berlin eingetroffen sei. – Armer Livius Heintzel. Deine Frieda Panke weiß in ihrer Not keinen anderen Ausweg als dich ! – Natürlich wehrt sich der Präsident der Antialkoholiker mit allen Kräften dagegen, seiner unehelichen Tochter zuliebe einen Kapitän zu spielen und dazu noch aufs Bockbierfest zu gehen. Aber Frieda Panke droht seiner Frau alles zu enthüllen.
Eigentlich könnte der gute Heintze von sich sagen, daß ihm nichts erspart bliebe, denn Seidl ist ja Hopfenhändler. Es drohen ihm also gleich zwei Schwiegersöhne aus dem feindlichen Lager, und nicht nur das, Seidl und Raumort sind auch noch Geschäftsfreunde so daß an diesem Bockbierfestabend für Livius jede Gelegenheit zum Ausrutschen vorhanden ist. Daß aber Livius so weit ausrutscht, nämlich in das gefüllte Wasserbassin der Frieda Panke, wäre nicht gekommen, wenn er seinem heiligsten Grundsatz: „Nieder mit dem Alkohol !“ nicht untreu geworden wäre. Wer aber einen Käpitän spielt, muß ohne Furcht Schnaps und Bier in großen Mengen vertilgen können. Diesmal liegt im Bockbier und nicht im Wein die Wahrheit und Livius im Wasser. Die unglückliche Frieda Panke fürchtet, durch diesen Skandal nicht nur die Würde einer Frau Kapitän, sondern auch den Schwiegersohn Seidl zu verlieren. Im übrigen muß der vor Nässe triefende Heintze auch Raumert ab Schwiegersohn an sein Herz drücken, denn Hedwig ist aus unbegründeter Eifersucht ihrem Bräutigam gefolgt, ohne zu ahnen, daß sie dadurch hinter die Schliche ihres Vaters kommt.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #229, 09/27/1930):
Also – wenn ein Film „Bockbierfest“ heißt – was erwarten Sie dann wohl ? Doch sicher nichts anderes als einen Film voll derber, nicht sehr zurückhaltender Situationskomik, über den das Gros des Kinopublikums herzlich lachen soll. Der Titel charakterisiert den Film eindeutig.
Niemand kann von dem Film enttäuscht werden, denn wer Bockbierfeste nicht mag, wird nicht hingehen.
Den Autoren Friedrich Raff und Julius Urgiß ist zu bescheinigen, daß sie im Rahmen des vorgeschriebenen Milieus eine handfeste, sicher gefügte Handlung ausgearbeitet haben. Sie haben so gut wie jeder Szene einen gehörigen Schuß Situationskomik gegeben, die Mehrzahl der Figuren ist bewußt auf komisch angelegt, und jeder Darsteller hat etwas Dankbares zu spielen und zu sprechen. Grobe Verstöße gegen den guten Geschmack wurden vermieden – was leider bei solchen Stoffen nicht immer zu konstatieren ist.
Carl Boese wahrt auch beim Tonfilm seinen Ruf als eifriger, sauberer Arbeiter, der keinen Produzenten in der Patsche sitzen läßt und besonders bei volkstümlichen Stoffen den richtigen Ton trifft. Gegen Boeses ersten Tonfilm mit seiner blutleeren Handlung ist „Bockbierfest“ in bezug auf Szenenaufbau und Darsteller-Führung jedenfalls ein gewaltiger Fortschritt.
Wenn man von dem Inhalt kurz erfährt, daß die Hauptperson ein eingeschworener Antialkoholiker ist, der schließlich zugeben muß, daß seine beiden Töchter, die legitime und die illegitime, Männer mit sehr „geistigen“ Berufen – der eine ist Bierbrauer, der andere Hopfenhändler – heiraten, wenn weiter bekannt wird, daß der Unglückliche zwischen der Ehefrau Margarete Kupfer und dem „Seitensprung“ Ida Wüst hin- und hergeworfen wird und daß schließlich er und die studienhalber auf dem Bockbierfest anwesende Antialkoholiker-Kommission des guten Stoffes zuviel genießen, so kann man sich ungefähr vorstellen, was sich an heiklem Situatiönchen, an peinlichen Zwischenfällen und unglücklichen Begegnungen tut. Für die Nöte älterer Ehemänner ist das Publikum immer zu haben.
Notwendig erscheint der Hinweis an Autoren und Regisseur, daß Antialkoholiker und Trottel nicht notgedrungen die gleichen Begriffe sein müssen und daß der Film eigentlich keine zwingende Ursache hat, in dem Kampf gegen den Alkohol auf der Seite von Schnaps und Bier zu sehen. Mit einigem Geschmack hätte man Licht und Schatten etwas besser verteilen können.
Das Schwergewicht eines solchen Films liegt naturgemäß bei den Darstellern. Eine für diese Zwecke glänzende Besetzung attackiert erfolgreich das Zwerchfell des Publikums. Ludwig Stössel muß als Unterhosenfabrikant die Leiden seiner Rolle über sich ergehen lassen, er pendelt zwischen verlegenem Stottern und überbetonter Forschheit und hat schließlich die Sympathien des Parketts, als alles noch einmal gut geht. Stoessel wird nach diesem Film sehr gefragt sein.
Ganz großartig ist auch die Wüst, als gealterte Artistin, die um jeden Preis ihrer Tochter eine gute Partie sichern will und sich schließlich in ihrem Lügennetz völlig verheddert. Margarete Kupfer liefert mit spitzer Zunge Kommentare zu dem sonderbaren Tun ihres Gatten, sie wird wie beim Stummfilm stets willkommen sein.
Hans Adalbert von Schlettow, mit sympathischem bayerischen Dialekt, und Jack Mylong-Münz sind die stattlichen Schwiegersöhne, Trude Brionne und die charmante Margot Walter die dazugehörigen Töchter, die ihrem Vater soviel zu schaffen machen.
Kurt Lilien trifft als Conférencier den Ton des Bockbierfestes, Lucie Engelke kann als klatschfrohe Portierfrau sich mit einem unheimlichen Mundwerk in den Vordergrund spielen, Gerti Kutschern und Fritz Steiner liefern eine gerngesehene Tanzeinlage und Julius Falkenstein, Eugen Rex und Hermann Schaufuß geben als gefallene Alkoholgegner die gewünschten jämmerlichen Gestalten ab.
Anton Profes schrieb eine leichte Musik, der Versuch, durch ein schmalziges Männerquarett, das Banalitäten über seine Jugendzeit singt, sentimentale Bierseligkeit wiederzugeben, gelingt daneben.
Walter Robert Lach photographierte sehr ansprechend, Max Heilbronner und Emil Hasler zeichnen für die gutgelungene Bockbier-Dekoration, Hermann Birkhofer und Willi Zeunert lieferten den klaren und verständlichen Ton. Leider wurde der Film im Primus-Palast stellenweise zu lautstark gesteuert.
Leo Meyer, Schöpfer des „Witwenballs“, kann als Produktionsleiter mit seinem Erfolg zufrieden sein. Der junge Zentral-Film-Verleih bringt seinen Kunden einen sicheren Kassenschlager, über den überall so stark gelacht werden wird wie gestern bei der Premiere.