Originaltitel: Boykott (Jugend in Not; Primanerehre). Schülerdrama 1930; 74 min.; Regie: Robert Land; Darsteller: Ernst Stahl-Nachbaur, Lil Dagover, Rolf von Goth, Theodor Loos, Karin Evans, Wolfgang Zilzer, Erich Neurnberger; Emelka-Ilma-Tobis.
Ein Gymnasiast, dessen Vater man wegen Betrügereien verfolgt, wird von seinen Mitschülern boykottiert. Deren Capo passiert später das Gleiche, worauf er sich erschießt. Der Erstgenannte glaubt nun dasselbe tun zu müssen, kommt aber ob des Zuspruches seines Lehrers darüber hinweg.
Zusammenfassung
In die oberste Klasse des Gymnasiums platzte eine sensationelle Nachricht. Der Vater eines der Schüler, Generaldirektor Haller, ist wegen Verfehlungen verhaftet worden, und nun wird sein Sohn Erich Haller wie ein Verfemter behandelt. Besonders Herbert v. Pahl kann sich nicht genug tun an Sticheleien, und Erich klingen noch am Heimweg die Worte Pahls in den Ohren: „Wenn das mein Vater täte, ich würde das Leben von mir werfen!“ Als am nächsten Tag bekannt wird, daß auch Pahls Vater an den Verfehlungen Hallers mitbeteiligt ist, verübt Herbert tatsächlich Selbstmord. Erich will den gleichen Weg gehen, aber den Bemühungen seiner Liebsten und seines Lehrers gelingt es, ihm den Glauben an das Leben wiederzugeben.
Kritik (-e-, Film Kurier #296, 12/16/1930):
Robert Land, der Regisseur, hat einen seiner größten Erfolge mit einem Film aus dem Milieu der Jugend erzielt.
Es ist begreiflich, daß sein Tonfilm-Debut auf die gleichen Probleme zurückgreift. Dieses ehrliche Bemühen, ernste Stoffe zu verarbeiten, verdient besondere Anerkennung. Es ist unter den obwaltenden Verhältnissen schwierig genug, Themen der Zeit zur Debatte zu stellen.
Den besten Beweis dafür liefert der Film „Boykott“ selbst. Nach einer Novelle von Arnold Ulitz haben Dr. Schirokauer, Robert Land selbst und der Produktionsleiter Eugen Kürschner, das Manuskript geschrieben. Ein literarischer Film also? Nein, denn er muß sich ja an alle Schichten der Besucher wenden, darin liegt ja das Wesen der Lichtspielkunst.
Das macht auch die Aenderungen notwendig. Denn der Konflikt, der Kern jeder Film- oder Bühnenhandlung, kann weder klassenmäßig noch rassenmäßig sein. Im Hintergründe wartet der Zensor. –
Trotzdem haben Land und seine Mitarbeiter sich nicht schrecken lassen. Sie schildern den Boykott als die Ausschluß-Strafe einer Oberprima gegen einen Mitschüler, dessen Vater betrügerische Manipulationen gemacht hat. Der Führer der Hetze kommt durch seinen eigenen Vater in dieselbe Lage, und erschießt sich, der andere bleibt leben, weil er erkennt, daß darin eine Verpflichtung liegt.
Die pädagogische Lehre ist mit einer Fülle von Bildern verkleidet. Da, wo die Autoren das Geschehen nicht durchweg glaubhaft machen können, tritt ein ausgezeichnetes Ensemble für die gute Sache ein.
Die beste Leistung unter den Jungen zeigt Wolfgang Zilzer als Primaner Möller, im Dialog und im Spiel sehr eindringlich. Blasser sind Rolf von Goth, Erich Nürnberger, Karin Evans.
In der Besetzung der „Erwachsenen“ ist man von besonderer Sorgfalt gewesen: Für eine Episode, die kaum mehr ist als eine hübsche Garnierung, hat man Lil Dagover verpflichtet. Sie ist schön wie immer und zeigt völlige Vertrautheit mit dem Mikrophon. Eine Bereicherung auch des Sprechfilms.
Ueberlegen und durchgearbeitet gibt Ernst Stahl-Nachbaur den Generaldirektor Haller. Man glaubt ihm den Industrie-Piraten, wenn man auch von den Taten mehr hört als sieht.
Der Lehrer ist Theodor Loos. Ruhig, ohne naheliegendes Unterstreichen und gerade deshalb wirksam.
Die technische Arbeit von Franz Koch (Kameramann), Fritz Sorg (Tonmeister), Ludwig Reiber (Architekt), Alexander Laszlo (musikalische Leitung) war durchaus ansprechend.
In der Inszenierung versucht Land mit Glück, ein paar Stilisierungen von Bild und Ton zu finden. Einen Angst-Traum des boykottierten Primaners untermalt er zu visionären Erscheinungen mit Sprech-Chor. Die Flucht des Jungen vor sich selbst zeigt er in stummen Straßen-Ueberschneidungen, die illustrativ von der Musik begleitet werden. Damit ist der Naturalismus des Tonfilms durchbrochen. Andere Wirkungen sind da, die keinesfalls schwächer erscheinen.
Der Film, der in einer Nachtvorstellung zugunsten der Wohlfahrtskassen des Reichsverbandes der Deutschen Presse anlief, fand herzlichen Beifall.