Va Banque

Originaltitel: Va Banque. (Alles oder Nichts.) Kriminalkomödie 1930; 74 min.; Regie: Erich Waschneck; Darsteller: Lil Dagover, Gustaf Gründgens, Ernő Verebes, Rolf von Goth Fritz Spira, Julius Falkenstein; Jean de Merly-Tobis-Film.

Die Sicherheitsbehörden aller Länder suchen nach einem internationalen Diebe, der sein Handwerk augenscheinlich aus Passion betreibt. Ein Privatdetektiv wird auf eine elegante junge Dame aufmerksam, die seine Nachforschungen auf ein falsches Geleise zu bringen sich bemüht, und entlarvt ihren Bruder als den geheimnisvollen Dieb. Da er sie aber liebt, läßt er ihn laufen.

Zusammenfassung
In Denver tagt der Polizeikongreß.
John James Brown, Privatdetektiv und Schrecken der Verbrecher zweier Welten, befindet sich auch in Denver. Er ist aber ein bequemer Herr, der nicht gern früh aufsteht. Es ist schon neun Uhr vorbei, als sein Diener klopft, um eine Depesche zu bringen: „werde mich freuen auf dem polizeikongreß ihre bekanntschaft zu machen, va banque.“ Zu gleicher Zeit fällt der gleiche Name Va Banque auch auf dem Kongreß. Va Banque ! Der rätselhafte Verbrecher, dieser verwegene Kerl, der lauter Gegenstände stiehlt, die er gar nicht verwerten kann und überall seine Visitenkarten zurückläßt. Der nationale Versicherungstrust hat auf die Ergreifung dieses Va Banque eine Belohnung von 25000 Dollar ausgesetzt. Sie liegen in einem Kuvert auf dem Tisch des Präsidenten. Doch kaum hat der Präsident seine Erklärung abgegeben, da stürzt ein Telegraphist in den Saal und überreicht ihm ein Telegramm, – es stammt von Va Banque, und der Verbrecher gibt darin bekannt, daß er im Kongreß anwesend ist. Die Aufregung ist ungeheuer. Die Saaltüren werden geschlossen. Da . . . die Lichter gehen aus . . . Kurzschluß . . . der Saal wird dunkel . . . eine Tür wird abgerissen . . . eine Fensterscheibe klirrt . . . und schon flammt das Deckenlüster wieder auf. Das Kuvert mit den 25000 Dollar in bar ist verschwunden . . . und an seiner Stelle liegt eine schmale, weiße Visitenkarte mit den zwei Worten „Va Banque“. Einen Augenblick lang ist alles gelähmt. Dann werfen sich Dutzende gegen die Tür, reißen sie auf und stehen vor einem Mann, der eben eintreten will. Es ist James. Er übersieht sofort die Lage und schlägt vor, hübsch stille zu sein und ihm die ganze Angelegenheit Va banque zu übergeben. Man will ihn abweisen. Vor der Blamage hat man keine Angst. Journalisten waren ja nicht zugelassen . . James schmunzelt. Er pfeift und – von der Galerie antwortet ihm der gleiche Pfiff. Da oben steht auf der letzten Bank ganz allein ein alter gebeugter Mann mit einem langen weißen Bart. James springt zu dem Alten hin, faßt seinen Bart, schiebt ihn zur Seite, unter dem Bart wird ein Photoapparat sichtbar, und James stellt seinen Freund Freddy Kallai vor, aus Budapest gebürtig, den pfiffigsten Fotoreporter der Welt. James bekommt den Fall übertragen. Liner der Kongreßbesucher muß Va Banque gewesen sein. Alle Plätze werden wieder eingenommen – nur einer nicht. Es ist der Platz einer alten schwerhörigen Dame. Ihr Hörrohr liegt noch auf dem Platz. Das war also Va Banque . . . Madame Hopkins aus Los Angeles . . . James hat eine Spur . . . in neun Tagen will er von sich hören lassen, in neun Tagen, weil dann sein Geburtstag ist und er sich die Entlarvung von Va Banque zum Geburtstagsgeschenk machen will. Sein Weg führt selbstverständlich nach Los Angeles.
Im Zug hatte er eine reizende Nachbarin. Miss Harriet Williams aus Los Angeles, ebenso jung wie resolut. – James mußte es bald erfahren, denn die junge Dame reagiert auf seine Annäherungskünste so gut wie gar nicht.
Der Detektiv holt sich als Don Juan eine Abfuhr. Allein – Frauen sind eben Frauen, und beim Aussteigen in Los Angeles versöhnt man sich. James stellt sich vor – er nennt freilich einen anderen Namen. als die Coupétür aufgerissen wird und ein junger Mann eintritt, der die hübsche Miss umarmt und küßt. – In seinem Hotelzimmer findet er einen Wertbrief vor und darin die Dollars, die vom Kongreß in Denver gestohlen worden sind, mit der Visitenkarte von Va Banque. Miss Harriet lädt James telephonisch für den Abend zu einer Gesellschaft ein, wo er ihren Bruder kennenlernen soll. Hier sieht er den Namen Green auf seiner Tischkarte, auf der Rückseite der Karte steht: „Ich bin anwesend: – wenn sie ein Kavalier sind, achten sie auf den Schmuck der Haus- frau. Va Banque.“ Nervös sieht er sich um. Ein ungeschickter Kellner fällt ihm auf – aber es ist Freddy, der sich auch hier Eingang zu verschaffen wußte.
Das Souper ist aus. James weicht keinen Schritt von Harriets Seite. Da tritt Freddy heran, mit einem Tablett mit Sektgläsern. James setzt sein leeres Glas hin. Harriet erbleicht und ruft aus: „Meine Perle ist weg !” Die Platinkette um Harriets Hals ist gerissen, die Perle ist fort. Die Polizei ist bereits verständigt. Mr. Parker, der Polizeichef von Los Angeles, kommt selbst. James setzt ein Sektglas an die Lippen, da stockt er, blickt in das Glas, stülpt es blitzschnell um . . . aus dem Sektglas fällt Harriets verlorene Perle in seine flache Hand . . Parker will alle Anwesenden im Nebenzimmer durchsuchen lassen. So bleiben James und Harriet allein. Er zieht die Perle aus der Tasche und sagt sehr ernst: „Hier ist Ihre Perle, Miss Va Banque !“ „Ich danke Ihnen, Mister James . . .“ Die Masken sind gefallen. Er wendet sich ab, um den Polizeichef zu rufen. Da wird die Tür aufgerissen. Atemlos läuft ihm der Polizeichef entgegen: “Im Hotel Piccadilly ist soeben die Stradivariusgeige Kreislers gestohlen worden . . . Und der Dieb war Va Banque . . .“ James blickt Harriet an und hört sie spöttisch fragen: „Nun, Herr Sherlock Holmes, wer ist der wirkliche Va Banque ?“ – James sagt: „Wer es ist weiß ich nicht . . Noch nicht . . . Aber Sie sind es nicht.“ „Nein ? – Nun, dann will ich es Ihnen beweisen !“ „Ja, an Ihrem Geburtstage, an dem Sie Va Banque fangen wollten, da werde ich es Ihnen beweisen – wo immer Sie sich an diesem Tage, am 13. Juni aufhalten wollen . . .“ James ist in der Nacht des 12. Juni in einem Nachtlokal mit Freddy als treuen Gefährten. Als die Uhr eins schlägt, die erste Stunde jenes 13. Juni, der entscheiden soll, geht James. Er schleicht sich in den Garten, ohne zu bemerken, daß ihm ein Schatten folgt. Ein Hund bellt auf. Harriet eilt zum Telefon, um das Überfallkommando zu benachrichtigen – da blitzt im Garten ein taghelles Licht auf und beleuchtet James Freddy, der seinen Freund mit einer Nachtaufnahme erfreuen wollte, hat ihn verraten. Harriet und ihr Bruder haben James gesehen. Harriet ruft das Überfallkommando an. Sie läßt James verhaften. James amüsiert sich erst. Aber die Sache wird ernst. Wenn die Polizei einmal angefangen hat, sich zu irren, dann häufen sich die Irrungen in geradezu tragischer Weise. Kein Mensch will glauben, daß James – James ist. Man untersucht seine Taschen und findet bei ihm – eine Reihe von Visitenkarten. Auf den Karten steht: Va Banque.
Der Inspektor ruft den Polizeichef in seiner Wohnung an. Mr. Parker ist aber nicht zu Haus. James wird abgeführt und muß seine Nacht in der Zelle verbringen. Parker kommt erst morgens heim und hört von seiner Frau, daß man Va Banque verhaftet habe. Atemlos begibt er sich ins Amt. Perker klärt den Irrtum auf und James will Va Banque noch in dieser Nacht zur Strecke bringen. James braucht dazu nur ein freies Zimmer im Polizeipräsidium. Und er zieht ins Zimmer Nr. 321 ein. Vorerst erscheint Freddy, und James hat Mühe, ihn zu entfernen. Als er in sein Zimmer zurückkehrt, findet er auf dem Tisch eine große Fotografie Harriets – fast lebensgroß, und daneben liegt ein Brief. Sie hat ihm das Bild geschickt, zum Geschenk, und dieses selbe Bild will sie noch in dieser Nacht stehlen, um zu beweisen, daß sie doch Va Banque ist . . . Es wird Nacht. James sitzt in seinem Zimmer allein und wartet. Die Uhr zeigt wenige Minuten vor Mitternacht. Er will sich eine Zigarette anzünden, sucht in seinen Taschen, findet sein Etui schließlich auf dem Tisch liegen, entnimmt ihm eine Zigarette und zündet sie an, bläst den Rauch wieder aus, riecht an der Zigarette und wirft sie wieder weg. Er scheint müde zu sein. Seine Augen fallen zu. – Da tastet sich an der Wand entlang, draußen am Korridor, der Schatten einer Frau. Eine Hand drückt die Klinke der Zimmer-tür hinunter. Eine Frau schlüpft ins Zimmer: Harriet. Sie wirft einen Blick auf das Zigarettenetui, geht zum Bild und will es mitnehmen. Da öffnet sich die Tür des Nebenzimmers. In der Tür erscheint ein Mann . . . James hat Va Banque gefangen ! Aber ehe der Polizeichef Parker herbeieilt, um Va Banque zu verhaften, ist dieser schon wieder entflohen, nicht ganz ohne Hilfe des Detektivs. Ruhig und lächelnd läßt James die Vorwürfe Parkers über sich ergehen, denn seine Blamage verdankt er eine für ihn viel wichtigere Sache: Hand und Herz Harriets.

Kritik (-u., Film Kurier #222, 09/19/1930):
Der neue Film der Deutschen Jean de Merly Tonfilm-Produktion sucht an Stelle de Kriminalfilms die freundlicheren Gefilde der Kriminalfilmkomödie auf.
Man serviert daher einen Fall sportlicher Kleptomanie bei den oberen Zehntausend, für die gewohnte Unterwelt gibt es diesmal eine elegante (Ober-) Welt, in der man stiehlt aus Spaß am Stehlen und nicht um zu verwerten.
Gesellschaftsspiel um einen Meisterdieb, der, weil Liebe zugleich mit im Spiel ist, straflos und Besserung versprechend davon kommt.
So treibt kein Messer-Jack sein gefährliches Handwerk – Spuren von großlanzierten Coups weisen zu einer geheimnisvoll schönen Frau, die sich bemüht, die Fäden der Intrige zu verwirren und auf abenteuerlichen Wegen zu verknüpfen. Und so bekommt Erich Waschneck mitsamt seinem Salon-Erbauer Robert Neppach den gesellschaftlichen Rahmen, den er braucht.
Lil Dagover darf, in schmiegsam kostbare Gewänder gehüllt, – von Goldberger photographiert –, schlank und betörend auftauchen mit ihrem Mona-Lisa-Lächeln und voll Charme ihr Dame-Kobold-Spiel treiben.
Es ist ihre erste Sprechrolle nach einem Auftakt in einem 25prozentigen Sprechfilm von Mittler, der seiner Zeit sie auch in eine Kriminalhandlung stellte. (Stets ein Reiz für das Publikum, eine schöne Frau ein paar Akte lang als Schuldige zu vermuten, derweil ihre leidende Schuldlosigkeit sich freudig zum glücklichen Schluß herausstellt.) Bei Waschneck bekommt sie noch dazu Gelegenheit, in jenem liebenswürdigen Konservationston einer lieblichklugen Frau zu sprechen.
Gustaf Gründgens ist ihrer Gepflegtheit ein geeigneter Partner. Ein Privatdetektiv mit dem Hauptaccent auf dem Wort Privat, so unauffälliger Zuschauer bleibt er angesichts der Kriminalfälle, bei denen er gerade nur mit der linken Hand greifen darf, um ein wenig Schicksal zu spielen.
Er muß einen schwierigen Typ bringen – den passiven Detektiv: keinen Mann der Faust, der wie Bancroft die Gegner knockout boxt, keinen Artisten im Krack, der wie Piel von Autodach zu Autodach schwingt. Und diese neue Art von Detektiv, dem der Zufall das Seine im Schlaf gibt, mimt er mit diskretem Gentlemantum.
Für Va Banque-van Goth, den Geheimnisvollen, bleibt daneben nicht allzu viel Raum übrig. Schuld des Manuskripts (das man Franz Schulz änderte), daß diese Rolle an die Perepherie rückt, daß man von diesen großzügigen Diebespassionen das meiste in der langen Vorgeschichte erfahren muß.
Verebes sorgt für das Heitere, voll Behendigkeit seinen verhinderten und immer wieder optimistischen Photo-Reporter mimend. Neben ihm Fritz Spira, Julius Falkenstein, Hugo Doeblin, Marianne Kupfer.

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