Originaltitel: 24 Stunden aus dem Leben einer Frau. (Eine Nacht an der Riviera.) Sentimentales Lebensbild 1931; 77 min.; Regie: Robert Land; Darsteller: Henny Porten, Walter Rilla, Friedrich Kayßler, Margo Lion, Hermine Sterler, Walter Steinbeck; Nero-Porten-Tobis-Klangfilm.
Eine Witwe will einen Spieler vom Selbstmord zurückhalten, hofft auf ein neues Glück mit ihm. Bald aber überzeugt sie sich von seinem Unwert, geht.
Zusammenfassung
Helga Vanrohs Ehe hafte fünf Jahre gedauert Zwei Jahre davon waren die Verbundenheit zweier für einander geschehener Menschen; dann überfiel in Südamerika die Malaria den Legationsrat Günther Vanroh. Für Helga gab es nun nur noch den zähen, unerbittlichen Kampf gegen die schleichende Krankheit und gegen die Mutlosigkeit ihres Mannes, der den langsamen Zerfall seines Lebens fühlte und mehrmals versuchte, aus Liebe zu seiner Frau freiwillig seinem Leben ein Ende zu setzen. Helga jedoch wich nicht von seinem Krankenlager; drei Jahre dieses langsamen Hinsterbens bedeuteten für sie nichts als eine einzige endlose Tag- und Nachtwache. Aber sie unterlag: Der Tod war der Stärkere.
Dann kamen Jahre der Vereinsamung und danach der Flucht zu den lauten Stätten des Lebens, das absichtliche Aufsuchen von Orten, an denen sie mit Günther glücklich gewesen war. Viel von der Welt hatte sie mit ihm gesehen!
Ein kleiner Kreis des vornehmen kleinen Hotels an der Riviera schwärmt im stillen für die sich abseits haltende Helga. Es sind nicht nur junge Menschen, die von ihrem „Ideal“ einen Blick, ein Wort zu erhaschen suchen. Bin besonderes Interesse widmet der stillen Frau Professor Merk, der schon lange eine Gelegenheit suchte, sie zum Sprechen zu bringen. Als diese sich Ihm endlich bietet, vernimmt er erschüttert die Tragödie einer glücklichen Ehe. Er rät Helga, die erleichtert und doch aufgerüttelt ist von dem Gespräch, jetzt mit ihren Gedanken nicht allein zu bleiben, sondern unter die Menschen zu gehen, Helga zögert zunächst, den Rat zu befolgen, entschließt sich dann aber doch, ins Kasino zu gehen, noch einmal – wie sie früher mit Günther manchmal tat – dem Spiel der Rollenden Kugel zuzusehen, die Hände der Hasardeure zu beobachten. Helga verläßt das Hotel und die vierundzwanzig Stunden ihres weiten Lebensschicksals beginnen. Die Einsame hat kaum den Spielsaal betreten, als ihre Augen von dem Spiel zweier Männerhände gefesselt werden. Diese Hände schnellen vor und zurück, springen hoch und fallen nieder, sie greifen an, jagen, fiebern. Die Stunden vergehen: die Hände beginnen unsicher zu werden, sie zittern. krümmen sich, hoffen wieder, wagen von neuem, stürzen zuletzt zusammen, als der allerletzte Einsatz, der allerkleinste noch, verspielt ist. – – Sascha Lonay taumelt auf, wankt aus dem Saal. Helga kennt den Mann nicht, nicht seine Herkunft, nicht seine Abstammung – sie sieht nur dieses Gesicht. Mit diesem Gesicht geht man in den Tod Helga muß dem Verlorenen folgen: die Kasinotreppe hinab, dem Park zu Auf der ersten Bank bricht der junge Mensch zusammen; er sieht, er hört nichts, der Regen strömt über ihn, er fühlt ihn nicht. Diese Todesbereitschaft erschüttert Helga aufs tiefste. Sie tritt an Sascha heran, sie spricht ihm zu, und, da er ihrer nicht achtet, so wenig wie des Unwetters, das um ihn wütet, schleppt sie den Willenlosen zu einem Wagen, bringt ihn zu einem kleinen Hotel, bietet ihm Geld an, damit er ein Obdach für die Nacht habe. „Am Tage sieht alles anders aus“, hört Sascha eine trostreiche Stimme neben sich. Bisher hatte er geglaubt, es sei eine Dirne, die ihn da aufgegriffen habe, nun stutzt er. Aber eine Verzweiflung ist zu stark er will sterben. Zynisch weist er Helga zurück: er müsse ein Ende machen, wo und womit sei ja gleichgültig. Helga erkennt: sie muß ihn in das Zimmer des zweifelhaften Hotels begleiten, um ihm die Waffe aus der Hand zu winden Wie sie dorthin, in das schäbige Zimmer gelangt, weiß sie selbst nicht recht, sie weiß nur: sie muß um dieses junge Leben kämpfen! Schließlich weicht von Sascha die Erstarrung: von seinen Lippen stürzen die Worte: sie formen das Schicksal Sascha Lonays, des Sohnes aus vornehmem hause, des Spielers, des immer tiefer Gesunkenen, der einmal sich noch aufgerafft hatte, in Afrika den Versuch zu einem neuen Leben zu machen. Auf dieser Reite, kurz bevor er sich in Marseille einschiffen wollte, an diesem Abend, beim Klang des Namens „Monte Carlo“ hat den Verlorenen die alte Leidenschaft gepackt. Alles hat er versetzt, verspielt: Reisegeld, Schiffskarte, alles, was er irgend Wertvolles bei sich trug. Was bleibt ihm, alt der Tod?! Eine gütige Stimme spricht ihm zu, die Stimme einer Dame, einer vornehmen, mitleidigen Frau. Noch einmal steht vor ihm die Lockung des Lebens, aus dem er sich bereits ausgestoßen glaubte, das Leben in Gestalt eines schönen Frauenkörpers. Bin letzter Lebenshunger reißt ihn auf, und sein Taumel reißt die Ermattende, die Nachgebende, die Verschenkende mit sich. – Helga kann das alles am nächsten Morgen nicht fassen. Aber als sie im hellen Licht des Mittags einen Verwandelten, Bekehrten, Demütigen trifft, ist sie glücklich, einen Menschen dem Leben zurückgewonnen zu haben. Sascha ist wie ein Knabe, ein übermütiges Kind. Der Tag zweier Liebenden bricht an mit Wagenfahrt unter strahlendem Himmel, an leuchtendem Meer, und er gipfelt in Saschas aus neuer Lebensseligkeit heraus freiwillig geleistetem Versprechen, nie mehr zu spielen, mit einem neuen, arbeitsamen Leben zu beweisen, daß Helgas Opfer nicht umsonst war, daß sie es keinem Verlorenen geschenkt hat. Nur eines sagt er nicht, und auf dieses Eine wartet Helga den ganzen Tag, diesen Tag von Sonne, Lachen und Liebe. Sie will es nicht wahr haben, daß er sie nahm ab ein Geschenk, ab eine Gnade, daß sie ihn nur rettete, um ihn und sich zugleich wieder zu verlieren. Aber er spricht nur von seiner Zukunft, von seiner Dankbarkeit, nicht von ihrem Beieinanderbleiben. Während er seine Habseligkeiten auslösen will, fährt, sie ins Hotel: Am Bahnhof werden sie sich zum letzten Mal sahen. Lange kämpft Helga mit sich: immer starker fühlt sie, daß sie ohne Sascha nicht leben kann, schließlich überwältigt ihr Gefühl sie, und sie beschließt die Abreise. Noch eine halbe Stunde Zeit hat sie : Kofferpacken, Aufbruch, Abrechnung, und nun fort, fort . . . aber da halten der Professor Mark und andere Hotelgäste sie auf, der Page kommt nicht mit dem bestellten Billett, ein paar Abschiedssätze noch . . . wo ist das Auto? – rasch, rasch, nur rasch, die Minuten verfliegen, nun aber in höchster Eile zum Bahnhof, um Himmelswillen nicht zu spät kommen! Das Auto rast, halt endlich, sie stürzt heraus . . . – Der Zug verläßt langsam die Heile, ab Helga atemlos den Bahnsteig erreicht! Vor ihren Augen schwimmt es, im Nebel sieht sie ein winkendes Taschentuch, die Gestalt eines herausgebeugten Mannes . . . „Sascha!“ . . will sie rufen, sie bringt keinen Laut heraus, um sie ist das Geschwätz der vom Bahnsteig Zurückkehrenden, das Geräusch des Bahnhofs . . Sie wird mit dem nächsten Zug fahren, ihm nach, nach Marseille, beschließt sie. Aber sie kann hier nicht bleiben. Fast willenlos tragen sie ihre Füße vorwärts: aus dem Bahnhof hinaus, in den anbrechenden Abend hinein, durch den Park, vorbei an der Bank, auf der sie gestern abend Sascha sitzen sah, die Kasinotreppe, der Spielsaal, ohne es zu wissen, sucht sie die Statten auf, an denen sie mit Sascha war. So finden ihre Augen wieder den Platz am Roulettetisch, an dem Sascha gestern . . . – Träumt sie? ist ein Fieberwahn um sie? Am gleichen Pfads sitzt Sascha wieder, vom Spiel besessen, mit dem Geld spielend, das sie ihm gab . . er spielt: gewinnt, gewinnt wieder. Mühsam hält sich Helga aufrecht, ab schlappt sich zu ihm hin, sie spricht ihn an. Er aber lacht sie ah, er ist glücklich über seinen Gewinn, er hat alles vergessen: Opfer, Schwur, Zukunft. Helga mahnt ihn flüsternd an sein versprochen, Langsam kommt er zur Besinnung: aber noch einmal will er setzen, nur noch einmal: Er setzt und vertiert. Da bricht er zornig aus: „Geh, du bringst mir Unglück!“ Und die harte Stimme des Croupiers mischt sich ein: er verweist Helga zur Ruhe. Da nimmt Helga alles Geld, das sie für die Reise zu sich gesteckt hatte, aus ihrer Handtasche und tagt es vor Sascha hin. Und geht . . .
Sascha erwacht. Er sieht das Geld: er versteht den Sinn dieser Geste, er fühlt den Schlag. Scham fällt über ihn, er findet sich beschmutzt entehrt, würdelos . . . Er ahnt mehr als er mit Augen steht: Helga tot gegangen . . . wohin? In den Tod? Er stürzt ihr nach, in die Nacht hinaus . . . Er sieht sie nicht . . . Er ruft: „Helga, Helga!“ Voll Angst und Uebe noch einmal: „Helga!“ Da . . . ihr Kopf wendet sich, ihr Geeicht leuchtet aus dem Dunkel.
Kritik (E. J., Film Kurier #240, 10/13/1931):
Es gibt heute (wie einst beim Stummfilm in seiner letzten Serienzeit) schon wieder Filme, da stürzt sich der Kritiker in den Strudel der „Premiere“ – wild entschlossen, so blind, unvoreingenommen nach Eindrücken zu fischen wie das Publikum, vorher nicht zu fragen – wie alles kam, welche „Umstände“ entschuldigen oder belasten den Film, wie lange Drehzeit, wer Autor, wer Regisseur –? Man will sich frisch und grün beeindrucken lassen – wie das glücklich-naive Publikum.
Fein säuberlich darf man auf dem Kritiker-Sesselchen, Brust am Schreibtisch, dann aussortieren, welche Einzeleindrücke sich zum Gesamtbild schließen, römisch I–XVII. und so legt man (bei gewissen Filmen neutraler Art) die Guten ins Töpfchen – die Bösen ins Kröpfchen (–man schluckt sie ärgerlich hinunter).
Bei gewissen Durchschnittsfilmen bringe man daher die Methode „Trumpf-Stech-Apparat“ zur Anwendung. Ein sinnreiches Gerät; bei dem man sein Glück in Form von allerhand Süßigkeiten mittels einer durchlöcherten Tafel herauspicken kann. Filme ungewisser Haltung bringen auch den Kritiker (und das Publikum) in ungewisse Haltung: Man spielt mit dem Film, man spielt mit – man erlebt ihn nicht. Bei diesem Porten-Film möchte das Publikum – wenn es nicht vor der guten Art und dem besonderen Künstlertum der Porten so manierlich wäre –, schon sehr gern mitspielen. Doch lachte es gestern nur sehr gelegentlich (an falschen Stellen) – und applaudierte am Ende so heftig, so herzlich, weil es die Königin Luise persönlich sehen wollte. (Und wir alle auch – die Porten als „Königin Luise“)
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Dies mit der Trumpf-Stech-Methode wäre noch zu erklären – ebenso der angedeutete lebhafte Beifall für die „Königin Luise“.
Den ganzen Film über denkt man (und pickt, wie beim Trumpfstechen, Favoriten heraus) wer mag da nur Regie führen? Natürlich – Robert Land. Nein, das ist kein Favorit. Marsch, ins Kröpfchen. Und wer Fälscht aus Stephan Zweig, dem literarischen Vorwand (seine gleichname Novelle aus dem Kreis „Verwirrung der Gefühle“ diente zur Grundlage) die Courths-Mahler wieder: Harry Halm und Friedrich Raff. Bitter, bitter. Eine Arbeit auf Eil-Frist? Nur 8 Tage? (Anders nicht zu erklären.) Man findet im Manuskript folgenden Passus:
„Hertha wird erschreckt inne, daß sie sich, von ihrem Mitleid und Hilfewillen getrieben, zu weit vorgewagt hat. In der Verwirrung ihrer Gefühle entgleitet sie sich selbst – ihr Widerstand wird schwächer langsam dunkelt das Bild ab.“
So die Autoren an der entscheidenden Stelle des Drehbuchs, das sollen sie uns mal vorspielen . . . Was soll daraus ein Regisseur, was eine, was diese Schauspielerin machen?
Da wären wir beim Thema „Königin Luise“: Henny Porten, eindeutige Verkörperin alles Seelisch-Geraden, soll hier 24 Stunden Nervensensationen spielen. Gefühls-Triebe, das Tiefunten, „das dornendichte Gestrüpp des Herzens“. Unmöglich. Sie kann den Frieden ihrer Augen nicht verleugnen.
Gerade in diesem herrlich photographierten Süden wirkt sie doppelt als Freudenstrahlerchen, gesund, lieblich, verankert in eigenstem sichersten Gefühlsgrund. So muß aus dem seltsamen Nachtereignis einer Frau in Monte Carlo ein unerotischer Zufallsroman im typischen Milieu werden. Nervenbeben, Verwirrung der Gefühle . . . wie könnte man ihr das auch nur eine Sekunde glauben. Ihre Ausdrucksfülle liegt fern von jeder Nervensphäre. Psychoanalyse – und Henny Porten: 24 Stunden solcher Mischung werden, auch wenn Selbstmorde drohen und Nachtverführung – – kaum ein Komödienstoff, sicherlich aber eine ungelöste Banalität.
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Versuchen wir’s mit dem Trumpf-Stechen. Wer kann so herrliche, nuancenreiche Motive auch aus schon oft gesehener Landschaft neu erstehen lassen? Friedl Behn-Grund, Kamerameister. Otto Kanturek steht ihm mit Innenaufnahmen wenig nach. Die charakteristischen Räume stellt Franz Schroedter. Tonaufnahme: Erich Lange, sehr gut. Doch manche Teile der Geräuschsynchronisierung angreifbar. Die Porten spricht hier in einem Timbre, fraulich-warm, das ihre Gemeinde begeistern wird. (O hörten sie dich schon, Luise.)
Gute Schauspielerwirkungen sind zu verzeichnen: Margo Lion, die jeden Film belebt. Kayßler und Hermine Sterler haftende Figuren. Walter Rilla, der verlorene Spieler aus gutem Hause. – Partner der Porten, kultiviert und intellektuell.
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Daß die Porten-Produktion in nobler Aufmachung, technisch-künstlerisch ausgeglichen ihre Produktion durchführt, weiß man: Garant bester Atelier- und Aufnahme-Qualitäten – Dr. Wilhelm von Kaufmann. Bei der Porten-Gemeinde wird er natürlich auch mit diesem Werk Anklang finden (doch mit Stefan Zweig kann man den Film nicht in Zusammenhang bringen).