Originaltitel: Danton. Historisches Drama 1931; 93 min.; Regie: Hans Behrendt; Darsteller: Fritz Kortner, Lucie Mannheim, Gustaf Gründgens, Alexander Granach, Gustav von Wangenheim, Werner Schott, Georg John, Ernst Stahl-Nachbaur, Georg H. Schnell, Ferdinand Hart, Carl Götz, Hugo Fischer-Köppe; Allianz-Tobis-Klangfilm.
Robespierre, anfänglich gemäßigter, ablehnend gegen unnützes Morden, tritt später durch seinen revolutionären Fanatismus in leidenschaftlichen Gegensatz zu Danton, dem das Schicksal Frankreichs über dem Siege der „Idee“ steht, intriguiert gegen ihn, den schließlich der Convent dem Henker übergibt.
Zusammenfassung
Vorgeschichte
Im Jahre 1769 beginnt die Französische Revolution, nachdem der König die Generalstände berufen hat eine Vertretung der drei Stände Geistlichkeit, Adel und Bürgertum einschließlich Volk. Es gelingt dem dritten Stand, die Macht in dieser Nationalversammlung an sich zu reißen und aus ihr mehr und mehr eine revolutionäre Waffe gegen Königtum, Klerus und Adel zu machen. Der erste große Erfolg der Revolutionäre ist die Erstürmung der Bastille am 14. Juli 1709; es folgt die Uebersiedlung der Königsfamilie und der Nationalversammlung von Versailles nach Paris, wodurch beide noch mehr unter den Einfluß der revolutionären Hauptstadt kommen.
Das Jahr 1792 ist herangekommen. Im Juni hat der König seinen mißlungenen Fluchtversuch unternommen. Als Gefangener wird er nach Paris zurückgebracht. Der Sturm auf die Tuilerien bringt die erbitterten Massen bis in die königlichen Gemächer; dennoch bleibt der König am Leben. Der geistige Mittelpunkt der Revolution ist inzwischen der Jakobinerklub geworden, in dem Robespierre, Danton, Marat, Saint Just und Desmoulins das große Wort führen. Hier werden Rededuelle zwischen Radikalen und Gemäßigten ausgefochten. Eine besonders erregte Sitzung findet statt: es handelt sich um die Frage, ob der König verbannt oder hingerichtet werden soll. Die Radikalen unter Führung Dantons und Marats siegen. Der Kopf des Königs wird gefordert. Ludwig XVI. wird vor den Konvent geladen, um sich vor ihm zu verteidigen. Das Urteil lautet auf Tod, weil er angeblich mit den Feinden Frankreichs in Verbindung gestanden hat. Mutig und gefaßt stirbt der König unter dem herabsausenden Beil der Guillotine. Der Tod des Königs bringt eine Koalition europäischer Mächte gegen Frankreich zusammen. Frankreichs revolutionäre Jugend marschiert begeistert in den Krieg, hat anfangs Erfolge, muß aber dann überall den Rückzug antreten. In Paris herrscht deswegen niedergedrückte Stimmung; man glaubt die ganze Revolution in Gefahr. Daraufhin kommt es zu Massenverhaftungen von Priestern und Adeligen. Die Gefängnisse sind überfüllt. Danton, der die Gefangenen inspiziert, lernt unter den Adeligen die Royalistin Louise Gély kennen und lieben. Er heiratet sie. Diese Verheiratung kommt Robespierre, der insgeheim Diktator werden will, sehr gelegen; denn sie gibt ihm eine Waffe in die Hand, Danton, den Abgott der Massen, seinen mächtigsten und gefährlichsten Gegner, beim ewig wankelmütigen Volk verdächtig zu machen. Mit feigen, versteckten Intrigen beginnt er diesen Kampf, während ihm Danton offen und ehrlich gegenübertritt. Als ihn Freunde vor Robespierre warnen und von seiner Wühlarbeit gegen ihn berichten, hält Danton es für übergroße Besorgtheit und schlägt ihre Warnungen in den Wind. Inzwischen sammelt Robespierre mit Hilfe Saint Justs angebliches Material gegen Danton, der die Revolution verrate und durch seine Frau ins Lager der Royalisten übergegangen sei. Vor allem wird Danton für das verräterische Treiben des Generals Dumouriez verantwortlich gemacht, der sich mit den Oesterreichern in Verhandlungen eingelassen hatte, um gemeinsam mit ihnen gegen das revolutionäre Paris zu marschieren. Danton reist sofort zur Front, überrascht den General beim Verrat, entkleidet ihn des Oberbefehls, gibt ihm aber Gelegenheit zu entfliehen. Danton gelingt es, den Oberbefehlshaber der Verbündeten, den Herzog von Koburg, zum Abzug zu bewegen, indem er sich für das Leben der Marie Antoinette verbürgt. Nach Paris zurückgekehrt, hört er mit Entsetzen, daß Marie Antoinette in seiner Abwesenheit hingerichtet worden ist. Als zweite Hiobspost erfährt er die Ermordung seines Freundes und Helfers Marat, der mit großem Pomp begraben wird. Die inneren Gegensätze zwischen Danton und Robespierre treten immer mehr hervor und bestimmen ihre Handlungen. Robespierre drängt auf eine Schreckensherrschaft hin, Danton rät zur Mäßigung und Milde, um die Idee der Freiheit und der Revolution nicht durch ein Meer von Blut zu gefährden. Robespierre hat inzwischen Danton ganz isolieren können; nur Desmoulins bleibt ihm treu. Es gelingt Robespierre, beide verhaften zu lassen und vor das Revolutionstribunal zu bringen. Furchtlos, mit imponierender Geste, tritt Danton vor seine Ankläger. Seine mächtige Stimme grollt durch den Konvent; aus dem Angeklagten wird ein Ankläger! Seine Gegner erbleichen. Das Volk jubelt Danton wieder zu; schon glaubt er sich gerettet; da läßt Robespierre, der für seinen Kopf fürchtet, den Konvent mit Waffengewalt räumen und Danton abführen. Damit ist Dantons Schicksal besiegelt. Sein Kopf fällt unter dem Beil der Guillotine. Stolz und imponierend stirbt der große Revolutionär. Sanson aber, der Henker von Paris, hält für Robespierre schon das rächende Beil bereit!
Kritik (E. J., Film Kurier #019, 01/23/1931):
Soll man nicht preisen: den Griff nach dem wertvollen Stoff (auch wenn er Flucht ins Kostüm bedeutet)? Den Willen zur ernsteren Gestaltung, das gewagtere Experimentieren – – denn darum handelt es sich: jeder neue Tonfilm-Inhalt verlangt ja ein Abtasten der Gestaltungsform, ein Probieren, das Hunderttausende kostet, ist ein Lern-Stück, Versuch – Vorprobe – – die aber zwangsläufig zugleich vollendet und kaum veränderliche Aufführung sein soll?
Man muß es loben!
Soll man nicht Vorhersagen: ein europäisches Interesse für den Film, der sich im Ausmaß, im Aufwand den großen Inszenierungen zugesellt?
Man muß dies konstatieren.
Sagte nicht der herzliche Beifall der Uraufführung (mit vielen Hervorrufen der Mitwirkenden), daß die Uraufführungsgemeinde den Empfang des neuen deutschen Film-Werkes so aufgefaßt wissen will?
Man muß zustimmen!
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– auch wenn man das große, beifallumbrandete, spielenswürdige und sicher auch ertragreiche Werk als ein Monstrum der Mißverständnisse einschätzt. Welche Aufgabe lag da vor!
Tonfilm – das zauberhafte Mittel, Zeiten und Menschen von außen und innen her anschaulich und vernehmbar zu machen, wirkt hier durch den äußeren Aufwand, durch imposant organisierte Hör-Ensembles, durch ein unvergeßliches Schaubild des Revolutions-Konvents der französischen Republik.
Der Schauplatz triumphiert: Ein Revolutions-Tribunal, das lichterloh von der Leinwand brennt und droht. Das bringt den großen Spielanreiz für alle Tonfilm-Theater. Masse Mensch in historischer, ewiger Szene.
Keine Piscator-Bühne, kein Großes Schauspielhaus kann diesen Massen-Eindruck in seiner Totalstärke geben. Die Kamera reißt da Vergangenheit zur Gegenwart. Zweimal diese gipfelnden Augenblicke. zweimal Danton-Zitate Kortners mit Republik-Appell, Vaterlands- und Freiheitsruf, zweimal ein ungeheuer von Volksbeifall getragenes Echo. Eine Geräusch- und Schrei-Eroica, aus der sich die Hymne der Revolution reckt.
Jene Augenblicke überragen den Rest einer vielbildrigen Szenenfolge – wie stark, wie durchschlagend sind sie wenn man sie vor so viel langatmiger, flacher Historisierungs-Dramatik des Heinz Goldberg im Ohr und Gefühl behält.
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Dieser Autor irrt.
Bei Dreyfus: dort kam die Stoff-Neugier, dem Belehrtseinwollen des deutschen Publikums über die Interna des „Falles Dreyfus“, die Szenen-Anreihung im dialogisierten Berichtstil, wie Goldberg sie übte, entgegen. Bei „Danton“ mißlingt es. Wer wünscht da „belehrt“ zu sein?
Entweder einen Danton-Charakter geformt, ein neues Büchnerstück gedichtet – oder ein aktualisiertes Parteienspiel der Revolution konstruiert, glühender Prinzipien-Kampf – – das waren Möglichkeiten. Goldberg findet sich zu keiner von beiden.
Er klebt ganz unsinnig verdrehte historische Einzelheiten zu einem Privatdrama eines Monsieur Danton um, dem ein leicht kindischer Robespièrre mit einer etwas närrischen Hausdame (die Henkerszene!) ein schadenfreudiges Beinchen stellt. Heroisch drapierte Kleinstädter. Nicht ungestraft wird Kotzebue zitiert. Geschichtsauffassung, Gesinnung – wo denn?
Ist es nur auf die paar republikanischen Applausfänger angekommen? Auf eine Spielerei mit Terrorismus und Radikalismus – – die von der französischen Revolution her mit unserer Gegenwart fast nichts verbindet, die in dem undeutlichen, vagen, alles- und nichtssagenden Danton-Ruf nach „Freiheit“ in Pro- und Epilogisches des Films ausklingt. Freiheit – ein schönes Wort. Jede Sinngebung dieser „Freiheit“ wird vermieden, ja, absichtlich dreideutig gehalten.
Doch findet sich im Szenenfluß vieles Gescheite. Nebenbei kleine soziologische Unterstreichungen, die Bürger, die Kleinrentner, die Arbeiter, die Soldaten, die Königstreuen, die Geistlichen, in ihren persönlichen Sorgen, ohne den Atem der Revolution … und gerade da zeigt sich, wo die Grenzen des innerlich mit seinem Stoff zu wenig, zu oberflächlich verbundenen Kompilators liegen: da zeichnet er französische Frontdrückeberger – bei einer roten Armee von Nationalrevolutionären, wie sie die Geschichte erst 130 Jahre später wieder mobilisierte. (Der Dialog-Aufzeichner H. J. Rehfisch machte von dem Recht der historischen Diktion kaum Gebrauch.)
Jede dichterische Umwandlung wäre ja nun erlaubt, wenn sie mit Wirkung eingesetzt wird. Doch wie unfilmisch dramaturgisiert Goldberg. Der lehrreiche Film macht wieder deutlich: wie die absichtslose Szenenfolge, die Anreihung ohne inneren Zusammenhang jeden Ablauf-Rhythmus zerstört.
Es gibt auch in dieser Danton-Geschichts-Bilderfolge schlagende Uebergänge – und nur diese Partien halten Spannung, treiben weiter, kontrastieren wirksam.
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Hans Behrendt bleibt immer nur ein Halb-Könner.
Bei allen ungeahnt großen und von ihm auch bezwungenen Ton-Atelier-Anforderungen; merkwürdig: er flieht in einem Debattier-Stück … die Aussprache. Das mag filmkünstlerisch empfunden sein, aber an der falschen Stelle. Wenn Danton-Kortner Bedeutendes sagt (bei Advokaten und Justizministern der Revolution kommt’s eben schließlich auf die Rede an), zerschneidet er den Redefluß . . . Liebesszenen läßt er dagegen lang, lang im Bild stehen.
Behrendt muß zur richtigen Erkenntnis und Wahl der Inszenierungsmittel kommen. Sein Organisationstalent in Ehren – seine vielseitige Hingabe an die Szenenfüllung… (er ist der Antipode von Richard Oswald in dieser Beziehung) . . . dafür geht ihm für das Entscheidende, das Ausschlaggebende der gesegnete Blick ab.
Er macht sichs durch Fehlbesetzungen doppelt schwer.
Ueberhört er, übersieht er, wie Gründgens mit seiner benedixschen Possen-Blasiertheit, der überschätzeste Schauspieler Berlins, unheilvoll fast in jedem Tonfilm, völlig neben seinem Robespièrre steht? Dem Danton mit „Ei–Ei–du–Loser“ drohend, die Brille von der Nase reißend, den Blick kullernd als parodierte er sich selbst.
– – und sowas in die Nähe eines unpopulären besonderen Darstellers wie Kortner!
Der dem Danton Klangwucht und die Kraft für die geprägten Sentenzen leiht, einem Charakter-Kopf dazu (mit H. Farkas arbeitstreuer, reizesammelnder Kamera – festgehalten. Eine recht interessante Kortner-Studie, die Ansätze macht und ebenso oft aussetzt – wie der bedauernswerte dramatische Fluß. Nie ein Danton-Abbild. Dieser Danton singt, ein revolutionärer Vorbeter. Man kann ihn nicht lieben. Trotz seines Lachens.
Lucie Mannheim stellt – die verbogene Luisen-Gestalt dar . . . wenigstens sprachlich jetzt klar. Sie hat noch immer kein Distanz-Gefühl vor dem Mikrophon.
Gute Sprecher: Alexander Granach, Stahl-Nachbaur, G. H. Schnell, Ferdinand Hart, sympathisch anzuschauen: Gustav von Wangenheim.
Speelmans, unfreiwilliges George-Doubler findet sich noch nicht ganz zurecht, Till Klockow hausbacken wie sie sein soll, Carl Goetz, Georg John, Hugo Fischer-Köppe treffende Typen in dem riesigen Ensemble.
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Riesiges Ensemble. Der Gesamt-Eindruck schaffts. Die angedeuteten Gipfelszenen. Zumal gerade da der Ton (Birkhofer und Metain) günstig wirkt. Tonmontage: G. Pollatschek (für die harten Uebergänge ist er nicht verantwortlich).
Musik: Arthur Guttmann, mit Recht zurückgehalten, um eine D’Albert-Oper, die nahe lag, zu vermeiden. Anständige Gebrauchsmusik stellt er bei Bauten (J. von Borsody) und Ausstattung (Theaterkunst Haufmann) bestimmen das Niveau des Films entscheidend, rangieren ihn unter die kostspielige Einzel-Klasse von besonderer Eigenart.
Der Theaterbesitzer werte den Film als Ganzes – willkommene, festliche Wegführung des Repertoires vom Nur-Hallo-Gelächter der Lustspielserien. So wirkt er Gutes.