Originaltitel: Elisabeth von Österreich. Biographisches Drama 1931; 84 min.; Regie: Adolf Trotz; Darsteller: Lil Dagover, Paul Otto, Maria Matray, Charlotte Ander, Ekkehard Arendt, Ludwig Stössel, Michael von Newlinsky, Ida Perry, Gert Pilary, Ida Wüst; Gottschalk-Tobis-Klangfilm.
Elisabeth heiratet Franz Josef, den sie liebt, kann sich aber nicht in ihre Würde als Kaiserin und das strenge Hofzeremoniell finden. Unstimmigkeiten; nach der Geburt des Kronprinzen jahrlange Auslandsreisen der Kaiserin. Später möchte sie Rudolf vor einer politischen Heirat bewahren. Vergeblich; einige Jahre später: Mayerling. Schließlich stirbt Elisabeth von der Hand eines Anarchisten in Genf.
Zusammenfassung
Elisabeth, die junge bayerische Prinzessin, die in der Heimat in völliger Freiheit und Ungebundenheit aufgewachsen ist, ist die Gattin Franz Josefs und Kaiserin von Oesterreich geworden. Aber bald muß sie erkennen, daß ihr junges Eheglück durch das steife, strenge spanische Zeremoniell des Wiener Hofes aufs höchste bedroht ist. Die Mißstimmungen häufen sich, die Gegensätze spitzen sich immer mehr zu! Die Kaiserin empfängt gegen jedes Herkommen eine Schulreiterin in ihren Privatgemächern! Sie verläßt, während die Erzherzoginnen zur Audienz befohlen sind, eigenmächtig mit ihrer Friseuse und „Freundin“ das Schloß! Sie unterbricht ein Spießrutenlaufen! In den Augen des Hofes alles schwere Verstöße gegen die Sitte. Der junge, ungebundene Mensch in der Kaiserin wird durch die ewigen Vorwürfe und Vorhaltungen immer gereizter und stellt sich immer entschiedener gegen ihre Umgebung und damit auch gegen den Kaiser ein. Sie muß voll Schmerz erkennen, daß ihre viel-beneidete Stellung als Kaiserin von Oesterreich doch weitdomenvoller ist, als sie damals in ihrem Glücksrausch geahnt hat, als Franz Josef um sie warb. – Da schein es, als sollten noch einmal die Schatten weichen, die sich auf ihren Lebensweg herabgesenkt haben. Ganz Wien, ganz Oesterreich, die ganze Welt wartet auf das bevorstehende Ereignis: Die Geburt eines Thronfolgers! Gleich werden die Kanonendröhnen, da – der erste Schuß, der zweite, der dritte! In ungeheurer Aufregung zähle die Bevölkerung Wiens mit, und als dann der 22. Schuß fällt, da weiß man auch, daß die Kanonen jetzt bis zum 101. Schuß fortdonnern werden. Ein Thronfolger ist geboren! Überglücklich ist der Kaiser, überglücklich die ganze österreichische Monarchie. Auch Elisabeth glaubt und hofft, daß sich jetzt alles zum Guten wenden werde. Aber auch hierin wird sie von dem Hofzeremoniell betrogen. Die Etikette gebietet, daß ihr das Kind unmittelbar nach der Geburt genommen und von Fremden erzogen werde. Man raubt ihr das Kind! Da bricht das Weib und die Mutter in ihr zusammen! Sie fleht den Kaiser an, stärker zu sein als das Zeremoniell, sich über dieses starre, grausame Festhalten an veralteten Traditionen zu erheben; doch der Kaiser weist sie ab. Und damit scheint auch der letzte Weg verbaut zwischen zwei Menschen. Durch diesen neuen Angriff auf ihre Rechte als Mutter ist Elisabeths Gesundheit zerrüttet. Sie folgt dem Rat der Arzte, fern vom Wiener Hofe Genesung zu suchen, nur zu gern. Sie geht in ihre Heimat nach Bayern zurück. Und hier begegnet sie ihrem Vetter, dem jungen König Ludwig von Bayern. – Sie haben sich schon als Kinder gekannt, sie haben zusammen am Starnberger See gespielt. Jetzt, nach langen Jahren, nachdem sie Kaiserin und er König geworden ist, sehen sie sich wieder. Sie, die schönste Frau Oesterreichs, er, der romantischste und schönste Mann seiner Heimat. Und diese beiden herrlichen, schönheitstrunkenen, durchgeistigten Menschen finden den Weg zueinander. Ludwig wird Elisabeths, und Elisabeth Ludwigs große Liebe. Nach einer Aufführung des „Tristan“ kommt es zu einer großen Szene zwischen den beiden Liebenden, in der Ludwig ungestüm sie bittet, alles aufzugeben, mit ihm zu fliehen, und mit ihm als Mensch mit den Menschen zu leben. Doch Elisabeth muß seine Werbung ablehnen. Das Pflichtgefühl in ihr muß stärker sein als ihre Liebe. Sie hat dem Kaiser von Oesterreich einen Sohn geboren! – Aber auch mit dem Verlust Ihrer Stellung bei Hof, mit dem Raube ihres Kindes, mit dem Verzicht auf die Liebe ihres Lebens ist der Leidensweg dieser Frau, die nach außen hin als eine der glücklichsten ihrer Zeit erscheint, nicht beendet. Die größte Tragödie ihres Lebens, das Drama von Mayerling, dämmert herauf. Ihr Sohn Rudolph, der inzwischen herangewachsen ist, wird von Kaiser gezwungen, die ungeliebte Prinzessin von Belgien, Stefanie, zu heiraten. Die bösen Ahnungen, mit denen Elisabeth diese Ehe ihres Sohnes hat Zustandekommen sehen, erfüllen sich in der grauenvollsten Weise. Rudolph sucht die Liebe außerhalb des Schlosses, findet sie bei der schönen Baroneß Vetsera, und als er vom Kaiser gezwungen werden soll, die Geliebte aufzugeben, gibt er das von ihm geforderte Ehrenwort, um mit der Geliebten gemeinsam zu sterben. Und mitten in dieser Tragödie, die im Jahre 1889 Europa erschüttert hat, steht die Kaiserin und Mutter. Sie ist es, an die man sich wendet, als keiner es wagt, dem Kaiser das Grauenvolle mitzuteilen. Sie ist es, die trotz ihres eigenen grenzenlosen Schmerzes die Haltung bewahren und den Kaiser stützen muß. Nach diesem letzten Schlage ist Elisabeth eine gebrochene Frau. Heimatlos wandert sie lange Jahre durch die Welt, bis sich ihr Schicksal erfüllt Diese Frau, die nie politisch hervorgetreten ist, die nie einem Menschen etwas Böses getan hat, wird schließlich das Ziel eines ruchlosen Anschlags. Elisabeth wird von Luccheni als Opfer seines irren Kampfes gegen die menschliche Gesellschaft erkoren, und als sie ahnungslos in Genf über den Quai de Montblanc geht, um einen Dampfer zu besteigen, trifft sie das Stilett des Meuchelmörders. – Wenn etwas an dem Dasein dieser unglücklichen Frau versöhnlich ist, so ist es trotzdem dieser Tod, der ihr das schwere Leben ohne große Schmerzen und ohne großes Leid genommen hat.
Kritik (G. H., Film Kurier #169, 07/22/1931):
Der Stoff dieses Films ist einer der stärksten, den man sich für einen Film überhaupt vorstellen kann. Die Wucht hochdramatischer Vorgänge wird dadurch unterstrichen, daß sie nicht frei erfunden sind, sondern Geschichte darstellen, jüngste Geschichte sogar. In dem Stoff gibt es zwei Episoden, die allein schon Unterlagen für je einen Film gegeben haben: Die Tragödie des Bayernkönigs Ludwig und das Drama von Mayerling.
Die Filmeignung des ganzen Handlungskomplexes. ist wiederholt bewiesen worden. Auch dieser neue Film wird nicht der letzte sein.
Die Autoren, G. C. Klaren, Adolf Lantz und Alfred Schirokauer haben den Riesenstoff in den engen Rahmen eines Tonfilms gezwungen. Ohne Verzicht auf reizvolle, charakterisierende Details, aber auch ohne Verzetteln in Nebensächlichkeiten. Das Manuskript ist ein gutes Beispiel für glücklich abgewogene Stoff-Disposition.
Ueber etwas muß aber gesprochen werden, weil dasselbe Problem bei anderen historischen Filmen auch auftreten wird. Die Autoren dieses Films verlassen sich zu sehr auf das Bekanntsein der Ereignisse. Es gibt aber unter den Kinobesuchern viele, besonders jüngere, denen man doch noch einiges erklären müßte. Gemeint ist etwa das völlige Fehlen von Jahreszahlen. Beim Stummfilm konnte man in den Titeln so einiges nebenher sagen. Beim Tonfilm muß man andere Wege suchen, wenn es sie nicht gibt, sind ein paar in den Film hineingeschnittene Titel immer noch besser als gar keine zeitlichen Anhaltspunkte.
Adolf Trotz’ Regie legt sichtbar Wert auf Vermenschlichung der Vorgänge. Kein Ueberwuchern des höfischen Zeremoniells. Die Kaiserin-Mutter der Ida Perry sieht aus wie ein gutbürgerlicher Eheschreck. Ueberhaupt stehen die Personen, bis hinauf zum Kaiser Franz Joseph, dem Zuschauer erheblich näher als in den vorhergegangenen Stummfilmen.
Den Klagen des Publikums und der Kritik, daß der Tonfilm zu sehr an die vier Atelier-Wände klebte, ist Adolf Trotz geschickt begegnet. Es gibt viele schöne Außenaufnahmen, aus Bayerns Bergen, vom Genfer See, aus Wien.
Daß Trotz sich auf das Dirigieren von Massen versteht, zeigt die überzeugend wirkende Begeisterung der Wiener bei der Geburt des Kronprinzen.
Einiges sollte man kürzen, so den Ritt von Mayerling oder den Kurzschnitt der Embleme. Die Todesszene der Kaiserin läßt die sonst überall geübte Zurückhaltung der Regie vermissen.
★
Der Film hat zuweilen imponierende Ausmaße, ohne die in diesem Fall störende Absicht, prunken zu wollen.
Die neue Marke der Gottschalk-Produktion führt sich gut ein, die Theaterbesitzer werden allen Grund haben, zufrieden zu sein. Wer mit diesem Film kein Geschäft macht, soll sich weder beim Produzenten, noch beim Verleiher beklagen.
Den vollen Kontakt zum Publikum finden die Handlungsvorgänge durch die Besetzung der Titelrolle mit Lil Dagover, die wie kaum eine zweite deutsche Darstellerin alle Voraussetzungen für die Verkörperung dieser Frauen-Tragödie erfüllt. Der natürliche Adel ihrer Erscheinung, verbunden mit schauspielerischem Können und sicherem Wirkungsgefühl, läßt das Publikum an jeder Phase ihres Leidens teilnehmen. Frederik Fuglsangs Star-Photographie ist ein technisches Meisterwerk. Das Publikum äußerte nur eine Ansicht: Wie die Dagover wieder aussieht . . .
Man glaubt – durch die Vermittlung der Schauspielerin Lil Dagover – der schönen bayerischen Prinzessin, daß sie sich gegen das Wiener Zeremoniell auflehnte, daß sie um die Erziehung ihres Kindes kämpfte, daß sie ihrem Sohn eine unglückliche Ehe ersparen wollte.
Paul Otto spielt den Franz Joseph, mit Haltung, mit dem Glauben an die eigene Unfehlbarkeit, mit dem Zorn über jede Unbotmäßigkeit. Paul Otto ist es als Leistung zu werten, daß er den Habsburg-Kaiser weder zu einem finsteren Despoten stempelte, noch nach Art unrühmlicher Vorbilder versüßlichte.