Originaltitel: Stürme über dem Montblanc. Hochgebirgsdrama 1931; 103 min.; Regie: Arnold Fanck; Darsteller: Leni Riefenstahl, Sepp Rist, Ernst Udet, Mathias Wieman, Friedrich Kayßler; Aafa-Tobis-Klangfilm.
Der Wetterwart des Montblanc-Observatoriums hofft nach seiner Ablösung eine Professorstochter, deren Vater auf dem Berge verunglückte, heimführen können, glaubt später aber, daß sie seinen Freund, einen armen Musiker, liebe. Nach Verlust seiner Handschuhe sucht er mit erfrorenen Händen ins Tal zu gelangen, kehr aber wieder in das inzwischen vereiste Blockhaus zurück. Von einem Flieger und einer Rettungsexpedition wird er vor dem Äußersten bewahrt. Das Mädchen will nun bei ihm bleiben.
Zusammenfassung
Gipfel über den Wolken – der Montblanc. Hier haust im Observatorium der Wetterwart. Sturm und Kälte trotzend. In grenzenloser Einsamkeit. Ein tollkühner Flieger durchstößt die Wolken, bringt aus dem Tiefland Menschen. Ein Mädchen auch, das dem Einsamen Schicksal wird. Hella … der Tod raubt ihr den Vater, der vom Felsgrat abstürzt. Ein Mann, stark und gütig, spricht ihr Trost zu. Das ist der Abschied vom Montblanc und seinem Hüter.
Etwas wie Glück fühlt der Wetterwart, wenn er jetzt durch das Teleskop den Himmel betrachtet. So sieht ihn auch Hella im Riesenfernrohr einer norddeutschen Sternwarte. Sterne bilden die Brücke zwischen zwei Menschen. Frühling. Narzissenfelder wogen in Chamonix, Ablösung ist auf dem Montblanc angekommen und mit ihr ein Brief … Der Wetterwart will bleiben. Und Hella wartet vergeblich – Stürme über dem Montblanc! Rasend dreht sich der Windmesser, zu dessen Fuß sich der Wetterwart durchkämpft. Schnell zieht er die Handschuhe aus, um Aufzeichnungen zu machen, da – ein Augenblick der Unachtsamkeit – die Handschuhe fegt der Wind in die Tiefe. Noch kann sich der Mann zur Hütte schleppen; doch die Erstarrung der Hände zu lösen, ist nicht mehr möglich. Streichhölzer entgleiten ihnen – das letzte Feuer verlischt. Schreckliche Nacht – fortdauernd durchzucken Hilferufe den Telegraphen.
Das Leben zu retten, bleibt noch der Abstieg. Aber Spalten klaffen unüberwindbar. Unter den Trümmern der vom Sturm verwüsteten Hütte kauert leblos ein Mensch. Grausamer Hohn, wie es aus dem Radio durcheinanderschwirrt von Großstadttrubel, Frühlingsfesten, Jazzbandmusik.
Die Rettungsexpedition – vor riesigen Spalten muß sie haltmachen … Da steigt ein Flieger auf – rast mit seinem silbernen Vogel empor zu den Höhentälern … Wie ein Ball wird das Flugzeug von wilden Böen auf und nieder geworfen, durch die von tausend Blitzen erleuchtete Hölle eines Höhengewitters geht es – endlich senkt sich die Maschine auf ein Schneefeld unterhalb des Montblanc-Gipfels. Noch kann der Wetterwart aus tödlicher Erstarrung geweckt werden. Feuer prasselt im Herd. Und ein Mädchenlachen klingt hell vor der Tür. Und zwei Menschen verstummen unter dem übermächtigen Eindruck des Wiederfindens.
Kritik (Hans Feld, Film Kurier #028, 02/03/1931):
Arnold Fancks „Piz Palü“ war des vergangenen Produktionsjahres erfolgreichster Film. In diesem Bericht von der weißen Hölle summierte einer, der den Bergen fürs Leben verbunden bleibt, zwei Dezennien an Erlebnissen, ein Jahrzehnt an Filmerfahrungen.
Noch einmal sind die Fanck-Leute zur Arbeit aufgestiegen. Stürme über dem Montblanc – dies, Bilder von nicht zu überbietender, nie gesehener Schönheit, erreicht eine ragende Höhe. Ein Gipfelpunkt ist erklommen.
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Fände variiert den deutschen Natur-Mythos. Er formt das Hochgebirge zu Film-Bildern. Der Berg als Hintergrund, Berg-Freuden, der entfesselte Berg. . ., das waren die selbstgestellten, in sich vollendeten Themen. Diesmal wird der Tal-Blick, die Hoch-Perspektive zum Anlaß. Menschen und Handlung bleiben flächenhaft; es sind Brücken nicht tragfähiger als Notstege im Gebirge.
Darauf kommt es auch gar nicht an. Denn erfaßt ist die Eiswelt im fünften Metertausend über der Erde. Bildhaft erfaßt und, wo es not tut, für die Kamera hergerichtet.
Das ist es, was die Fanck-Filme von Expeditionen und Bild-Erzählungen aus der Wirklichkeit trennt: Der Wille zur Gestaltung, die Kraft, dem Rohstoff ein eigenes Gesicht zu geben.
Das Spiel-Element ruht in der Montierung der Außenwelt selbst. Zum Berg-Regisseur tritt der Bergarchitekt; Atelier-Technik und Autorentum werden übernommen. Regeln des Kunstgebiets, erstmalig angewandt für den Star „Natur“.
(Aus der Verkennung so bewußter Zweck-Arbeit resultiert ein Teil der immer wieder gegen diesen Kreis vorgebrachten Argumente. Als ob es nicht viele der Wege gäbe, Filmwerke zu schaffen.
Wichtig bleibt allein die Leistung. Und die kann Fanck für sich in Anspruch nehmen.)
Nie zuvor offenbarte eine fremde Welt ihr Antlitz so fascinierend. Das Leben des Riesenbergs, subjektiv gebildert durch den Berichterstatter, wird von den Millionen der Kinobesucher mitempfunden.
Neuland der Kinematographie –, Auflockerung des Stoffgebiets? Hier ist es.
Unbeeinflußt durch die seitherige Entwicklung des Films bleibt als Gewinn das Plus der Außenaufnahmen dem Lichtspiel erhalten. Der optische Eindruck reißt hin wie nur je. (Ein glücklicher Sonderfall: Stilisierung der Vorgänge . . ., das gerade macht die Unabhängigkeit von der Tonkulisse aus. Obschon eine stärkere Durchdringung von dieser Seite her Eigengestaltung ermöglichen würde.)
Geblieben ist der Anreiz für die Vielen, die dem Film an sich heute noch nicht gewonnen sind. Fanck-Filme richten sich an alle. Sie vermitteln visuelle Erlebnisse, sie schenken Bildschönheit. Ihre Wirkungen bleiben unberührt von den Auseinandersetzungen des Tages. Sie sind nicht unpolitisch, sondern – auf einer anderen Ebene, apolitisch.
Fanck-Filme, für die Mühseligen und Beladenen dieser Zeit. Für die Veteranen des Kampfes, für die Kämpfer, die eine Entspannung benötigen. Fanck-Filme für alle.
Jede Berührungsmöglichkeit mit anderen Gattungen der Kunst bleibt ausgeschlossen. Theater und Sprechfilm entwickeln sich in anderer Richtung. Indes die Projektion des Raum Wände weitet. Und die Unendlichkeit der Bergwelt wird miteinbezogen: Im Dickicht der Städte eine Lichtung.
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Ein neuer Weg kündigt sich an: der einer Auflösung der Handlung in Bildvorgänge. Assoziative Auseinanderreihung tritt an die Stelle logischer Verknüpfung. Aus den Impressionen erwächst somit expressive Ausdeutung.
Teil-Drama steht neben Teil-Drama. Talfahrt des Wetterwarte ohne Ski-Stöcke; mit Lawinenbraus. Gletschergefahr. Verzweifeltes Ringen eines Menschen, dem die Hände abfroren, um Feuer in der Schutzhütte. Letzte Versuche, eine vom Sturm abgebrochene Tür durch Tische zu ersetzen, die Körper und Füße gegen die Oeffnung stemmen. Alpentragödien für sich.
Als Episode ein Blick ins Planetarium, auf den Sternenhimmel. Bild-Dichtung von der Liebe zweier Menschenkinder, deren Blicke, vom Einstein-Turm und dem Montblanc-Observatorium her, in der Unendlichkeit sich treffen. Film-Poesie.
Weiter: Blick über die Wolken, in unsagbarer Schönheit. Hinabtasten in eine Gletscherspalte. Gewitter überm Gipfel, ein Furioso der Blitzgrellheit.
Das Flugzeug, noch im letzten Film als göttliche Maschine der Retter in Bergnot, hat trotz ähnlicher Verwendung mehr artistische Bedeutung. Zwischen den Graten und Felsspitzen im Schein der Silberschwingen ein außerordentlicher Bildreiz.
Einmal allerdings ist das Auftreten des Fliegers in der Schneelandschaft von tieferer Bedeutung: Wenn das Double-Wild einer Ski-Parforce-Jagd der Hetz durch die Flucht in die Luft entgeht. Schwerlosigkeit gegen Materie . . . um des Gedankens willen.
Diese Parforce-Jagd auf Skiern, in letzter Vervollkommnung des Aufnahmetechnischen. Zugleich eine in sich geschlossene Episode des Berg-Humors.
Das alles ist weit mehr als äußerliche Beherrschung des Apparates; mehr als etwa Blick für Motive, Schnittgewandtheit, Einstellungs-Kunst: Es ist ein souveränes Anpacken des Stoffs. Eine Mühelosigkeit in der Herausarbeitung des Wesentlichen –, der sehr viel Mühe vorausgegangen ist.
Dem aktiven Eingreifen der Berge, der Belebung der Natur in überragenden Dimensionen, entspricht ein zeitgelöstes Geschlecht von Einzelgängern, Nur-Bergmenschen. Fanck, Individualist und Romantiker, deutets an. Er ist ein stärkerer Former der Dinge als Menschengestalter und -Leiter.
Das Maß des von ihm Geleisteten bleibt dadurch nicht unberührt; doch unbeeinträchtigt.
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Ein Wunderwerk: Die Arbeit der Kameraleute Hans Schneeberger, Richard Angst, Sepp Allgeier. Jenseits aller Anerkennung und Begeisterung.
Die schöpferische Tat, von solcher Untadligkeit bis ins Letzte, hat ihren Maßstab in sich selbst; und keinen Vergleich. Licht-Bildverteilung, Differenz der Perspektive, Durchatmung jedes Weg-Stücks, Profilierung des Detail-Motivs –; es ist eine Eigen-Leistung, die in der Gesamtwirkung von der des Regisseurs nicht zu trennen ist.
Das schwierige Amt der Angleichung von Bau und Wirklichkeit hat der Architekt Leopold Blonder mit vorbildlichem Takt und Geschick versehen. Das Unsichtbare seines Wirkens bleibt der Haupt-Trumpf. (Ein Negativum. . . als positives Verdienst.)
Die Darsteller: In den Atelier-Szenen Friedrich Kayßler, Mathias Wiemann, Alfred Beierle. Phonetischer Beirat: H. Kuchen-buch, nicht empfehlenswert. Tonmeister: Specht, Grimm, Lange.
Menschen in der Landschaft: Leni Riefenstahl, Sepp Riß, Ernst Udet. Prachtvoll in der Ungezwungenheit des Sichgebens.
Die Musik, dem Bildgeschehen geistig nicht adaequat, stammt von Paul Dessau; mehr „Tiefland“ als Hochland.
Produktionsleitung: H. R. Sokal.
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Schon sind die Türen der Lichtspieltheater im Reiche weit geöffnet, um den Strom der Besucher aufzunehmen: Die Gipfelleistung des deutschen Films hat, bisher immer noch, auch Geschäfts-Rekorde erreicht.
Die Sonderklasse der Aafa bestätigt eine alte Erfahrung neu: Der Kampf um die bessere Filmlage ist von dem um den besseren Film nicht zu trennen.