Originaltitel: Das Ekel. (Der Tyrann.) Schwank 1931; 76 min.; Regie: Eugen Schüfftan, Franz Wenzler; Darsteller: Max Adalbert, Evelyn Holt, Emilia Unda, Heinz Könecke, Viktor Franz, Rosa Valetti, Julius E. Herrmann, Alfred Abel, Paul Henckels; Ufa-Klangfilm.
Ein Markthallenaufseher versieht seinen Dienst ebenso zum Leidweisen aller Beteiligten wie er seine Familie tyrannisiert. Erst als er im Verlaufe eines Streites mit dem Verehrer seiner Tochter eine Beamtenbeleidigung begeht und einige Tage brummen muß, wird er wieder genießbar.
Zusammenfassung
Adalbert Bulcke, der Markthallenaufseher, ist ein richtiges Ekel, kleinlich, tyrannisch, feierlich, eingebildet, beschränkt, kurzum: ein greußlicher Kerl, dazu geschaffen, seiner Familie und allen, die mit ihm zu tun haben, die Laune zu verderben. Dabei weiß er gar nicht, wie greußlich er ist und hält sich – nicht einmal ganz mit Unrecht – für gutmütig.
In der Markthalle herrscht ein strenges Regiment, die streitbaren Marktfrauen ducken sich unter Bulckes Strenge und meckern nur, wenn es eben nicht anders geht; wenn zum Beispiel Frau Kochanke, der Fischfrau, plötzlich die Leitung platzt und die starke, kräftige Frau das Wasser absolut nicht mehr halten kann. Adalbert tobt, Kochanke schreit, das Wasser spritzt und durchnäßt die reizende Katharina, Bulckes Töchterlein, so gründlich, daß der Sportlehrer Quitt seine helle Freude an dem geschmeidigen Mädchenkörper hat, den das angeklatschte Kleid verräterisch den Blicken preisgibt. Quitt borgt den feuchten Katharina seinen Trainingsanzug, in dem das Mädel auch wieder reizend aussieht – findet Quitt! – Aber die Freude an Käthchens Schönheit bringt den energischen Quitt nicht von seinem Auftrag ab. Er will wissen, wem das Gelände gehört, auf dem die Kegelbahn steht, in der Bulckes Verein immer kegelt. Bulcke, trotz seines angeborenen Mißtrauens verplappert sich und nennt den Besitzer, den Quitt sofort auf dem Bau aufsucht. Schnell wird man handelseinig, und Quitt hat das Gelände für seinen großen projektierten Sportplatz erworben. Bulcke ahnt nicht, was ihm bevorsteht und feiert zu Hause seinen Geburtstag, indem er die ganze Familie, Frau, Sohn und Tochter, zum Heulen bringt. Dann begibt er sich feierlich und innerlich gehoben zu der Stätte seiner Triumphe und Ehren, zur Kegelbahn. Die Kegelbrüder empfangen ihr, herzlich und lärmend, wie sich das gehört. Schon liegt die geliebte Kugel, festlich versilbert, in seiner sieggewohnten Hand – da, was ist das? Männer mit seltsamen Meßinstrumenten sind auf dem Grundstück erschienen, visieren und vermessen, Quitt ist dabei. Wütend stellt Bulcke die Eindringlinge zur Rede. Was? Ein Sportplatz mit halbnackten Individuen auf dem heiligen Boden des Kegelklubs? Niemals! Ein Wort gibt das andere! Beleidigungen fliegen durch die Luft, ein Tritt schleudert das Meßinstrument zu Boden, ein Schutzmann erscheint, versucht zu vermitteln. Vergeblich! Bulcke ist in Fahrt. Quitt kann ihn . . . . ., der Schutzmann kann ihn . . . . . ., der Staatsanwalt kann ihn, sogar kreuzweis . . . . ., Protokoll! Protokoll! Wütend trennen sich die Kampfhähne.
Auf Quitts Lastauto aber sitzt die blonde Käthe, denn sie muß doch wissen wohin sie den Trainingsanzug zurückschicken soll. Quitt faßt einen überraschenden Entschluß – um Käthe den Weg zu sparen. Als Bulcke wütend zu Hause ankommt, erfährt er, daß das leere Zimmer in seiner Wohnung vermietet wurde, der Mieter ist – der verhaßte Quitt! Aber es kommt noch viel dicker! Bulcke wird vors Gericht geladen, wehrt sich verzweifelt. Seine Würde fängt bedenklich an zu bröckeln, aber es hilft nichts, er wird verknackt!
Der große Bulcke brummt (was er eigentlich sein ganzes Leben getan hat), und ihm gegenüber brummt seine Feindin, die streitbare Kochanke.
Da beginnt die Rinde um Bulckes Herz allmählich zu schmelzen, und er erkennt beim Klimmziehen an dem hohen Gefängnisfenster den Wert der Gymnastik. In der Kniebeuge beugt sich auch sein Stolz, und als die Kegelbruder sich kaltschnäuzig von von ihm wenden, geht er kurz entschlossen mit fliegenden Fahnen zu den Leichtathleten über.
Der große 300 m-Streckenlauf im neuen Stadion kommt Bulcke ist unter den Kämpfern. Höhnisch sehen die verräterischen Kegelbrüder von der Tribüne aus zu.
Unter atemloser Spannung starten die Läufer, Bulcke liegt ziemlich weit hinten, – aber – er holt auf – noch mehr! Er erreicht den Führenden, er passiert ihn und zerreißt als Erster das Zielband.
Großmütig gibt der Sieger dem glücklichen Quitt seine Käthe, und stolz blickt er sich im Kreise um – er hat’s geschafft) So ein Ekel! – denken die Kegelbrüder, so ein Ekel!
Kritik (-ner., Film Kurier #130, 06/06/1931):
Max Adalbert ist auf der Bühne ein viel-bejubeltes „Ekel“ gewesen, Jetzt singt er auch im Tonfilm und nicht nur im Langstreckenlauf der Senioren. Es wird ein Langstreckenlauf seiner Tonfilmkarriere werden.
Adalbert gerät in Front, ohne persönliche Eitelkeit, ohne ein sich An-die-Rampe-Drängen. Sein Ekel ist, unkarikiert gesehen, ein armer kleiner Mansch, engbrüstiger Haustyrann mit dem Halbtragischen des Raunzertums. Niemals bricht er um eine Nuance zuviel, nie ist bei seiner Mimik Billigkeit. Und das gibt seiner Rolle den Ausschlag.
Um ihn herum ist der volkstümliche Schwank Emmerich Preßburgers aufgezogen. Es ersteht, von Franz Wenzler und Eugen Schüfftan geleitet, eine brave Kleinbürgerwelt mit Pfüschmöbeln und staubigen Makartpalmen.
Keine bitterböse Satire gegen das Spießertum, wie die „Hose“ es war; mehr ein behaglich breites Ausmalen von des Nachbars guter Stube.
So kommt ein Film zustande, der auch von jenen begriffen wird, die noch gar nicht so weit weg sind von den Herrlichkeiten Nippes – und Plüschwelt. Das Publikum lacht nicht schadenfroh, sondern vergnüglich, applaudiert immer wieder.
Die Dialogführung trügt mit dazu bei. Ein paar echt Berliner Redensarten werden geschwungen, Schnoddrigkeit mischt sich in die Gemütlichkeit.
Eugen Schüfftan, der Techniker, der hier zum erstenmal Regie führt, und Franz Wenzler, der Wiener Theatermann, verstehen sich auf Publikumswirkung.
Der Film hat es zudem wieder einmal besser als die Bühne, kann seine Welt ausweiten. Und da gibt es also Adalbert sein Milieu, die Markthalle, wo der Herr Inspektor thront, Marktweiber, Gekreisch, Herumgerenne, dummglotzende Fische in Stapeln, Gemüseberge – so eine Bauch-von-Paris-Angelegenheit aufs Deutsche übertragen; von Eugen Schüfftan und Bernhard Wentzel ausgezeichnet photographiert, von Tjaden mit einem Herbert-Lichtenstein-Schlager tonaufgenommen und von Sohnle und Erdmann milieuecht gestaltet.
Und daneben die Freiluft-Welt. Gleich ein ganzes Stadion mit Sportlern, entgegengestellt der mehr alten als guten Kegelklub-Idylle von Anno Toback und der Vereinsmeierei mit Angströhre.
Denn eine Moral hat natürlich dieser Film, der predigt, daß man das Kegeln sein lassen soll und lieber in frischer Luft sich stählen soll. Die Sportklubs werden ihre Freude haben und die Kegelbrüder von alle Neune werden etwas zum Nachdenken finden.
Neben Adalbert die anderen: das Liebespaar, die anmutige Evelyn Holt und Heinz Könnecke, frischer und unbefangener als in dem Rote-Katze-Film.
Drastisch, in ihrer breiten Zerflossenheit eine Type, Rosa Valetti. Auf ein paar Augenblicke Henckels und voll Vornehmheit ebenfalls in einer Minutenrolle Alfred Abel, der zeigt, was aus einer winzigen Chargenrolle zu machen ist. Aber man wünscht ihn länger zu sehen und öfter.
Viel Beifall am Schluß. Das Publikum geht in guter Stimmung nach Hause. Und das Kino ist reicher um einen Schwankfilm, der über die filmarme Sommerzeit helfen wird, breite Massen ins Theater zu ziehen.