Night Convoy

Originaltitel: Nachtkolonne. (Ein Kind entführt.) Kriminaldrama 1932; 97 min.; Regie: James Bauer; Darsteller: Oskar Homolka, Vladimir Gajdarov, Olga Chekhova, Wolfgang Lohmeyer, Trude Berliner, Hermann Speelmans, Julius Falkenstein, Käthe Haack, Hanna Maron; Ines-Tobis-Klangfilm.

Ein Hoteldieb entführt den Jungen eines Violinvirtuosen. Ist wohl oder übel gezwungen, ihn zu betreuen. Er faßt im Umgang mit dem Kinde den Entschluß, seine kurze Strafe zu verbüßen und ein anständiges Leben zu beginnen.

Zusammenfassung
Carno, ein Bandenführer, ist bei einem Überfall auf ein Hamburger Hotel gezwungen, einen kleinen Jungen zu rauben, um nicht verraten zu werden. Dieser Junge, ein kleiner Geigenkünstler, übt auf den rohen Mann einen ganz merkwürdigen Einfluß aus. Der Junge findet den Weg zum Herzen Carnos, so daß Carno bald den Entschluß faßt, ein anständiger Mensch zu werden. Er läßt sich gerne ins Gefängnis abführen, denn er weiß, nach Verbüßung seiner Strafe, beginnt für ihn ein neues Leben.

Kritik (-ger., Film Kurier #019, 01/22/1932):
Ein Wunderkind soll Wunder tun – aus einem Verbrecher die Seele hervorholen. Für eine Komödie sicher ein Stoff, für einen Familienblattroman, wie ihn angeblich noch immer ein primitives Publikum sehen will, eine Möglichkeit.
Der Autor Armin Petersen zielt nur nach Rührung, schreibt für Primitive. Auf Inhalts-Motivierung, auf dramaturgische Zurichtung kommt es ihm nicht an.
Man hat an einem dankbaren Stoff vorbeigearbeitet.

Die Ausweitung einer Komöde lag nahe – zu zeigen, wie das Gutherzige eines Verbrechertyps plötzlich durchbricht, weil er gezwungen ist, ein geraubtes Kind in seinem Versteck zu halten und zu pflegen. Zwischen den Hunden, die er großzieht – und hypnotisiert durch den Jungen, dessen Krankheit er heilen muß, dessen Kinderspäße ihn – auch wider Willen – beglücken. Keine Wundergeige, kein Musik-Komplex des Verbrechers wäre notwendig gewesen, hier eine wundersame Geschichte zu verfassen – (ohne Angst, man kopiere Chaplin-Coogan).
Die Schauspieler waren ja da: Oskar Homolka und der junge Wolfgang Lohmeyer. Sie werden nicht ausgenutzt.
Unklar und mit vielen Sprüngen wird die Unterwelts-Geschichte demonstriert, bei der Trude Berliner ihren üblichen Klein-Vamp lachen und singen muß, Hermann Speelmans als passiver Diebeskompagnon auf der Szene steht. Sie wissen kaum, was sie reden sollen.
Dazu eine Virtuosengeschichte, bei der sich Wladimir Gaidarow und Olga Tschechowa recht wirksam herausstellen. Der Violin-Virtuose verletzt sich (kaum motiviert) die Hand – in einer leicht komischen Aufwallung von Eifersucht, erleidet Fiasko bei seinem amerikanischen Gastspiel – bis sein wiedergefundener Junge als Yehudi Menuhin auf dem Konzertpodium Triumphe feiert. Gaidarow mit russischem Akzent macht diesen Virtuosen trotz mancher Exaltiertheit glaubhaft.
Viele Typen, die James Bauer als Regisseur (Produktionsleitung Martin Pichert) mit sicherem Atelierblick auswählt, aber nicht zum Gesamtspiel bringt. (Und nicht einmal ein so begabter Cutter, wie Herbert B. Fredersdorf, bindet das Ganze mit Schwung.) Leibelt als Kriminalbeamter, Stössel, Goetzke, Rehkopf, Falkenstein, Käthe Haack – vom Drehbuch her alle wenig glaubhaft, nur ihre schauspielerische Erscheinung wirkt.

Das Publikum hält ich an Homolka und den jungen Lohmeyer.
Der macht’s den Alten nach, keine naive Begabung wie die kleine Meierzack (die in „Pünktchen und Anton“ ihr Naturtalent zeigte). Ein Junge der fast schon als schauspielgebildeter Theaterknabe Schmerzenstöne, Leidgebärden mimisch, sprachlich, lautlich auf jugendliche Weise doch nach der Erwachsenen Vorbild spielt.
Das Publikum bestaunt ihn.
Doch man soll ein so junges Talent in seinen Anfängen nicht zu stark ins Virtuosentum treiben, zu viel Ehrgeiz, zu wenig Natur.
Das Beste des Films – seine Szenen mit Homolka. Wenigstens ein künstlerischer Augenblick – die Beichte vor dem Jungen. Viel gibt ihm die Aufgabe nicht her – und sein Gefängnis – happy end mit der Aussicht auf Verlobung – selbst Jungfrauenvereine erröten da nicht mehr.
Die Produktion sucht durch befriedigende Technik – Kamera, Fuglsang – Bauten, Herrmann und Lippschitz und der wohlklingenden Musik Ernst Erich Buders die organischen Fehler auszugleichen. Für ein wenig anspruchsvolles Publikum wird es gelingen.
In der Uraufführung galt der lebhafte Beifall dem kleinen Lohmeyer.

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