
Originaltitel: Ein Walzer im Schlafcoupé. Lustspiel 1930; 91 min.; Regie: Fred Sauer; Darsteller: Lucie Englisch, Fritz Schulz, Albert Paulig, Adele Sandrock, Julius Falkenstein, Trude Berliner, Angelo Ferrari; Althoff-Tobis-Film.
Ein Graf soll sich durch die Heirat mit einer Baronesse rangieren, stellt sich aber seinem Onkel gegenüber dämlich und bekommt eine Chansonette als Liebeslehrerin. Die ihm bestimmte Baronesse aber lernt er im Schlafcoupé ohne Wissen ihres Namens kennen und lieben, sodaß sein Onkel auf einem Umwege die rettende Heirat gesichert sieht.
Zusammenfassung
Donnernd rast der Luxuszug der eleganten Welt, durch die Nacht.
In einem Schlafwagenabteil 1. Klasse hat sich der Junge Graf Thüna-Thüningen bequem gemacht. Vergnügt lauscht er den Klängen seines Reisegrammophons.
Aber nicht lange, denn nebenan will sich gerade das Fräulein von Wendelin, eine alte Jungfer, mit ihrem Hund Otto, einem winzigen Pinscher, zur Ruhe begeben. Wütend verbittet sie sich die nächtliche Störung.
Kaum hat Graf Günther das Grammophon abgestellt. als der Schlafwagenschaffner erscheint und ihn im Namen der Nachbarin von der anderen Seite bittet, weiterzuspielen.
Durch einen originellen Trick gelingt es dem Jungen Thüna, sich in das Coupé dieser musikliebenden Nachbarin, einer bildhübschen Jungen Dame, zu schmuggeln – und bald herrscht in diesem Abteil Nr. 6 eine sehr fröhliche Stimmung.
Aus dem Grammophon klingt der neue Schlager: „Wenn zwei so recht verliebt” . . . dieser Schlager . . . der zur gleichen Zeit in Berlin im großen Varieté von Lolo Marelli mit großem Erfolge gesungen wird.
Stammgäste dieses Varietés sind der Rittergutsbesitzer Graf Thüna auf Thüringen, der Onkel des jungen Günther, und sein Vetter Adalbert.
Die beiden Herren nehmen an diesem Abend Abschied von dem fröhlichen Bummelleben, um sich ganz einer ernsten Familienaufgabe zu widmen.
Graf Thüna hatte es fertiggebracht, das Schloß seiner Ahnen zu einem Treffpunkt für Gerichtsvollzieher zu machen, und so bleibt nur eine Rettung: Eine reiche Heirat des Neffen und Majoratsherrn Günther mit einer entfernten Verwandten, der Baroneß Mathilde von Trachau. – Als der junge Graf Günther am nächsten Morgen in seinem Schlafwagenabteil erwachte, muß er zu seinem Bedauern feststellen, daß die entzückende junge Dame in Begleitung des fürchterlichen Drachen von nebenan bereits in Berlin den Zug verlassen hat.
Zum Glück aber ist Otto, der kleine Pinscher Otto, von den Damen in der Aufregung des Aussteigens vergessen worden und – mit Hilfe dieses Otto hofft Günther, die Spur seiner schönen Unbekannten wiederzufinden.
In der Pension Modern, wo die beiden Damen abgestiegen sind, fällt Fräulein von Wendelin von einem Ohnmachtsanfall in den anderen, und Telegraph und Telephon müssen fieberhaft arbeiten, um Otto wieder zurückzubringen.
Günther von Thüningen hat sich inzwischen einen Trick ausgedacht, um seinen beiden Onkeln ein für allemal alle Heiratspläne, die seine Person betreffen, gründlich zu verekeln.
Seine Eleganz hat er sorgfältig in seinem Koffer verpackt, und mit Hündchen, Regenschirm und Geigenkasten erscheint in ausgewachsener Kleidung, eine Karikatur seiner selbst, Graf Günther auf Schloß Thüningen und markiert den weltfremden, schwärmerischen Musikschüler.
Die Leckerbissen der Saison weist er entrüstet zurück, statt Kognak und Sekt erbittet er sich Buttermilch, statt Hummern und Kaviar Haferschleimsuppe. Und abends spielt er auf dem Harmonium den beiden entsetzten Onkeln die traurigsten Sachen vor, bis diese die Flucht ergreifen.
Die beiden alten Herren sind ratlos. Niemals können sie diese Karikatur der verwöhnten, reichen Baronesse als Bräutigam zuführen.
Da kommt Onkel Adalbert auf eine grandiose Idee: Sie gehen die mondäne Varietékünstlerin um Unterstützung an und bitten sie, aus ihrem weltfremden Neffen einen Kavalier und Lebemann zu machen.
Lolo Marelli sagt vergnügt zu, aber sie hat mit ihren Erziehungskünsten bei dem jungen Grafen nur wenig Glück, denn dieser erkennt sofort in ihr den Varietéstern und bitte! Lolo, sein Bundesgenosse zu werden. Hai er doch endlich durch eine Annonce die Spur seiner schönen Unbekannten aus dem Schlafcoupé wiedergefunden.
Im Metropol-Varieté haben sich die beiden ein Rendez-vous gegeben. Kaum hat aber Günther den Hund Otto überreicht. als – zu seinem Schreck – die Onkels in der Nebenloge auftauchen und Günther, um in seiner eleganten Aufmachung nicht erkannt zu werden, die Flucht ergreifen muß. Als Neger verkleidet gelingt es ihm schließlich, aus dem Theater zu entkommen, aber leider nicht so glatt, denn unfreiwilligerweise muß er noch an dem Varietéakt eines Negerstepptänzers teilnehmen.
Bei einem Schützenfest, das in der Nähe von Schloß Thüna gefeiert wird, sieht Günther seine schöne Unbekannte zum dritten Male wieder. Aber auch hier spielt ihm das Schicksal einen Streich, und ohne sie gesprochen zu haben, verliert er sie aus den Augen. – Das große Internationale Motorbootrennen, an dem auch die Baronesse Mathilde von Trachau aktiv teilnimmt, soll endlich Gelegenheit geben, die beiden von der Familie füreinander bestimmten Jungen Leute, Günther und Mathilde, zusammenzuführen. Als Erkennungszeichen hat die Gesellschafterin der Baroneß mit dem alten Grafen Thüna eine weiße Marguerite verabredet, ohne allerdings zu ahnen, daß gerade an diesem Tag ein „Margueritentag“ abgehalten wird.
Vergeblich spähen die alten Grafen nach der zukünftigen Braut ihres Neffen aus.
Günther aber hat mehr Glück, denn er entdeckt in einem der Rennboote seine schöne Unbekannte aus dem Schlafcoupé. Mit einem zweiten Boot saust er ihr nach, erreicht sie direkt im Ziel und gewinnt auf diese Weise unfreiwillig das Rennen.
Und als er die Braut, die er sich ausgesucht hat, seinen Onkeln vorstellen will, erfährt er, daß sie niemand anders ist, als die bisher so gefürchtete und ängstlich gemiedene Braut Mathilde von Trachau, die allerdings den jungen Graf Günther schon im Schlafcoupé erkannte, und nur von dieser Kenntnis, zu ihrem Privatvergnügen, keinen Gebrauch gemacht hat.
Kritik (Hans Feld, Film Kurier #216, 09/12/1930):
Gustav Althoff gehört zu den Filmproduzenten; die dem Tonfilm die Mehr-Chance an Wirkungsmöglichkeiten abgewonnen haben.
Nach jahrelangen erfolgreichen Arbeiten auf dem Gebiet des stummen Films hat er sich das neue Gebiet erobert. Besonders glücklich zeigt er sich in der Wahl seiner Mitarbeiter. Mit ihnen holte er sich gestern im Titania-Palast starken, ehrlich verdienten Beifall.
★
Das klingt leichter als es in Wirklichkeit ist: Noch gibt es kein Rezept für Erfolg. Man muß es schon so ernst mit der Arbeit nehmen wie die Althoff-Leute, um ein Lustspiel zu schaffen, das hinterher unbeschwert und voraussetzungslos leicht wirkt.
„Ein Tonfilm“ nennen die Autoren Walter Wassermann und Walter Schlee ihr Werk; es ist ein Tonfilm, sonst nichts. Endlich einmal kein krampfhaftes Bestreben nach Klassifizierung, nach originalen Zügen, die doch keine sind.
Dafür hält Gustav Althoff, was er verspricht. „Walzer im Schlafcoupé“ ist ein Tonfilm, und ein sehr lustiger dazu.
Die Autoren wissen, worauf es ankommt, auf Vorgänge und nochmals Vorgänge. Sie haben ihr (Theater-)Handwerk durchaus studiert und daraus gelernt.
Die Lacher liegen beim Volksstück sui generis nicht im „was“, sondern im „wie”. Und da beziehen sie ihre Wirkungen aus einer Lustigkeit, der man deshalb so gern nachgibt, weil sie nichts anderes bezweckt als eben lachend zu unterhalten.
So wird pointiert und motiviert, immer innerhalb des Rahmens einer üblichen Verwechslungsgeschichte. Arbeit auf sicher, saubere Arbeit.
★
Eine Menge zu sehen ist in diesem Film. Die Schau einer Varieté-Bühne großen Umfangs wird splendide aufgeboten und geschickt verwandt, Schützen-Aufzüge, Volksfest, und ein mit vielen Steigerungen versehend Motorboot-Rennen.
Dazu eine ganze Reihe amüsanter Details, die verrät, daß mit Vorbereitung ans Werk gegangen worden ist, (Diese Vorbereitung ist, man muß es immer wieder sagen, für den Tonfilm lebenswichtig.)
Eine zweite Tugend der Autoren: Sie rechnen mit gegebenen Größen, stellen ihr Szenarium auf den Schauspieler ein.
Albert Paulig und Julius Falkenstein können als lebfrohe Junggesellen paradieren, unsere Adele, die Sandrock, ist maßlos herrlich in alter Frische und Majestät.
Trude Berliner zeigt in einer Episode, was sie künstlerisch zugelernt hat.
In Liedvortrag, Stimmdurchbildung, Körnerlockerung ist sie ein ganzes Stück vorangekommen; sie steht damit heute in der ersten Reihe der Film-Soubretten, eine junge Hesterberg.
Noch in kleinen Rollen sorgfältigste Besetzung: Max Wilmsen, Ernst Behmer, der lustig radebrechende Angelo Ferrari.
Die Hauptrollen spielen Lucie Englisch und Fritz Schulz. Lucie Englisch, gar kein „häßliches Mädchen“, plauscht, liebt darauf los, sicher in ihren Effekten.
Fritz Schulz holt wie immer seine Pointierungen durch Diskretion heraus; er ist bezaubernd in der seltbstverständlichen Handhabung des Dialogs, in der verfeinernden Gestaltung des Alltäglichen.
Ein Liebespaar, so gar nicht sentimental und in vielen Bühnen-Schlachten erprobt –, da muß der „Walzer im Schlafcoupé“ populär werden.
★
Die technische Leistung ist sauber. Regie: Fred Sauer. Kamera: E. Schünemann, Ton: E. Specht, Tonschnitt: L. Kiß, Bauten: W. A. Herrmann und H. Lippschütz.
Für die musikalische Leitung zeichnet Willy Schmidt-Gentner; als Kapellmeister sieht und hört man den mit Schwung dirigierenden Hans J. Salter.
Die Schlagertexte stammen von Karl Wilczinsky, Herz und, ein besonders hübscher – „Du hast mich einstmals mit Rosen geschmückt“ von Althoff.