
Originaltitel: Drei Tage Liebe. Alltagstragödie 1931; 101 min.; Regie: Heinz Hilpert; Darsteller: Käthe Dorsch, Hans Albers, Trude Berliner, Paul Samson-Körner, Lotte Stein, Hansi Arnstaedt; Felsom-Tobis-Klangfilm.
Eine nicht mehr ganz junge Kammerzofe lernt einen Möbelpacker kennen, zieht zu ihm. Aus Angst ihn zu verlieren, stiehlt sie, um sich Kleider kaufen zu können, begeht, von ihm deshalb hinausgeworfen und in Furcht vor Entdeckung, Selbstmord.
Zusammenfassung
Lena, ein Stubenmädchen in vornehmem Haus, ist ein ernstes sauberes Geschöpf. Franz, der Transportsarbeiter, hat bei ihrer Herrschaft ein Möbelstück abzuliefern und Lena verliert ihr Herz an den stattlichen Menschen. Sie nimmt seine Einladung an, am gleichen Abend das Fest der Transportarbeiter zu besuchen. Dorthin kommt auch Karla, die „Verflossene“ von Franz. Lena begleitet Franz nach dem Fest in seine Wohnung. Er macht ihr den Vorschlag, ihre Stelle aufzugeben und zu ihm zu ziehen.
Zwei herrliche Tage verlebt Lena, aber Montags beginnt wieder der Alltag. Franz muß in seine Arbeit und Lena bleibt allein zu Hause. Da kommt Karla, um etwas zu holen, und setzt sie mit bösen Eingebungen in Zweifel, ob Franzens Liebe auch echt sei. Müde und gedrückt geht sie zu ihrer Herrschaft, um ihr Zeugnis zu holen. Bei dieser Gelegenheit stiehlt sie einen Ring, um sich neue Kleider kaufen und dadurch die Liebe ihres Franz erhalten zu können. Als sie herausgeputzt nach Hause kommt, muß sie Franz die Herkunft des Geldes erklären. Er kann es nicht fassen, daß dieser Fehltritt aus Liebe geschah.
Zwei Herzen erbarmen sich ihrer und schenken Lena das Geld zur Wiedereinlösung des Ringes. Sie schleppt sich zum Pfandhaus, dort jedoch erscheint sie einem Polizeibeamten verdächtig, und als dieser sie verfolgt, weiß sie sich keinen anderen Ausweg, als sich aus einem Fenster in die Tiefe zu stürzen.
Kritik (Hans Feld, Film Kurier #042, 02/19/1931):
Fellner und Somlo, kluge Beobachter Ihrer Majestät des Publikums, haben kalkuliert:
Dorsch ist gut und Albers ist gut. Wie gut muß da erst . . . (und es paßt in der Tat zusammen; nicht so wie Hering und Schlagsahne.)
Also präsentieren sie Käthe Dorsch und Hans Albers gemeinsam in einem Film. Zwei bestrenommierte Bühnen-Prominente – für Besuchermassen im Reich eine Attraktion ersten Ranges.
Käthe Dorsch und Hans Albers als Träger gesprochenen Film-Wortes, wahrnehmbar noch im kleinsten Ort: Ein denkwürdiges Ereignis.
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Als Dritter wurde der Theater-Regisseur Heinz Hilpert verpflichtet. Und wieder erweist sich die alte Tatsache, daß die jahrelange Beschäftigung mit Dialog-Behandlung, mit Phrasieren und Tondämpfung, den Leuten von der Bühne eine gute Tonfilm-Chance gibt:
Dorsch-Albers-Hilpert, diese Theater-Dreiheit bildet eine Film-Einheit. Stehen und Gehen. Abstimmung der Intensität im Sprechen. Schattierung der Wechselrede – das alles wird hier zur Selbstverständlichkeit; und dem nicht verwöhnten Kinohörer zur Beglückung.
Wort-Inhalt und Situationen werden zur Nebensache. Es schwelgt das Ohr vor so viel subtiler Akustik-Kunst. Selbstverständlichkeit der Tongebung, letzterreichbare Naturnähe im Sichtgeben des Sprechens.
Vom Detail her ist dieser Film geschaffen. Vom Requisit, das eine Belebung erfährt. An Stelle der Handlung gibt es Zerlegung in Szenen-Kostbarkeiten. Ein Film-petitpoint.
Der Ton ist folgerichtig verwandt, in Stärkeregulierung der Entfernung analog dem Bedarf. (Technische Durchführung: Seeger; bravo!) Bild und Ton befinden sich, wo es nottut, in selbstverständlichem Kontrast.
Das Optische wird als Pointe zur akustischen Vertiefung genutzt: der Ton andererseits häufig als Unterstreichung des Visuellen.
Aus tausend Alltagsdingen entsteht ein Lebensbild. Zimmer eines Transportarbeiters, erster Ausflug in einem Schwarzfahrt-Auto . . . von hier aus wird unauffällig ein Bild- und Ton-Gewebe gesponnen. Kammerspielwirkungen sind damit für den Film erzielt.
Diesen Intentionen kommt die Neigung der Dorsch zur Nuancierung entgegen. Bei aller Geradlinigkeit ihrer Kunst ist sie, eben durch den Verzicht auf alles Beiwerk, die wortwandlungsfähigste Schauspielerin deutscher Zunge. Eine Halbheit des Ton-Anschlags, Vierteldehnung, ein Achtel an Mehrgewicht – und Brüche der Handlung werden gegenstandslos.
Zauber einer großen Künstlerin, die noch Dialogblech in Gold verwandelt. Nicht das Schicksal eines nicht existierenden Dienstmädchens Lena wirkt; sondern die Art, in der Käthe Dorsch den Zuhörer Leiden einer Kreatur mitleiden läßt, erschüttert.
Käthe Dorsch, über das Trennende der Projektion zur unmittelbaren Wirkung gelangt, von herber Süße und Einfachheit der Vollendung. Ein Erlebnis . . ., durch den Film den Millionen zugänglich.
Keine Ausstrahlung dieser Frau geht verloren. Denn den Gegenpart hält Hans Albers. Der Bühne und den Gesetzen von Sprache und Bewegung vertraut; in einer Rolle, die ihm gestattet, sich ganz zu geben.
Sein Möbelpacker Franz, ganz der Unterklasse verhaftet, in jeder halben Andeutung dem Publikum ganz nah. Kaum angetippt, und schon ein Lacher: der unmittelbar darauf vom nächsten abgelöst wird. Da ist es nicht nötig, um Einführung besorgt zu sein, um Gelegenheit zu einem Star-Start. Mühelos findet sich der Kontakt.
(Es ist schon so: Am stärksten ist Albers, wenn man ihm die Möglichkeit gibt, gesammelt zu sein. Kräfte-Natur in Ruhe: von da her hat er seine stärkste Auslösung.)
In dem Augenblick, da er in Sorge um das soeben herausgeworfene Mädel zu deren alter Dienststelle hetzt, zu innerst geschüttelt, armer, gehetzter Hund: Da wächst er weit über alles hinaus, was er bisher zu zeigen vermocht hat. Ins Menschliche; neben die Dorsch.
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Ein ausgewähltes Ensemble, gut geführt: Hansi Arnstaedt, Lotte Stein. Fritz Odemar, Oscar Groß, Jönsson. Trude Berliner ist theatralisch; anstatt auf theatralisch zu spielen.
Hans Jacobs bleibt physiognomielos. An der Kamera: Otto Kanturek. Auf sein Konto ist wohl die Subtilität der Licht-Verwendung zu setzen. Impressions-Ausdeutung, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden soll.
Nach einer Stunde erst, die neben Bild- und Ton-Erlebnis auch manche Unterhaltung vermittelt hat, bemerkt man das Fehlen eines Autors im Bunde der am Film Schaffenden: Frau über Bord; Joe Lederer ist es, deren leichte Ueberschätzung des Eros-Komplexes trotz tragischem Ausgang nicht tragisch zu nehmen ist. So geht es mit psychologischem Holterdipolter dem Fenstersturz zu. (Seid’s friedlich, Autoren, es ist nicht alles Literatur, was schief ausgeht –.)
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Zu der Kunst der Darstellung kommt mithin gegen Schluß das angewandte Können der Schauspieler, um dem unglücklichen Ausgang ein happy ending zu sichern.
Eine Leistung, die vom Premierenpublikum mit anhaltendem, herzlichem Beifall gewürdigt wurde.