Originaltitel: Der Sieger. Musikalische Komödie 1932; 93 min.; Regie: Hans Hinrich, Paul Martin. Darsteller: Käthe von Nagy, Hans Albers, Julius Falkenstein, Hans Brausewetter, Ida Wüst, Adele Sandrock, Max Gülstorff; Ufa-Klangfilm.
Ein Telegraphist gibt nach einem kleinen Turfgewinn leichtsinnig seinen Posten auf, erobert sich eine Millionärstochter, kann schließlich die Veröhnte doch heiraten, da ein Zufall ihn Teilhaber ihres Vaters werden läßt.
Zusammenfassung
Drähte hin und her!
Nachrichten durchbrausen
Drähte ohne Pausen,
Drähte kreuz und quer.
Alles weiß der Draht,
Erdteile verbindet.
Alles neue kündet
Der Morseapparat!
Unermüdlich, unaufhörlich ticken die Zahnräder, rollen die weißen Papierschlangen im großen Morsesaal des Haupttelegraphenamts. Fieberhaft arbeiten die Beamten.
Stumm wie die Maschinen,
Die sie bedienen,
Hören die Menschen, was geschieht.
Hier klappern die Tasten,
Was sie erfaßten,
Das ist der Erde Arbeitslied.
In der langen Reihe der Beamten sitzt Hans Kühnert vor seinem Tisch, der blonde Hans mit den starken Fäusten und der großen Sehnsucht:
Einen Happen möcht ich schnappen
Von der schönen Welt,
Und das Leben einmal leben,
Wie es mir gefällt.
Leicht ist es nicht für einen armen Teufel heutzutage:
Heut muß ein Mann seinen Mann steh’n
Wenn er was will und was kann.
Heut darfst Du hinten nicht ansteh’n.
Sonst kommst Du vorne nicht ran!
Der Herr Amtsvorsteher erscheint im Arbeitssaal, und Hans, flink und diensteifrig, erhält den Auftrag, 50 Zigaretten à 5 Pfg. drüben beim Zigarettenfritzen zu holen. Dort Ist grade Hochbetrieb in Rennwetten, weil heute Renntag ist. Schon sammeln sich die Pferde zum ersten Rennen am Start, aber immer noch nimmt der dicke Buchmacher im Zigarettenladen Wetten an, der kleine Laden ist voll von Menschen. Hans drängt sich durch; „50 à 5!” ruft er und meint Zigaretten, „50 auf 5″ wiederholt der Buchmacher, nimmt das Geld und reicht Hans den Wettschein. Hans protestiert, der Dicke wird grob, es gibt Krach. Schon fliegen harte Gegenstände durch die Luft, da schrillt das Telefon: „5 hat gewonnen” – und Hans zieht ab, lachend und selig mit 900 Mark in der Hand.
Hoppla, jetzt komm ich,
Alle Türen auf, alle Fenster auf.
Und wer mit mir geht,
Der kommt eins rauf.
„Was kostet die Welt – ich kann sie kaufen” denkt Hans, und übermütig vor Lebenslust schmeißt er den ganzen Telegrafenkrempel hin, verwandelt sich erst mal in einen eleganten Weltmann. Dann rasch auf die Rennbahn, in der Nebenloge liegt auf dem Stuhl ein Programm, der Finger eines eleganten leeren Damenhandschuhs zeigt auf Nr. 7. Wink des Schicksals! Schnell den Rest seines Geldes auf Nummer 7! Aber diesmal gehts schief. Am Tribünensprung stürzt Nummer 7, reiterlos galoppiert das Pferd weiter. Schluß! Der verdutzte Hans sieht jetzt in der Nebenloge die Besitzerin des Handschuhs, eine reizende junge Dame, und frech und gottesfürchtig bändelt er mit ihr an. Es ist Helene Ponta, die Tochter des großen Bankiers aus New York, der Papa ist auch da, ebenso der Bräutigam Mr. Hunter, der berühmte Eishockeyspieler. Man wird bekannt, und Hans, der Feuer gefangen hat, bittet Helene um ein Wiedersehen heute abend im Perroquet, dem feinsten Restaurant der Stadt. Helene sagt nicht nein, ihr gefällt der kühne Draufgänger sogar besser als ihr Bräutigam, der außer Eishockey und Poker keine Interessen hat. – Aber das Geld! Hansens letzte Hunderter liegen hinter dem Tribünensprung . . . Da muß seine brave alte Mutter, die Garderobenfrau im Hotel Atlantic aushelfen. Die redliche Alte schüttelt den Kopf – das ist ja Hochstapelei, was ihr Hans da vorhat. Wenn er ein anständiger Kerl ist, sagt er dem Mädel, daß er nur ein armer Schlucker ist. Hans verspricht es, aber – Helene ist so reizend, es kommt nicht zu dem beschämenden Geständnis, und das entzückende Souper zu zweien endet – ohne Aufklärung, im Gegenteil. Hans bezahlt auf recht geschickte, aber nicht ganz einwandfreie Manier die Zeche und geleitet Helene zum Auto.
Wieder soll die Mutter helfen, er braucht dringend 200 Mark, sonst kommt der Schwindel im Perroquet heraus. Die gute Frau Kühnert spricht nun energisch mit ihrem geliebten Sprößling. Eine anständige Arbeit soll er sich suchen, gleich hier im Hotel „Atlantic” Der Hoteldirektor lehnt zunächst ab. als er aber den schön gewachsenen Hans zufällig tanzen sieht engagiert er ihn als Eintänzer mit 500 Mark im Monat. Im Schweiße seines Angesichts verdient nun Hans sein Brot wie die übrigen Eintänzer.
Und auch wir, die wir feste hier schwitzen,
Könnten nobel als Gäste hier sitzen,
Statt immer wieder mit himmlischer Geduld
An die Tische der Damen zu flitzen.
Der neue Eintänzer gefallt bei Dünn und leider auch bei Dick, an Arbeit fehlt es nicht. So trifft ihn Helene. Nichts ahnend und glücklich ruht sie beim Tanz in seinen Armen, ihre Augen blicken tief in seine. Er soll sich zu ihr setzen, da erfährt sie vom Direktor, daß er Eintänzer ist. Empört und verletzt wirft sie ihm verächtlich ein paar Scheine hin und geht zu ihrem Bräutigam, der am Pokertisch sitzt.
Hans ist jetzt wieder er selbst und hat seine Sicherheit zurückgewonnen. Zum Abschied schickt er Helene Blumen für das Geld, das sie ihm gab, gibt das Tanzen auf und wird kurz entschlossen zweiter Telephonist im Atlantic. Ein schöner Traum ist ausgeträumt Wieder leuchten die Blinklampen, klappern die Stecker an den Verbindungsschnüren.
Aber Helene kann ihren Freund von der Rennbahn nicht vergessen.
Mag sein, was er will, sie Hebt ihn:
Es führt kein andrer Weg zur Seligkeit,
Als über deinen Mund,
Drum mach mir bitte nicht den Weg so weit
Und komm und küsse mich gesund.
Wenn ein so entzückendes Geschöpf ruft kann Hans nicht nein sagen. Rasch stopft er das Telegramm nach New York, das der alte Ponta dringend befördert haben wollte, in die Hosentasche und saust mit Helene im Auto hinaus in die Weite.
Er soll mit ihr nach dem sonnigen Süden fliehen. Das herrliche Kollier, das Verlobungsgeschenk, soll das Geld liefern. Aber das will Hans nicht, das nicht. Er will sich nicht von der geliebten Frau ernähren lassen. Und wieder hilft ihm das Glück. Grade der Umstand, da Hans das Telegramm des alten Ponta nicht abgeschickt hat, rettet das Vermögen des Bankiers. Nach einer wilden Jagd durch Strafen und Häuser hat Ponta endlich den rabiaten Hans eingefangen -um ihm zu danken und halbpart zu machen. Nun ist der Weg zum Glück frei. Hunter gewinnt im Eishockey und verliert in der Liebe. Ein anderer kam ihm zuvor:
Hoppla, jetzt komm ich.
Alle Türen auf, alle Fenster auf,
Hoppla, jetzt komm ich.
Und wer mit mir geht, der kommt eins rauf!
Hans ist der Sieger!
Kritik (-ger., Film Kurier #070, 03/22/1932):
Man hat gleich in der ersten Minute dieses neuen Film-Märchens aus Pommeranien die Gewißheit, sie werden Sieger bleiben auch über die Dagewesenheiten in der Geschichte von L. Frank und Robert Liebmann. Denn unter dem Zeichen Erich Pommers springen zwei der attraktivsten Stars an die Rampe: AIbers und die Nagy.
Die schaffen’s fast von allein: dazu zwei Regisseure (Hans Hinrich, Paul Martin), drei Textdichter für Schlager, zwei Kameraleute . . . jeder Doppelposten im Mitarbeiterstab der Pommer-Produktion ist reich besetzt.
Bitte gerecht sein Auch den Autoren muß man vieles zugute halten:
Wie sie die Geschichte vom beinahe hochstapelnden Telegraphen-Beamten, der den Sprung ins GIück und ins Grand-Hotel zur amerikanischen Millionärstochter wagt, mit frischer Laune füllen, das Unwahrscheinlichste noch spannend machen, das Alt-Bekannte aus 100 Filmen neu und amüsant entwickeln. Ohne Uebertüftelung, ohne dick aufgetragene Psychologie.
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Man weiß, daß es eine politisch-kritische Feuilleton-Richtung gegen diese Art Filme gibt – es ist erstaunlich, daß sich die Autoren durch die nachdrücklichen Schmähungen solcher einseitigen Denker nicht die Laune verderben lassen. Sie tun recht damit: ihre Phantasie-Geschichten bleiben bewußt unwirklich, sind Vergnügungsprodukte, verfeinerte Genußmittel, die gar nicht zerdebattiert werden wollen. Recht hat, wer sich ihrer freut.
Oder wenn man debattiert, so soll man dem deutschen Film gegenüber nicht vergessen, was man an Russenfilmen, an großen Amerikanern, bei den Franzosen, mit ehrlichster Begeisterung als Fortschritt ankreidet: Die Erfindung filmischer Bereicherungsmittel und das große Echo, das diese deutschen Filme finden. Ueberall und nicht nur in Deutschland.
In solcher Film-Story muß der Zufall regieren, darf eben das Unwahrscheinlichste in Bild und Musik gesetzt werden, das Tänzerisch-Spottende, das Bombastisch-Reiche in der Mentalität wie in der Handlung.
Es wäre ganz unerträglich, wenn nach bekanntem Rezept diese Sing-Spiel-Gebilde „lebensnah“, „real“, „beispielhaft“ gemacht würden.
An diesem leichten, flüssigen Sieger-Manuskript bleibt gerade zu bejahen, daß offenbar unter Franks Einfluß die ertüftelte Logik, die langweilige Motivierung, nach denen unsere kritischen Handlungs-Gehilfen stöbern, nicht tragisch, nicht oberlehrhaft genommen wurden. Wennschon Trugspiel-Stoffe, dann so phantastisch, so stilistisch-bunt. so untersungen, mit Sprüngen und auch einer unbedenklichen Moral, die nichts schwer nimmt.
Lessings oder Karl Marxens Dramaturgie gegen deutsche Film-Sing-Spiele? Huuu.
Diese Art Sing-Spiel lebt – durch ihren Erfolg. Der gibt ihr recht.
Man wünschte Pommer gewiß innerlich wahrhaftigere Stoffe. In der äußeren Durcharbeitung des Sujets – in der Laune-Erhaltung – steht seine Produktion noch immer an der Weltspitze. Wie durchgearbeitet, wie umgewandelt das berüchtigte Grand-Hotel mit der Film-Treppe und den Telephon-Zellen. Wie milieuverbunden – Telegraphenamt, Rennplatz. Hotel-Unterwelt der Küche und Garderoben – sein Star und Held.
Dabei weiß die Produktion, was man dem Weltmarkt schuldig: es ist nicht nur die große Albers-Gelegenheit, die erschöpft werden muß. Man präsentiert auch die ungarische Juno, die Käthe von Nagy in allen ihren Reizen. Man sorgt für neue Musiknüancen, die Schlager serviert diesmal ein moralisierender Chor, die Harmonists quasi „hinter der Szene”. Witzig parodierter und genutzter Brecht-Weill-Einfall. Der Film wird in diesen Partien zur Gesangs- und Tanzpantomime. (René Clair wird Augen machen.)
Trotz dieser Finessen von der Film-Speisekarte für Satte ist keinen Augenblick vergessen, aus Herz der Kino-Massen zu denken.
Albers hat natürlich jede Chance, mit der Faust – oder mit dem Flüstern zu siegen. Gleich im Anfang (. . . in der ersten Minute, siebe oben) im Wettbüro, wenn er den Buchmacher umlegt . . . da packt er seine Leute. Uns kann keiner, er findet den Ausweg, er ist kein Schlemihl, dem wie im Bois-Film das Glück wider Willen in den Schoß filmt, diesem Albers regnet das Glück in den Schoß, weil er es will. Er will das dunkle, schmachtende Fräulein des Films – bums, trotz der kleinen Eintänzer-Tragödie hat er sie. Er flieht mit ihr, husch wird er wieder Willen Millionärspartner. Sieger, weil er siegen will.
Der große Artist seines Sex Appeal, seiner trockenen Herzlichkeit, seiner kantigen Derbheit (man hat aus guten Gründen die reizende Smoking-Reinigungs-Szene mit der Mutter – Frieda Richard – eingelegt) hat wieder einen beispiellosen persönlichen Triumph.
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Verdienst (und Pech) dieser Produktionsmitarbeiter, daß man ihren persönlichen Anteil nicht von der Gesamtleistung trennen kann.
Bei den Kameraleuten (Rittau, Baecker) stellt man die Bewegungsfreude neben der selbstverständlichen letzten Plastik des Bildes fest, beim Ton notiert man Fritz Thierys Abgewogenheit.
Dem Regie Paar Hinrich und Martin kann man nur bestätigen, daß ihr Name mit einer besonders eleganten temperamentvollen, in vielem neuartigen Inszenierung verbunden ist. Alle Darsteller-Episoden prägnant und durchstoßend, so Falkenstein, Brausewetter, Gülstorff, die Richard, Sandrock, Beierle, Deppe, Schur.
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Der Film beginnt mit einer der lustigsten Film-Episoden überhaupt, endet mit der dröhnenden, grotesk wilden Hotelhatz . .
Diese Minuten, selten filmisch so stark erlebt, entscheiden den Sieg der Sieger. Dazwischen? für alle etwas, für jeden viel. „O wie so trügerisch . . .“ und doch wie angenehm. Die Welt will durch Zauber betrogen und besiegt sein.
Das Uraufführungspublikum stand lange, lange in Gruppenkolonnen im Theater und feierte den Einzugsmarsch des Sieger-Films. An der Spitze Albers.