Originaltitel: Einbrecher. Musikalische Ehekomödie 1930; 102 min.; Regie: Hanns Schwarz; Darsteller: Lilian Harvey, Willy Fritsch, Ralph Arthur Roberts, Heinz Rühmann, Oskar Sima, Margarethe Koeppke; Ufa-Klangfilm.
Eine junge Frau, die ihren verknöcherten Mann mit einem eitlen Laffen nicht betrügt, verliebt sich in einen gentlemanliken Einbrecher, der sich später als ein Schriftsteller entpuppt. Ihr Mann gibt sie nun frei.
Zusammenfassung
Zierlich hebt die Puppe den blanken Degen und singt:
Wenn in der Arena von Granada
Ich im Stierkampf meine Kunst probier’,
Dann trifft meine blitzende Espada
Alle Frauen grad’ so wie den Stier.
Laß mich, laß mich einmal deine Carmen sein,
Nur einen Tag, nur eine Stunde.
Laß mich, laß mich mal in deinen Armen sein
Mit meinem Mund an deinem Munde!
Stolz und glücklich blickt Herr Dumontier, der Puppenfabrikant, auf sein Meisterwerk. Seine Puppen sind wirklich reizend, hübsch und – folgsam, viel folgsamer als Reale, Dumontiers kapriziöse Frau, der es der arme Gatte nie recht machen kann. Er ist eben kein Held, kein Torero wie der in der Arena von Granada, den Vallier so herrlich gemalt hat, kein großer Verbrecher mit romantischem Hintergrund. Darum ist Renée unglücklich, nervös, und ihr Zorn wütet gegen Hortense, die Haushälterin Dumontiers, die diesen heimlich, aber intensiv liebt, und gegen den Herrn Gemahl selbst. – In diesem getrübten Eheteich versucht Herr Serigny zu fischen, ein eleganter junger Mann, der jedoch vom Helden nichts hat als gelegentlich die Pose, was Renée auch durchschaut, aber – es ist eben kein andrer da zur Zeit. – Als es beim Essen wieder einmal Blitz und Donner gegeben hat, erhört sie Serignys Flehen und willigt ein, ihn zum Tee in seiner Wohnung zu besuchen. Der neue Diener Amadée hat jedoch alles belauscht mittels versteckt angebrachter Mikrophone und hat seltsame Telephongespräche mit einem geheimnisvollen Komplicen geführt. Von Schmuck war die Rede und von einem Vallier, der in Serignys Wohnung hängen soll, die Übrigens gar nicht Singny, sondern einem Freunde gehört. – Wie dem auch sei, Sérigny schmückt sein geborgtes Liebesnest zum Empfang der reizenden Sünderin. Der obligate Portwein, schwellende Kissen, Wohlgerüche, alles ist da, der Held selbst – im seidenen Schlafrock –. – Das Spiel kann beginnen. Und schon klingelt es, Renée erscheint pünktlich, aber – kühl, nicht recht bei der Sache, an die Sérigny denkt, neugierig, aber ohne Herzklopfen. Die ganze Sache kommt ihr etwas komisch vor. Es ist ja auch ihr erster Fehltritt und – mein Gott, dieser Sérigny – –! Aber schließlich – fangen wir an! Punkt eins des Programms ist der Portwein. Dann soll es weitergehn bis zum – happy end. Aber es soll nicht sein! Als Sérigny grade den Übergang vom Portwein zu den ersten einleitenden Zärtlichkeiten sucht und seinen Arm schüchtern um die keineswegs süß erschauernde Renée legt, läßt ein verdächtiges Geräusch die noch nicht Liebenden auseinanderfahren. Ein Fensterladen öffnet sich, ein Mann schwingt sich gewandt hinein, ein Einbrecher. Entsetzt verkriecht sich Held Sérigny mit seiner Dame unter Sofakissen und Decken. Der Revolver des Eindringlings zwingt das Pärchen ans Licht. Aber es ist ein ritterlicher Verbrecher, eigentlich ein reizender Mensch, denkt Renée – viel männlicher als der komische Sérigny. Der Dieb hat es nicht auf Schmuck und Geld, sondern auf den Vallier abgesehen, der im Nebenzimmer hängt. Er will das Bild stehlen, und schon hofft Sérigny, während der Zeit etwas anderes bei Renée stehlen zu können, da klopft es laut an die Tür! Polizei! Dem gewandten Verbrecher gelingt es, den Beamten geschickt zu bluffen. Aber auch das Pärchen treibt er auseinander und redet der kleinen Frau ernst ins Gewissen, die schließlich unverrichteter Sache, aber mit geretteter Tugend abzieht. – Bei Dumontier hat sich inzwischen der große amerikanische Puppenhändler Hatkins angesagt und wird mit großen Ehren empfangen. Als Renée dem Gast gegenübersteht, erkennt sie entsetzt – den Einbrecher. – Gleich darauf hat er es auch fertiggebracht, mit Litt und Tücke alle andern Personen zu entfernen, außer Amadée – und der ist sein Spießgeselle. Aber wieder ist der Einbrecher ritterlich und benimmt sich wie ein Liebender. Renées Herz neigt sich ihm zu, sie folgt seiner Aufforderung zu einem nächtlichen Rendez-vous in die Rue Blondet und gelangt in eine elegante Negerbar. Zitternd vor Erregung und kaum verhehlter Zuneigung trifft sie den Einbrecher in einer Loge. Zärtlich besorgte Worte Randes, stürmisches Werben des Einbrechers, – da tritt Dumontier ein. Schützend stellt sich Renée vor den Geliebten, als Dumontier zum Schein die Waffe hebt, und nun weiß der Gatte, daß er endlich den richtigen Mann für seine Frau gefunden hat, den er schon so lange suchte. – Der Einbruch ist geglückt, obwohl der Einbrecher – gar keiner war, auch kein Torero. – Aber die kleine Renée wird doch gern seine Carmen sein!
Kritik (E. J., Film Kurier #297, 12/17/1930):
Bezaubernde Vorspiegelung „falscher Tatsachen . . .!“ Film pour film.
Den Stil für die leichteste der leichten Konversationen (über Nichtigkeiten reichen „Lebens“) im Film zu schaffen, hier ist es wieder versucht, wieder gelungen.
Die Pommer-Leitung setzt alle Mittel des Films für die Organisierung heiteren Schein-Lebens ein: bewegte Zeichnung der Handlung durch Kamera und Mikrophon, zu Tanz und Quickheit entfesselte Schauspieler, unbedenklich und vielseitig genutzte Musik-Mitwirkung . . .
Diese drei Elemente des tönenden „Alles bewegt sich“ bestimmen die Haltung des Films, entscheiden seine Wirkung.
Welche technische Titanen-Arbeit, einen Film, den keine Lebensnähe stützt, kein echtes Gefühl vom Menschlichen her erleichtert, so an unser kühles Kino-Parkett heranzubringen; Fiktion, Konstruktion im leeren Raum . . . bewußt dies alles, Puppen im Spiel, Schemen-Spiel. Und mit diesem Puppen- und Schemen-Spiel wird noch ein Einbrecher-Legendchen erfunden, das sich selbst als Vor-Spiel eines romantischen Schriftstellers vor seiner romantischen Geliebten entpuppt. Noch mehr Entschuldigung für die Un-Wirklichkeit dieser Komödie war unmöglich. Diese Haltung beweist Anstand, Geschmack, Intellekt der Schaffenden: für Abgrenzung und Einordnung des Films selbst. Man hat solche Art der Selbst-Fixierung und Einschätzung des Films noch nie so betont gesehen, so mit deutlicher Selbstbegrenzung.
Die Pommers sind damit einen Schritt weiter über die „Tankstelle“ hinausgegangen. Weniger in der Frische des Spiels an sich, als in der Stil-Bewußtheit. Die Tankstellenjugend wollte noch Jugend von heute Vortäuschen, hier täuscht man Täuschung vor.
Puppenspiel-Stil. Einbrecher aus Märchen vom schönen Schein-Leben. Kein Problem. Luftgebilde. Flucht in die Mathematik des Figurenspiels, dessen Zauber bannen, solange der Zauber währt.
Solche Millionärs-Oper muß natürlich in Paris spielen. Sous les toits der Negerbälle und der Flirts, im Land der Arbeitslosigkeit.
Ohne Gefühlsgêne kann man so Louis Verneuil seinen alten Trick wiederholen lassen, den kühnen Einbrecher als dramatischen Schriftsteller in der Schlußapotheose (es ist keine „Pointe“) zu enthüllen.
In der Szenenführung ist Robert Liebmanns Manuskript wieder mit der letzten Routine gemacht, mit der er gesegnet. Man erkennt seine alten Lustspielfreuden selbst im Chansonvers: Den Kaviar, den Hummer, das Puppen-ah, ah. Man konstatiert auch viele geschickte Wendungen und Verbindungen filmischer Art, die ganz auf sein Konto gehören.
Schauspieler-Schriftsteller sind gute Kompagnons, sie wissen um den Geist der anderen – und wenn sich Liebmann auch hier noch nicht getraut, der Wort- und Witz-Erfindung soviel Schwung und Elastizität zu geben wie dem Tanz und der Musik dieses Films, so ist doch der Dialog frei von allem Banalen, konzentriert, verständlich. Wort-Hokuspokus muß noch gelernt werden. Wort-Spiel muß noch heraus aus dem Film-Deutsch.
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Den leichtesen Sieg hat Heinz Rühmann. Der jugendliche Komiker alter, dankbarer Schule. Lacher auf Lacher, wenn er nur etwas hinsagt oder eine Bewegung macht. Der Spontan-Darsteller fürs Publikum.
Lilian Harvey wieder am reizvollsten als Anblick, in den phantastischen Flatterkostümen, mit einer unerhört ertüfftelten Frisur „Sektperlenlöckchen in Blond“ (ja, Friseure sind auch Dichter). Spielt sie mit der Bürste vor den Altarkerzen ihrer Spiegeltoilette Tennis oder hüpft sie im Grotesktanz, hat sie ihre besten Momente. Ihr entschiedener, forscher Flüsterbaß steht ihrer Jugendfrische gut. Keine Furcht vor der eigenen Beherztheit!
Willy Fritsch darf das Sentimentale nicht ganz verdrängen. Dann wird’s ihm schwer gemacht, der harmlose junge Mann zu sein, der um die Frau eines anderen freit. Da singt er den „Schicksalswalzer“, anstatt einen lustigen Song. Der Schicksalswalzer ist von Friedrich Hollaender, wird in wundervoller Abtönung von einem Quartett wiedergegeben, herrlich klingt’s, – doch Willy Fritsch liegt das nicht so, und ein Wunder an Mikrophonführung muß ihn um die Klippen der sentimentalen Weisen herumführen.
Die Regie von Hanns Schwarz paart Ausgelassenheit mit dem guten Ton guter Gesellschaft. Kettelhut darf high life-Phantastik in seinen Bauten entfalten. Dazu Kostüme, Künstlerfiguren . . . Günther Rittau (mit Tschet) gibt den Glanz der Photographie, um Einstellungen weniger besorgt.
Alle Charakteristika der Pommer-Marke sind wieder mit besonderer Sorgfalt eingesetzt. Requisit und Mensch sind gleich nuanciert, gleich gefärbt. Roberts, wie seine Puppen prätentiös, Sima und Lautsprecher, gleich amüsante Erfindungen, Gertrud Wolle mit ihrem spinösen Ton, Gerron Henkels . . . (anderer Ton: die Margarethe Koeppke . . . verklungen).
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Ganz im Stil auch die Musik! Dieses Gemisch von sachlicher Romantik und parodistischer Phantasie – Friedrich Hollaender bringt’s zuwege. Mit ansprechender Gebrauchsmusik zur Stelle: wie er aus dem Lautsprecher die Tenniskampfansage im Rezitativ glossiert, wenn er über den Pariser Straßenlärm ein Scherzo schreibt. Keine moderne Geräuschmusik, nein, man bleibt in jedem Musiktakt ehrlich an die Marschroute, an die Tangolinie gebunden. Wieviel Klein-Musikmalerei dabei! Von der Polizeipfeife bis zum Vierröhrenton der Türglocken.
Und natürlich Hollaender-Schlager: „Kind, dein Mund ist Musik“, „Laß mich deine Carmen sein“ . . . und sogar der alte Preußenschlager wird neu gewendet: „Ich bin ein Fidsche, will ein Fidsche sein”, den bringt Fritsche-Fidsche besonders animiert. In einer der vielen Szenen, in denen das weltentrückte Heitersein des Films vollkommen ist; keine technische Härte erinnert da an „Tonfilm“, „Filmindustrie“. Vor dem Kinoparkett blüht schönes Schein-Leben. So will’s der Film. A propo: Tonfilm. Tonmeister Thiery und dem Schnitt des Willy Zeyn jun sind alle Komplimente zu machen. An allem, was technische Bewältigung in diesem Film heißt, haben sie verdienten Anteil.
Und so geriet das Publikum in die „große Form“. Die Zustimmung wuchs von Szene zu Szene, von Vorstellung zu Vorstellung. Der Tankstellen-Erfolg wiederholte sich.
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Für die Produktion: vor dem Willen zum Stil nicht desertieren! Und dieselbe Konsequenz des Geschmacks und der Formgebung an Stoffe aus der Zeit gewandt.
Oder lebt in dieser Wirklichkeit 1930 kein Lachen mehr, in das sich Einbruch lohnt?