Darling of the Gods

Originaltitel: Liebling der Götter. Tragikomödie 1930; 109 min.; Regie: Hanns Schwarz; Darsteller: Emil Jannings, Renate Müller, Olga Chekhova, Hans Moser, Eduard von Winterstein, Max Gülstorff, Willy Prager, Siegfried Berisch, Vladimir Sokoloff, Oskar Sima; Ufa-Klangfilm.

Ein vergötterter Heldentenor der Wiener Oper, prassend saufend, ehebrechend, tritt ein Südamerika-Engagement an, verliert die Stimme, kehrt als Büßer zu seiner Frau zurück. Als er sich beinahe schon ins bürgerliche Leben hineingefunden, kommt seine Stimme wieder.

Zusammenfassung
Ein Liebling der Götter und der Menschen ist der große Albert Winkelmann, der begnadete Sänger, der starke, lebenslustige, übermütige Hüne, dessen Stimme von wunderbarer Klangfülle und Weichheit die Menschen zu Tränen rührt. Lachend läßt sich der Künstler die Huldigungen der Menschen gefallen, die sich am Ausgang des Theaters drängen, um den berühmten Heldentenor vor seiner Abreise nach Südamerika noch einmal zu sehen. Und gar erst die Frauen – –  ! – Von der Kellnerin in seiner Stammkneipe bis zur Kollegin schwärmen alle von dem großen Manne, der seine Gunst freigiebig verschenkt, denn für ihn sind nun mal die Frauen das Netteste, was der Herrgott geschaffen hat. – In der Garderobe des Sängers geht es heute hoch her. Ein Blumenmeer hat sich auf dem Tisch ausgebreitet, dazwischen Weinflaschen und allerhand Delikatessen, denn Albert ist kein Kostverächter, Wein, Weib liebt er – und den Gesang macht er selbst ! – Kratochvil, der alte Garderobier, schlägt aufgeregt die Hände über dem Kopf zusammen. Was soll er mit den vielen Frauen anfangen ? Da ist Frau v. Dagomirska, die schöne, pikante Russin, die Nachbarin von Winkelmanns Besitz am Wolfgangsee, die den Sänger gar zu gern endgültig an ihren Triumphwagen spannen möchte. Da ist eine kleine, freche Ballettratte, die mit Treue fürs Leben droht, da ist die verliebte Desdemona des feurigen Othello, der gleich singen soll. – Aber am schlimmsten ist, daß die Frau des Sängers auch kommen will, und zwar mit dem Onkel Sanitätsrat, um Winkelmanns Herz zu untersuchen. Frau Agathe, die kluge, liebende Gattin des Kammersängers, ist besorgt um ihren Albert. Das Jahrzehntelange Leben aus dem Vollen rächt sich an dem Vierziger, der sich nie geschont hat. Aber noch will der Sänger das nicht wahr haben. In kraftvollem Uebermut verspottet er den Arzt, neckt die Gattin und jongliert sorglos und im Grunde harmlos, zwischen seinen Verehrerinnen und seiner Frau, die er in seiner Art wahrhaft liebt und sein Muttchen nennt. Ihr Ist das ganze aufgeregte Treiben hinter der Bühne tiefinnerlich zuwider, sie hätte ihren Mann auch gern einmal für sich, anstatt ihn mit der ganzen Welt zu teilen; aber schon lautet die Glocke des Inspizienten, Othello muß auf die Bühne, die Nerven sind zum Zerreißen gespannt, – Agathe resigniert traurig. – Noch an demselben Abend besteigt Winkelmann den Zug, der ihn zu der großen Gastspielreise entführen soll. Am Bahnhof drängt sich die Schar seiner Verehrer und – Verehrerinnen. In dem lärmenden Treiben nimmt Agathe Abschied von ihrem Manne, es soll ein Abschied für immer sein, er braucht ja keine Frau, er braucht nur : Weiber. Einen Augenblick wird der Sänger ernst, – was hat denn sein Muttchen ? – aber der Lärm des Abschieds übertönt alles, auch die letzten Worte einer besorgten Frau. – Südamerika ! Colwyn, der große Manager und Theateragent, ist garnicht froh über seinen mit so großen Kosten verschriebenen Star aus Wien. Die Stimme klingt müde; der Mann ist zu alt, verträgt das heiße Klima sehr schlecht. Für alle Fälle hält Colwyn einen jungen italienischen Tenor, Cardagno, bereit, der jederzeit einspringen kann, wenn der deutsche Gast versagen sollte. Verzweifelt kämpft Winkelmann gegen die Hitze, gegen das Mißgeschick, das er herankommen sieht. Er rafft seine letzten Kräfte zusammen, er will singen, aber – die Stimme versagt, ein paar heisere Töne, – – es geht nicht. Der Vorhang senkt sich, man trägt den ohnmächtigen Sänger in seine Garderobe, Cardagno singt die Partie weiter. „Erschlaffung der Stimmbänder”, sagt der Arzt. Es ist aus ! Ein Besiegter kehrt in die Heimat zurück. – Fahnen und Böllerschüsse empfangen den Sänger am Wolfgangsee. Alles beglückwünscht ihn, denn Colwyn hat der Presse nur Erfolge mitgeteilt. Auch Agathe ahnt nicht, daß ihr Mann, der sich auf einmal so nach Ruhe und Frieden sehnt, seine Stimme verloren hat. Sie weiß nicht, warum er leidet, und glaubt, ihn reute sein Versprechen, nicht mehr aufzutreten. Heimlich versucht sie, ihm wieder Gelegenheit zum Singen zu geben und erfährt, daß er garnicht mehr singen kann. Aber statt Bestürzung und quälendem Mittleid, das er erwartet hat, findet Winkelmann bei Agathe vollstes Verständnis und die große Freude, den geliebten Mann endlich für sich zu haben. Auch er ist erlöst von dem Albdruck, den er so lange getragen hat. Da kommt Kratochvil, der Im Auftrage des Intendanten noch einmal versuchen soll, den Liebling das Publikums für die Bühne zurückzugewinnen. Eine ganz große Komödie spielt Winkelmann; Was, er soll wieder singen, sich wieder für andere Leute abschinden ? Er denkt nicht daran ! Hier als Bauer ist er Mensch, hier geht es ihm gut, – und übermütig fängt er an, sein Leiblied zu trällern : Ich bin ja so vergnügt, holloderoh – Aber, was ist das ? Bei dem Jubelnden Holloderoh vergibt er sich und – die Stimme ist wieder da, in alter Pracht perlen die Töne. Da rinnt neues Feuer durch die Adern des Künstlers. Ja ! Er wird singen ! Zum 501. Male den Lohengrin ! Auch Agathe, die nun verstanden hat, daß ein Künstler ohne Kunst nicht leben kann, ist begeistert und begleitet ihn. Freudentränen sind es, die ihr emporquellen, als sie neben dem freuen Kratochvil in der Wiener Hofburg in der Kulisse stehend die herrliche Stimme des großen Künstlers hört.

Kritik (E. J., Film Kurier #243, 10/14/1930) :
Eine gelungene Tragikomödie. Dankbare Aufgabe für Jannings, keine Rolle zum Auf- und Ueberspielen, eher eine Selbstäußerung sans gêne, eine tönende Jannings-lch-Schau.
Stoff : Sittengeschichte des (unverwüstlichen) Tenors; Genußmensch, der Majestät sein darf Herrscher über seine Frauen. Liebling der Götter – und selbst ein Götze. Mit dem es die Götter gnädig meinen; er verliert seine Stimme und gewinnt sie wieder. Er ist eine begnadete „Mir-kann-ja-nichts-geschehen”-Natur. Solche Ueber-Ich-Natur-Tragikomödie muß man gern sehn.
Alles zielt darauf hin : Den Komödienabend ins lichteste Himmelsblau der Vergnügtheit zu führen. Darum wird dargeboten :
I. Teil : Hans im Glück, der Tenorsieger, der den Rahm des Ruhms abschöpft, Pilsner und Frauen in einem Zuge nimmt – – alles darf er begönnern auf seinem Glücksgipfel, die eigene Frau, den Intendanten, das Ballettmädel.
II. Teil : Ausfahrt nach Südamerika. Scheinbare erneute Steigerung des Glücks – und hier wird die Posse zur Tragikomödie – das Schicksal hebt den Warnungsfinger – Belsazar war zu feist und frech – mit einemmal ist der Hüne ein Hühnchen, der Riese ein Mann von vierzig Jahren mit einemmal so sentimental – – das Theater (in Buenos Aires) ist ein erstickender, luftloser Keller mit bösen Agenten, einem vertrottelten Garderobier und einer sieghafen Tenorkonkurrenz. Schiebt sich da auch noch ganz von unten her ein Abgestürzter herein, ein Vergessener, einst Kammersänger, der jetzt betteln geht.
So gibt’s eine Nervenkrise – und die Stimme ist aus der Kehle weg.
Wen die Götter lieb haben, den züchtigen sie nicht, schicken nur ein Gewitter vorüber. Wolken über Südamerika, die sich über St. Wolfgang aufheitern.
III. Teil : Der gebrochene Sänger kehrt in seine Heimat zurück an den Wolfgangsee, er hat da sein Gütchen – – und nun gibt es zwei besonders geschickte Wendungen : Hier empfängt ihn der Riesenbeifall seiner Verehrer in den Bergen, der dumme nutzlose Enthusiasmus, daneben die strahlende Gattin – – der ganze Ruhmbetrieb geht wieder los.
Aber der Kammersänger ist ein heimlicher Büßer, dem die frische Luft, das Kuhmelken und die Frauenverachtung gut bekommen. Unversehens kann er wieder singen, Holloderodero.
Beschwingter Abgesang : Sobald das Mimimi in der Kehle sitzt, ist er wieder der alte Sünder, der alte Sänger, Bramarbas, Betriebsmühle, Sauf- und Zech-Genosse – eins, zwei drei, singt er den Lohengrin – er steht wieder oben.
Die Autoren Hans Müller und Robert Liebmann wollen keine Literatur geben, obwohl sie von Müllers „Tokaier” die Bühnenroutine, von Hermann Bahrs „Konzert” den herzwarmen Ton der Ehegattin und von Wedekinds „Kammersänger“ die Brutalität des Genußmenschen heranholen, sie wollen nicht tief sein, nicht problemvoll – (wo sollen beim Tenor auch die Probleme stecken : er hat seine Röhre).
Doch hat dieses Autorenduo merkenswerte Vorzüge : Für diesen Stoff – die Flucht vor dem Allzusentimentalen, da sie vermeiden, den Emil Winkelmann den Gralshelm der Würde aufzustülpen ihr Kammersänger nimmt den Rummel als Rummel, das Ehebrechen nicht als Verbrechen, er ist „eine Ausnahme“ – entschuldigt er sich vor der Zensur strenger Moralisten.
– und ihre besten Qualitäten : Die dramaturgische Vernietung ihres Stoffes, die Aufteilung von Dialog und Bild bis ins Einzelste, die bewundernswerte Umgestaltung in Bildvorgang und Dialog – das ist ganz eminent, keine Produktion ist da so weit wie diese Erich-Pommer-Ufa-Marke.
Nicht umsonst hat man sich einen Bühnenroutinier wie Hans Müller verpflichtet; die Ausfüllung jeder Szene mit einem passenden Witzchen – das ist Liebmanns Geschoß – –
namentlich wenn der Tenor beim Zwiebelsalat singt : „Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte“. Und so.
Das ist der fachliche Wert des Films – für den auch Hanns Schwarz das Seine beiträgt – : Eben dieser Nachdenk-Prozeß, wie die Beseitigung der sonst so versteiften Dialoge in jeder Situation durchzuführen ist. Kein Dialog ist Selbstzweck vor der Kamera, immer begleitet „Handlung“ den Dialog. Ob da ein Onkel Fischchen fängt, ein Radio-Wiener zum Mikrophon stürmt, dem Sänger, der zur Tür heraus rauscht, das Glückschweinchen-Amulett zum Abknutschen nachgereicht wird – immer sind Motive da, Einfälle, die volle Instrumentation. (Wie zu begrüßen erst, wenn dieser Triumph, diese Intensität der Formgebung bei der Stoffindung selbst, für die zentrale Idee der Film-Entstehung verwandt würde !)
Man muß bei diesem Tontechnischen noch ein paar Zeilen verweilen : Das Dialogaufklingen, noch ehe das Bild einsetzt, die Nachklänge der Musiktakte ohne Bild – bei der Ueberleitung zum letzten Teil ! – Das ist Welt-Standard.

Die Slezak-Rolle also für Jannings – ohne dessen Stimme.
Leo Slezak hat einmal gewitzelt : „Ich bin ein weißer Sklave.“ So spielt das Jannings, sein Winkelmann war sicher auch früher Schlosser, ist heute ein Koloß, der sich possierlich beim Singen verrenkt.
Auffällig, wie grandios Jannings wirkt, sobald er in eine Maske hineinwächst. Als Othello in der Garderobe. Vom Mimischen geht seine Wirkung aus : Als er sich gealtert vor dem Spiegel findet.
Sprachlich wirkt er sympathisch, wenn er „Muttchen“ und „Mama“ begönnert oder wenn er schimpft „Geh’ raus, dumme Zicke“ oder so. Dann hat er den Jannings-Ton und die große Geste : Daß die ganze Welt ihm könne . . . So prominent ist er.
Der Jannings-Gesangspart wird von Marcel Wittrisch geschickt überbrückt, sein voller Ton liegt gut im Ohr.
Ausgezeichnet geführtes, ausgezeichnet besetztes Ensemble drumherum. Stärkster Beifall für Hans Moser den Garderobier, den Treuesten der Treuen. Der eifernde Schatten des Prominenten (und selbst diese Sätzchen, die er so devot und überhaspelt durch die Zähne stößt, fängt heute schon das Mikrophon.) Renate Müller – die sanfte, schöne Agathe. Olga Tschechowa – der reizvolle Vamp. Truus van Aalten, Max Gülstorff, Winterstein, Sima – Alberti – jeder passend eingestellt. Merkwürdiges Duett : Willy Prager, Siegfried Berisch – aus der Jargonposse.
Wladimir Sokoloff – die Erscheinung aus der Düsternis. Der „arme Teufel”, von dem dieser Film nichts wissen will, gegen dessen „Pessimismus“ er sich wendet. Von Günther Rittau mit graphischer Kunst photographiert.
Der höchste Trumpf des Films : Wenn er ins Freie geht, alle Wolken verschwinden – und die Leinewand zum Fest wird.
Diese Szenen am See von Wolfgang sind ein Gedicht. Sie atmen Lebensfreude (auch wenn man die Ehrenjungfrauen ironisch präsentiert).
Es ist eine Daseinslust um diesen fernen Märchensee, in der man gern zu Gaste weilt.
Unwiderstehlich, wenn sich Theater- und Atelier-Enge weiten und das Spiel den Zauber der Natur an sich bindet. Ein Tücherwinken und Freuderufen – die begeisternde Wirkung für jedes Kino geht gerade von diesen Szenen aus. „Heiterkeit und Fröhlichkeit“, ein Gewinke aus hundert Häusern, aus hundert Fenstern . . .

Es wird zahllose Lichtspielhäuser geben, in denen der lustige Rhythmus des Karl M. Mayschen Liedchens „Ich bin ja so vergnügt” ansteckend wirken muß – und damit ist sein eigentlicher Zweck erreicht.
Der Film nimmt glücklicherweise die Musik nicht allzu ernst, zu nennen ist noch ein Tango von Schmidt-Gentner „Ich sing’ dir ein Liebeslied“ – und so kann das Publikum freundlichen Anteil nehmen an den Tenorabenteuern und am Besuch auf Emils Landgut. Man murmelt – zeitgemäß – :
„Fühl’ in Tenores Glanz die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein . . .“

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