Originaltitel: Brand in der Oper. (Barcarole.) Schauspielerdrama 1930; 102 min.; Regie: Carl Froelich; Darsteller: Alexa Engström, Gustav Fröhlich, Gustaf Gründgens, Gertrud Arnold, Hans Peppler, Julius Falkenstein, Jarmila Novotna, Werner Engels; Froelich-Tobis-Film.
Ein Finanzgewaltiger verschafft einer Chordame eine größere Rolle. Sie weist ihn aber am selben Abend ab und verliebt sich in seinen Sekretär, der weiterhin unter der Heimlichkeit seiner Beziehungen leidet. Nach deren Entdeckung rettet bei einem Theaterbrande der Finanzier gemeinsam mit dem Sekretär die Sängerin, überläßt sie dann aber letzterem.
Zusammenfassung
Floriane Bach, eine kleine Choristin, erhält durch die Protektion des reichen Konsuls van Lingen, die Hauptrolle in der Neueinstudierung von „Hoffmanns Erzählungen“. Gleichzeitig übermittelt man ihr eine Einladung zu einem Souper mit ihrem Protektor. Da sie den sympathischen jungen Sekretär van Lingens, Richard Faber, mit seinem Chef verwechselt, folgt sie der Einladung, als aber van Lingen erscheint und seine, wie er glaubt, wohlerworbenen Rechte geltend macht, verläßt Floriane empört das Lokal. Auf dem Heimweg begegnet sie Faber und zwischen den beiden jungen Leuten entwickelt sich eine herzliche Freundschaft. Als Lingen davon hört, entzweit er sich in einer heftigen Aussprache mit Faber. Am Abend der Premiere sind beide Männer im Zuschauerraum. Während des Vorspieles bricht auf der Bühne ein Feuer aus. In wilder Panik flüchtet das Publikum, nur Faber und Lingen stürzen auf die Bühne, um das geliebte Mädchen zu retten. Die gemeinsame Gefahr, in die sich begeben, tilgt ihre Feindschaft. Als es ihnen gelungen ist, Floriane den Flammen zu entreißen, tritt Lingen freiwillig von seiner Werbung zurück.
Kritik (E. J., Film Kurier #244, 10/15/1930) :
Carl Froelich und die Seinen bieten das Ergebnis ihrer langen, schöpferischen Arbeit – sachlich wie diese Arbeit, ist die Art der Uraufführung : in drei Vorstellungen – dreimal die Bestätigung des Erfolges. Zuerst vor den Theaterbesitzern, die schleunigst – soweit sie es noch nicht getan – unter dem Eindruck der Premiere buchen. Starker Beifall in der Pressevorstellung – riesiger Applaus in der 9-Uhr-Vorstellung, vom zahlenden Publikum her.
Von Froelich wird berichtet, daß er nach der glanzvollen Premiere – zur Atelierarbeit gefahren ist, zur Nachtarbeit mit Albers.
In unserer heutigen Film-Situation ein „fortschrittlicher“ Film – –.
Carl Froelich organisiert zwar seinen Vorstoß ins Unübliche, Weitergehende mit Maßen – denn viel steht auf dem Spiel – langwierige Aufnahme-Arbeit, viel investiertes Kapital –; aber er geht über das Klichee hinaus distanziert sich vom Durchschnittsfilm erheblich und gibt wieder wie in seinem Erstling „Nacht gehört uns“ eine besondere Art im Gesamtgefüge.
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Von einer einheitlichen Stoff-Basis ist man nicht ausgegangen, nicht von einem ausgesponnenen, dramatischen Thema an sich – – man hat eine ganze Reihe von guten Vorsätzen, von erstrebenswerten Zielen vor Augen gehabt :
Musik-Film mit ausgesprochener Opern-Neigung; dramatischer Film mit Liebesgeschichte, Liebesrivalitäten –; Sensationsfilm mit Opernbrand; und zwischen alledem ausgestreut, was sich tonfilmisch greifbar machte, ohne allzusehr bei den Geräuschen herbeigezogen zu sein; ein. Arbeiter-Gartenfest mit Kinderchor und Kinderlachen eine Parforcejagd. Naturmotive also, die gerade beim ersten Film Froelichs aufhorchen machten. (Auch diesmal wieder; das deutsche Publikum ist der Büro-, Stube – Kammer-Küche-Sprechfilme müde. Er will auch Naturstätten oder Werkstätten sehen.)
Der Opern-Betrieb; in einer Mittelstadt.
Er wird nun hoffentlich zum letztenmal verfilmt, gern nehmen wir nach dieser freundlichen Aufzeigung endgültig Abschied. Vom Hinter-den-Kulissen-Zauber, den Probe-Scherzen, dem Kapellmeister in Hemdärmeln, der Vorhang-Luke, den streitenden Kollegen, dem Direktor mit seinen falschen Zitaten. Wohltuend sei des Feuers Macht. Schluß damit – denn besser kann man’s nicht bieten als hier, mit der Theaterfreude, die diese Filmleute wieder so auffällig unermüdlich bekunden.
In diesem fidelen Opernbetrieb zeigt Froelich einige ganz ernst zu nehmende Opernteile.
Schritt zum Opernfilm also ?
Nein. Es sind nur Fragmente, ein paar Tanhäuser-Bruchstücke. Einmal mit Rücksicht auf den Handlung-Fluß nur in ganz markanten Takten des Einzugs der Gäste und des Sängerstreits, sowie des Pilgerchors festgehalten, dann aber mit Rücksicht auf den Ort der Handlung in einer bewußt provinziell angestrichenen Handlung, langer Rauschebart des Landgrafen, Kostümfülle und Wackel-Kulissenrahmen vor der Wartburg.
Man hat also nicht den „reinen“ Eindruck verfilmter Oper.
Froelich will ihn ja gar nicht. Die Tannhäuserfetzen sind Staffage und Akzente für den Auftakt, die Milieu-Ankurbelung und die Musik aus „Hoffmanns Erzählungen“ ist doch nur als Schlager-Ersatz aufgeteilt, so geschickt und charmant es auch durchgeführt ist – Offenbach für die Debütantin mit der Taubenarie, für den „Gast“ aus Berlin, für die intimen Probeszenen mit dem Liebesduett. (Eine der verarbeitetsten, stimmungechtesten Szenen.)
Dies ist kein Opernfilm. Das Problem steht noch offen – die Maschinen sind noch nicht gut genug, um heute schon Opernfilme zu drehen : soll eine Tonfilm-Oper durch störrische Lautsprecher und schlechte Aufnahmeregistrierung a priori diskreditiert werden ? Bessert erst die Maschinen – ! In den nächsten Monaten.
Spreche man hier also von „Musikfilm“.
Froelich hat die Neigung zur Musik. Er hat Courage zur Ouvertüre. Mut zu einer musikalisch illustrierten Traumphantasie. Musik soll hier ein wesentliches Element des Films bilden : schade, daß ein offenbar für den Film recht unschöpferischer Mitarbeiter – Hanson Milde-Meißner – zur Seite stand.
Dieser Musikant kann gut schneiden – aber nicht erfinden. Konventionell die Einleitungsparaphrase – – noch flacher die fieberfreie Traum-Musik. Eine verpaßte Gelegenheit.
Und Bruno-Seidler-Winkler – – wozu dieser überhastete Trapp-Trapp-Tannhäuser ? Warum dieser Mangel an dynamischen Feinheiten ? (Weil es Provinz sein soll ?)
Dies der musikalische Komplex. Die Musik-Atmosphäre, die bei Froelich nicht unwesentlich, allerdings nicht so durchdringend ist, um die Grenzen zu verwischen, die zwischen den einzelnen Exerzierplätzen seines Wollens und seiner Fähigkeiten liegen.
Denn nur dies ist gegenüber den sehr bemühten, angestrengten Autoren W. Reisch und W. Supper zu vermerken : sie schaffen diesen verzweigten, viel bietenden Film nicht aus einem Einheitlichen Raum der Phantasie.
Der „Handlung“, den Geschehnissen fehlt der innere Zwang. Die Jungens, die da singen, die Parforcejagd, die geritten wird, das Theater, das da abbrennen muß – – das Liebespaar, der reiche Blödrian, . . . da steht Ereignis neben Ereignis, Motiv nach Motiv. Ei fehlt der geheimnisvolle, gemeinsame Pulsschlag, der durch das Drama treibt.
Sehr künstlich die Zusammenfügung von Liebespaar – Die junge anständige Sängerin, die avanciert, der Privatsekretär, der sie anstatt seines reichen Herrn liebt – – und Opernbrand. Jedes für sich fesselnd, ja hinreißend.
Die Geschichte zwischen den drei Menschen ganz einfach gehalten – geschickt geführt – mit guten Dialogpointen. Und wem dies alles zu „musikalisch“, zu trivial, zu flüchtig, zu locker, den peitscht der Opernbrand aus seinen Träumen :
Wirklich eine Sensation. Atemraubend.
Losbrodelnd – mit dem Urberliner Bühnenarbeiter beim schmauchenden Transformator, der überlastet – – dann die Explosion. Flammenfontäne, grausig, Hochzüngeln, glühende Lohe am Vorhang, den Sofitten, schwarze Aschelumpen fallend durchs Flammenmeer – großartige Reproduktion der Kameraleute F. A. Wagner, Reimar Kuntze – Panik oben auf der Leinwand. Doch der Regen kommt von oben . . . es geht friedlich aus. Theaterbrand zum Zwecke des happy end.
– nach einer Traumszene, die zeigt, wie Froelich noch gondelt zwischen Konzession und Gestaltungszwang, allzu billige Fiebersymbole neben gelungener Schreckvision. (Und die Musikfadheit . . .) Das Tipfelchen fehlt auf dem i-Punkt hier.
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Für die Darstellung ist Froelich der sicherste, besonnene Führer. Hat zwei große Trümpfe für das Publikum : Gustav Froelich und Gustav Gründgens.
Froelich die Natürlichkeit selbst, ungekünstelt, mit beiden Beinen auf der Erde und mit der Sprache im Leben des Alltags. Eine bezwingende Leistung.
Gründgens – beinahe eine pathologische Studie, deutlicher haut goût; färbt sich aber ungemein gewandt langsam auf sympathischer Linie, als das Theaterfeuer seinen Ueber-Reiche kuriert : Gründgens wird für den Sprechfilm vielseitig verwendbar, wenn man ihm die Kinodämonie und das allzu billige Fatzkentum untersagt . . .
Der „dritte Page“, der zur Solo-Rolle avanciert : Alexa Engström. Durchaus für die beharrliche Tugend ihrer Floriane geeignet : fraulich dabei, gut anzusehen, mit einem pointierten, klingenden Sprechton. Beherrscht die leichte Scala des Drolligen, Innigen. Genug für diese Aufgabe. (Ob sie mehr kann, wenn sie der väterlichen Obhut dieser Regie entflogen ?)
ln der unübersehbaren Reihe der Mitwirkenden :
Arthur Kistenmacher, der als aller Korrepetitor die intimste Szene mit dem Bacearole-Duett zum Erfolg führt. – Paul Mederow – der mehr kann als geschickte Stichworte für Hans Peppler bringen, dessen Theaterdirektor zu hart, zu amusisch wirkt : mehr Inhaber des Theaterrestaurants als Theaterleiter.
Ferner : Hadria Maria Netto, Julius Falkenstein, Gertrud Arnold. Von den Sängern : die Jarmila Nowotna, die ihre Koloraturen mit Anmut bietet, soweit die Donner-Maschine es gestattet. Tannhäuser-Sänger : Vöge, Engels, Appels.
Man hat sich leider abgewohnt, den technischen Mitarbeitern mehr als ein Gesamtlob zu widmen. Es ist ein Unrecht, gewiß – : denn gerade in diesem Film müßte z. B. der Gesamtausstattung von Hans Schroedter, dem Tontechniker Massoll und seinem Stab manches Prinzipielle nachgerühmt werden – aber auch manches Fragezeichen wäre hinter die offenbare Ungleichheit der Tobis-Aufnahmen zu setzen.
Hinter den ganzen Film gehört : ein Ausrufungszeichen, die Bejahung der Leistung eines Unabhängigen, der dem Kino wieder einen wertereichen Film brachte.