Originaltitel: Flachsmann als Erzieher. Komödie 1930; 82 min.; Regie: Carl Heinz Wolff; Darsteller: Paul Henckels, Alfred Braun, Charlotte Ander, Hedwig Wangel, Carl de Vogt, Kurt Lilien, Gustav Rickelt, Mathilde Sussin; National-Klangfilm.
Ein Schulleiter, verknöcherter Rückschrittler und Pedant, schikaniert einen modern eingestellten Lehrer, zieht ihn schließlich in Disziplinaruntersuchung. In deren Verlauf aber kommt an den Tag, daß der Schulleiter sich seine Stelung mit Hilfe der Zeugnisse seines verstorbenen Bruders erschwindelte. Er wird fortgejagt. Der Lehrer tritt an seine Stelle und heiratet eine Kollegin.
Zusammenfassung
Flemming, ein modern denkender Mensch, geht völlig in seinem Beruf als Lehrer auf. Mit meinen Anschauungen von den Aufgaben und Pflichten eines Erziehers steht Flemming in schroffem Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, Rektor Flachsmann, und dessen Günstling, dem Lehrer Diercks. Flachsmann sammelt eifrig Material, um Flemmings Stellung zu erschüttern.
Oberlehrer Kleinmüller stirbt unerwartet. Zur Beförderung kommen nach den Dienstjahren nur Flemming und Diercks in Frage, und Diercks hat anscheinend die Mittel, Flachsmann zu zwingen, seine Ernennung durchzusetzen. Es kommt zwischen Flachsmann und Flemming zu einem Zusammenstoß, worauf der Rektor gegen den jungen Mann das Disziplinarverfahren einleitet.
Schulrat Prell trifft ein. um den „Fall Flemming“ zu untersuchen. Der erfahrene Schulmann erkennt sofort, auf wessen Seite die Schuld liegt. Und als er sowohl dem Rektor Flachsmann als auch dem Lehrer Diercks Unredlichkeiten nachweisen kann, werden beide sofort entlassen und Flemming wird als neuer Leiter der Schule eingesetzt. Vor der Abreise kann der Schulrat noch dem jungen Rektor zu seiner Verlobung mit Fräulein Gisa Braun, der Kollegin Flemmings, gratulieren.
Kritik (E. J., Film Kurier #265, 11/08/1930) :
Die Lehrer-Komödie von Otto Ernst filmisch aufgelockert – wegen der Jugend, deren heller Klang sympathisch das Mikrophon füllt und wegen der Lehrer-Typen, gegen die auch heute noch das in tyrannos gilt.
Den Autoren Franz Rauch und Michel Urak gelang die szenische Auflockerung des Theaterstücks namentlich in den einleitenden Akten.
Vertrautes Schulleben hebt an, mit Turnübungen, flottem Dauerlauf und Lied, Schulkorridoren und Schulbänken, der mahnenden Glocke, die zum Unterricht läutet, – –
Eintritt des Lehrers in die Klasse, Aufstehen – Setzen . . . sakrale Handlungen, die trotz aller Schulreform zu den Zeremonien der Schulwelt gehören.
Der selige alte Flachsmann-Stoff gibt also immer noch Anlaß zum (zahmen) Protest gegen den Muff in der Schule, zum Sieg des „edlen“ Lehrers und der gerechten Behörde über die Bildungs-Schuster. Alles in Lyrik versteht sich und mit der breit ausspielenden Theaterpose – – Zeitkritik, ein moderner Schulfilm (wie notwendig und dankbar wäre er !) ist nicht beabsichtigt.
Man will unterhalten. Und das Publikum erinnert sich dann auch gern und hörbar seiner eigenen Lehrzeiten, lang, lang ist’s her, nimmt an den gutmütigen und böswilligen Lehrerdisputen freudigen Anteil und gibt Beifall, wenn mit Alfred Braun die Gerechtigkeit siegt.
Der Carl-Heinz-Wolff-Produktion ist Anerkennung und Ermunterung nicht zu versagen. Sie rangiert sich mit der Wahl des Themas, mehr noch mit der sympathischen Inszenierung in die ernstzunehmenden Produktionen. Verzichtet in diesem Werk auf allen Kaleika des Tonfilms, kein Mensch Schlager ! keine Jazzband tönt.
Für sein Flachsmann-Ensemble hat Carl Heinz Wolff die geeignetsten Darsteller gefunden. C. H. W. hat seine Chance wahrgenommen. Man sieht, nichts ist unmöglich, man kann 4341 Filme inszenieren (waren’s soviel ?) und plötzlich doch noch etwas zugelernt haben. Ein alter Theaterhase fühlt sich eben beim Sprechfilm wohl.
In vielen Szenen fühlt er sich sogar viel zu wohl und dehnt, dehnt, dehnt die Lehrer-Dispute, namentlich zwischen Flachsmann und Diereks, als seien sie für die Ewigkeit parliert.
Am wirksamsten in dieser Volksschule der Gutangezogenen („verwahrlosten Kinder“ – wo sind sie ?) die humoristischen Lehrertypen, nicht einmal Karikaturen, der Ehrenfeste mit der Bierflasche: Carl de Vogt, sehr gut – – der gefährliche Typ mit der Skatidee im leeren Schädel, Hans Steinberg – – ein sympathischer Junglehrer Rolf Weih – – (beide riesigen Sonderapplaus für ein paar Scherzworte; gute Kontraste – – jung und alt). Curt Lilien: der klassische Pedell. Jeder Satz ein Lacher.
Der Kontrast gut und böse, schwarzer Lehrer, weißer Lehrer, ist bei Paul Henckels und Alfred Braun auf die einfachste Linie gebracht. Henckels – eine mimisch bis ins letzte gefeilte Paradeleistung, dazu glucksend mit dem empörten Ton des zornkollernden Hahnes, der anrüchige Pedant, der er sein muß.
Alfred Braun – mindestens für sein Berliner Publikum eine Sensation, hier sprachlich ganz auf schlicht gestellt, vorbildlicher Mikrophonbeherrscher, in jeder Silbe deutlich ohne prononciert. zu sein, merkwürdig gehemmt nur in Aeußerlichkeiten, der Geste, des Ganges (des fast schüchternen Liebhabers). Dabei haben ihn Georg Muschner und A. Hansen schon sorgfältiger photographiert denn je. Aber warum läßt man ihn als Flüsterbaß Claudius rezitieren ? Karl May hätte den Jungens besser gefallen.
Daneben: Gustav Rickelt, Charlotte Ander, Hedwig Wandel, Mathilde Sussin, Wilhelm Krüger. Leo Reuß schmuggelt in die Volksschule einen gefährlichen Unterwelttyp ein, sehr brauchbar für solche Charaktertypen, aber nicht in diesem Film. Die Technik befriedigt. Produktionsleitung: Alfred Kern. Tonkamera: Walter Rühland. Bauten: W. A. Hermann. Freundlichster Beifall.