Him or Me

Originaltitel: Er oder ich. Abenteuersketch 1930; 87 min.; Regie: Harry Piel; Darsteller: Harry Piel, Valerie Boothby, Hans Junkermann, Eduard von Winterstein, Hermann Vallentin, Olivia Fried; Ariel-Tobis-Klangfilm.

Ein italienischer Graf hat in dem gesuchtesten Hochstapler und Dieb der Riviere einen Doppelgänger, der auf dem Schlosse seines Onkels seine Braut ausplündert, während der Graf mit einer mondänen Detektivin flirtet, die ihn für den Gauner hält und verhaften will. Schließlich rettet der Graf seine Braut aus den Händen des Doppelgängers und schlägt diesen knock out.

Zusammenfassung
Der große Passagierdampfer hat im Hafen von Genua angelegt. Die Passagiere gehen von Bord. Unter ihnen eine sehr elegante junge Dame – Yvette Baradow – und, ihr verliebt folgend, ein Herr, den der Steward beim Abschied „Herr Alberti” nannte.
Am Kai spricht der Herr die Dame höflich an, aber sie will nichts von diesem „Herrn Alberti” wissen. In diesem Augenblick wird der Herr von zwei Kriminalbeamten als der berüchtigte Hochstapler Carlo Moreno verhaftet!
Yvette Baradow erfährt durch die Umstehenden, welch guten Fang die Beamten gemacht haben, – sie ist plötzlich sehr interessiert und bedauert es scheinbar, dem vermeintlichen „Herrn Alberti” einen Korb gegeben zu haben.
Im Polizeipräsidium hält der diensthabende Kommissar dem Verhafteten triumphierend sein Sündenregister vor: „Was haben Sie hierzu zu bemerken?” Der Verhaftete lächelt: „Ich finde das alles sehr amüsant, aber leider bin ich nicht der gesuchte Carlo Moreno! Ich bin Prinz Egon von Valona und reise inkognito unter dem Namen Alberti!” Der Kommissar glaubt ihm nicht, er zeigt dem Verhafteten die Photos Morenos – ein Zweifel scheint unmöglich! Da überreicht ihm dieser seinen Prinzenpaß, und gleichzeitig kommt vom Bahnhof die Meldung, daß Kriminalbeamte dort soeben einen Kampf mit Moreno hatten. Leider ist er ihnen entwischt.
Unter vielen Entschuldigungen wird Prinz Egon freigelassen . . .
Auf dem Bahnhof begegnet Yvette Baradow wieder dem Prinzen. Sie schwärmt ihn, den sie für Carlo Moreno, den großen Hochstapler hält, romantisch an und bittet ihn, doch mit ihr nach Mailand zu reisen. Prinz Egon, entzückt, daß er als „Hochstapler“ endlich Erfolg bei Yvette hat, spielt ruhig die Rolle des Carlo Moreno weiter und eilt in das Schlafwagenabteil seines Zuges, um seine Handtasche in Yvettes Zug hinüberzuholen. In seinem Abteil schreibt er rasch noch ein Telegramm. Da öffnet sich leise die Tür zum Waschraum – Carlo Moreno steht im Eingang und beobachtet den Prinzen, seinen Doppelgänger. Er stiehlt ihm den Paß, und als der Prinz dem Schaffner das Telegramm gegeben hat und sich gerade mit dem Gepäck entfernen will, verstellt ihm Moreno drohend den Weg. Verblüfft steht der Prinz seinem Doppelgänger gegenüber. Sie werden aber rasch einig. Egon überläßt Moreno sein Abteil mit Fahrkarte zur Flucht über die Grenze, er selbst steigt unbemerkt in den Zug Yvettes um.
Moreno läßt sich rasch das Telegramm vom Schaffner wiedergeben, und schreibt es um. Dann läßt er das Telegramm aufgeben. Kurz darauf verlassen beide Züge nach verschiedenen Richtungen die Halle…
Moreno kommt in der Villa Tirana an. Er will sofort einen großen Coup landen und fordert als vermeintlicher Prinz von dem Vermögens Verwalter, Baron Hohenberg, sofort eine große Summe, die er angeblich als Spielschuld zu bezahlen hat. Baron Hohenberg eröffnet ihm, daß die Kasse völlig erschöpft sei. Moreno ist höchst unangenehm berührt. Da zeigt ihm der Baron eine herrliche schneeweiße Luxusyacht in der Bucht . . . Der Millionenschwere Schiffsreeder Wilken ist mit seiner Tochter Eveline wieder angekommen. Eveline bereut, dem Prinzen vor seiner Abreise damals einen Korb gegeben zu haben und will sich mit ihm wieder versöhnen. – Ein Bild Evelines, das sie mit dem berühmten Romanow-Perlenkollier zeigt, bringt Moreno zu dem Entschluß, auf der Yacht seine Rolle als Prinz Egon weiterzuspielen, um vielleicht doch zu dem gewünschten Fang zu gelangen.
Inzwischen hat Prinz Egon mit Yvette einen vergnügten Bummel durch die Nachtlokale Mailands gemacht . . . Sehr animiert kehrt er mit ihr ins Hotel zurück. Yvette flüstert ihm zu, daß sie ihn in ihrem Zimmer erwartet, und während Egon vergnügt noch eine Flasche Sekt besorgt, versteckt Yvette in ihrem Salon einen Revolver unter dem Diwankissen und wechselt mit im Nebenzimmer verborgenen unsichtbaren Leuten geheimnisvolle Worte. Dann bittet sie den eintretenden Egon, ihr endlich etwas von seinen Abenteuern zu erzählen. – Egon sträubt sich begreiflicherweise, aber sie bettelt und schmollt, sie möchte besonders gern wissen, ob er auch die Taten des geheimnisvollen „Marquis Savarin“ begangen habe. Er, um das Thema recht bald wechseln zu können, gibt alles zu, was Yvette wissen will, – plötzlich funkelt ein Revolver vor seinem Gesicht, Yvette erklärt mit ganz veränderter Stimme: „Sie sind verhaftet, Carlo Moreno!“ Aus dem Schlafzimmer betreten Kriminalbeamte den Salon und fesseln den völlig verdutzten Egon.
Moreno lockt am nächsten Morgen Wilken von Bord der Yacht und sperrt ihn mit dem Hofrat in ein altes Turmgemach und begibt sich selbst auf das Schiff, wo er von der völlig überraschten Eveline mit großer Freude empfangen wird.
Während er im kleinen Schiffssalon mit ihr Tee trinkt, betäubt er sie mit Hilfe einer Opiumzigarette, raubt ihr den Perlenschmuck und will gerade vom Schiff verschwinden – da erfährt er durch das Radio, daß Prinz Egon für ihn verhaftet, aber nach Feststellung seiner Person wieder freigelassen wurde. Die Polizei sei dem echten Moreno bereits auf der Spur! Sofort begibt sich Moreno an Deck und befiehlt, mit Volldampf zu einer kleinen Vergnügungsfahrt in See zu stechen.
Wilken und der Hofrat entdecken, daß sie eingeschlossen sind, haben Lärm geschlagen und erhalten bei ihrer Befreiung Nachricht von der mysteriösen Radiomeldung, die man auch in der Villa Tirana gehört hat. – Entsetzt stellt Wilken fest, daß die Yacht aus der Bucht verschwunden ist, sie sind also alle einem Betrüger zum Opfer gefallen.
In diesem Augenblick erreicht sie ein telefonischer Anruf des Prinzen aus Mailand, sie berichten ihm das Vorgefallene. Der Prinz chartert sofort ein Wasserflugzeug und begibt sich auf die Suche nach der Yacht, die er schließlich nahe der Küste entdeckt.
Aber auch Moreno ist auf das Flugzeug aufmerksam geworden. Er läßt die Maske des Prinzen fallen und zwingt den Steuermann mit vorgehaltenem Revolver, sofort das Ufer anzusteuern, boxt die sich ihm entgegenstellenden Matrosen nieder und springt auf einen ins Meer ragenden Felsen, an Land verschwindend.
Egon nimmt sofort die Verfolgung Morenos auf – Eveline folgt Egon an Land.
Moreno hat inzwischen vor einer Garage ein Rennmotorrad gestohlen – saust damit los –, aber das Hinterrad der Maschine ist nicht vollständig montiert, es kann jeden Moment herausfliegen.
Egon und Eveline folgen in einem rasch beschafften Auto, eine wilde Jagd entspinnt sich – Moreno saust mit der Maschine in das Meer, aber schwimmend erreicht das Ufer und verschwindet im nahen Wald. Doch Egon sucht die ganze Gegend nach ihm ab, bis er schließlich eine kleine Jagdhütte entdeckt. Eveline beschwört ihn, draußen zu bleiben, aber er geht doch hinein – da fällt die Tür hinter ihm ins Schloß – und nun hört Eveline die wüsten Geräusche eines tollen Kampfes – Schüsse krachen – dann wird es ganz still –
Eveline steht wie gelähmt – – –
Da saust ein Auto heran, der Steuermann mit einer Anzahl Matrosen erscheint, – in diesem Augenblick öffnet sich die Tür, und einer der beiden Doppelgänger kommt heraus – als Sieger – mit zerissenem Anzug, wirrem Haar. Eveline und die Männer surren ihn ratlos an: welcher von beiden ist es?? . . .

Kritik (E. J., Film Kurier #281, 11/28/1930):
Die richtige Grundeinstellung Harry Piels zum Sprechfilm: Natur und Luft hinein in die Filme – und den Menschen den Redefaden kürzen. Laßt Bilder und Bild-Sensationen sprechen.

Piel hat so oft immer mal wieder von vorn angefangen. Hat immer wieder eine neue Aufwärtssträhne erwischt, sein Genre immer wieder hochgebracht. Wie stand er in Gunst mit seinen flott gebildeten letzten Stumm-Filmen? Er wirds auch beim Tonfilm schaffen. Obwohl auch er hier noch in Anfangs-Ungewißheit.
Richtig also seine Grundeinstellung: Schau-Plätze des Films in Genua, Mailand, Rapolla zu wählen. Sonne auf Seen, Landsitzen, bewohnten Ufern, Felsenstraßen. Hafenstimmung, Bahnhofsfreuden. Weltbild gegen Atelierenge. Sehr erfreulich.
ln diesem geweiteten, gern betrachteten Film-Milieu passieren die guten, unverwüstlichen Tricks seiner Sensationsfilme: verfolgte Verbrecher, wildes Nachsausen zu Wasser, Land und Luft. Diesmal durchgeführt mit dem Doppelgänger-Motiv.
Der Verbrecher gibt sich für die Hoheit aus, der er haargenau gleicht – und die Hoheit wird als angeblicher Verbrecher natürlich von der Polizei, von der Privatdetektivin und Co. eingelocht. Der echte Verbrecher betäubt derweil ein nettes Mädel mit Opium, stiehlt Juwelen, rückt mit der Jacht aus, bis nach einer fürchterlichen Keilerei der Echte die rechte kriegt.
Hans Rameau, der Autor, hat Freude an der Ausspinnung des Komödienhaften: Wie die vermeintliche Hoheit ins Schloß der Väter zieht und nicht recht weiß, wie Entlarvung verhüten und Geld zu stehlen. Genutzt sind Heiterkeiten, die da möglich, nicht ganz. Der sonst so flüssige Rameau wirkt – tonbelastet – schwerfälliger. Und Piel, dem Regisseur, fehlen noch Dialogformer, Einfallsförderer, Tempoantreiber. So berechtigt das Streben nach Dialogknappheit (Produktionsleitung: Victor Klein).
Daß er Deutlichkeit, Deutlichkeit, Deutlichkeit und verständliches Stumm-Ausspielen verlangt, verursacht szenenweise Dehnung und Ueberbetonung: So sehr ihm diese Verständlichkeit das Volkskino danken wird. Mehr angekurbelt werden müssen die Konversation, das Harmlos-Entspannende, das ihm beim stummen Film zwischen den Sensationsteilen so gut gelang. Aus dem Handgelenk das begleitende Wort schütteln – und nicht die Zeitlupen-Fragen und Antworten mit Innen-Spiel kultivieren.
Auf belebte Stumm-Vorgänge legt dieser Film größten Wert. Geräuschkulissen sind geschickt verwandt. Bild-Kamera: Ewald Daut. Ton: Charles Metain.
Aber welche Zukunft wartet da noch der Ton- und Geräuschverwendung beim Sensationsfilm. Wenn Geräusch und Ton in Gegensatz zur sichtbaren Handlung gestellt werden, wenn ihre Kontrastschrecken den Hörer aufscheuchen. Beim Auto und Flugzeug wirkt der Motoren-Ton als selbstverständlich und daher weniger aufregend. Die starke Wirkung solcher Geräusch-Bewegung setzt erst ein, wenn irgendeine Reaktion des Gehörten optisch ausgedrückt wird.
Etwa wie in diesem Film bei der Keilerei, die man aus einer Hütte vernimmt. Unglaublich aufregend und schreckend allein die Geräusche und Schreie, die man nur hört. Das Publikum kann sich kaum auf den Sitzen halten. Eine packende Tonstudie Piels. (Nur schade, daß diese Szene recht unmotiviert eingeleitet und beendet wird).
Grund genug, den Piel-Film, den der deutsche Kino-Spielplan nicht entbehren kann und will, auf die noch wenig genutzte Ton-und Geräuschdramaturgie für den Sensationsfilm aufmerksam zu machen. Die leichten und kühnen Pantomimen des Halsgefährlichen und Akrobatischen können in ihrer Art vollkommene Unterhaltungsstücke werden, wenn man den, – um des Himmels willen auch nicht zu überschätzenden – Ton noch bewußter in die Gesamtkomposition einsetzt.
Ohne das Stummfilm-Vivace zu verlieren, Geräusch und Ton als Antreiber, Paukenschlag, Draufloshauer einstürmend und mitreißend – – für den Sensationsfilm ein lohnendes Arbeitsziel.

Viel Beifall schon für den ersten D.L.S. Pieltonfilm – namentlich für den Darsteller Piel. der seine beiden Ichs sprachlich vorsichtig zurechtlegt und abgrenzt. Den Verbrecher mit einem Schuß Albers, die Hoheit mit noblesse Oblige.
Das darstellerische Drumherum bestreiten amüsant und souverän über das Mikrophon Eduard von Winterstein, Hans Junkermann, Hermann Vallentin. Daneben gute Episoden. Ernst Morgan (stets diskreter, verwendbarster Paul-Ersatz; Hollywood, du siehst: wenn einer dir verfällt, stehen Brüder uns auf), Hugo Döblin, Willi Kaiser-Heyl, Forescu, Rehkopf, Wallner.
Sprechfilmdebutantin: Valerie Botby.
Keine allzu dankbare Rolle, die sie noch übervampt. Ihr Episodentalent nicht überschätzen! Die ersten Filmschritte überhaupt wagt: Olivia Fried. Herrliche Entschuldigung, sie ist jung und für Auge wie Kamera ein Objekt voller Reize. (Doch dem Sprechfilm gewinne man Talente.)
Unauffällige Helfer: Der Musiker Fritz Byjacco, der Architekt Neppach (Aufführung: Schorf),
– und für Piel, erster Schritt im Neuland, Studien-Basis zum Aufbau – (Siehe oben –: „Aufwärtssträhne“).
Seine Getreuen rufen ihn nach jeder Vorstellung vor die Rampe.

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