Josef the Chaste

Originaltitel: Der keusche Josef. Posse 1930; 74 min.; Regie: Georg Jacoby; Darsteller: Harry Liedtke, Elga Brink, Paul Heidemann, Henry Bender, Felix Bressart, Iwa Wanja, Ossi Oswalda, Grete Natzler, Ida Wüst, Paul Westermeier; D. L. S.-Tobis-Film.

Ein Rittmeister a. D. hat einem Onkel Geld für ein Kunstdüngergeschäft abgeschnorrt, sich dessen Tochter unter dem Namen eines befreundeten Malers vorgestellt. Daraus entstehen trotz der erotischen Harmlosigkeit des Helden die tollsten Abenteuer mit Frauen, bis er im Hafen der Ehe landet.

Zusammenfassung
Juccundus von Möller hat bei der Kavallerie einst den ironischen Spitznamen „Der keusche Josef” gehabt, weil er der tollste Schürzenjäger des Regiments war. Auch heute noch ist der ehemalige Rittmeister ein Windhund. Er hat zwar die Berliner Vertretung seines Onkels August Müller, Kunstdünger A. G. aus Stallupönen. Dieser Kunstdüngeronkel, der kein „von“ vor seinem Müller hat wie Juccundus, ist sehr erfreut darüber, daß die hochnoble Verwandschaft, die jahrhundertelang geringschätzig auf die „vonlosen“ Müller heruntersah, zu Kreuze kriechen muß. Juccundus ist aber unverbesserlich geblieben. Er hat nicht den Kunstdünger seines Onkels in Berlin umgesetzt, sondern ist zuerst einmal zu seiner Erholung nach Lausanne gefahren, dem Dorado der Mädchenpensionate. Wundern Sie sich, lieber Leser, daß Jukki – wollen wir ihn ruhig so nennen wie seine zahllosen Freundinnen – in Lausanne die Bekanntschaft der reizenden Jacqueline Citroen gemacht hat ? Wundern Sie sich etwa weiter, daß er sich seines ehrlichen Namens Müller schämt und um Eindruck zu schinden, den Namen seines Freundes, des Malers Heiligenstamm, annahm ? Nun wäre diese kleine Gelegenheitslüge ja nicht so schlimm, wenn nicht auch Jacqueline geflunkert hätte. Sie ist nämlich Thekla Müller, Onkel Augusts einzige Tochter, also Jukkis ihm fremde bürgerliche Cousine. – Selbstverständlich kommt Heiligenstamm, dessen Atelier sich neben der eleganten Junggesellen- wohnung Jukkis befindet, hinter den Mißbrauch seines Namens. Selbstverständlich schwört Jukki, daß Thekla die einzige Frau sei, die noch für ihn in Frage komme. Selbstverständlich sind aber noch einige andere Frauen da, für die er in Frage kommt. Da ist nämlich Lolotte, eine große Angelegenheit im Leben Jukkis. Aber offengesagt, auch Kitty ist eine ganz große „Angelegenheit.“ Getrennt von einander, vertragen sie sich gut. Wenn aber Kitty ausgerechnet an dem Tage unerwartet von ihrer abgebrochenen Tournee zurückkehrt, an dem Lolotte sich sehr häuslich bei Jukki niedergelassen hat, so wird die Sache schon etwas peinlicher. Jukkis Lebenszweck an diesem Vormittag ist die Kunst, Lolotte loszuwerden, bevor Kitty eintrifft. – Glücklicherweise gibt es das Institut für „Galante Nothilfe“, das auf Telefon-Anruf einen „Provinzonkel“ stellt. Wenn der vor der Tür steht, wird Lolotte wohl oder Übel das Weite suchen. – Wenn aber alles schiefgehen soll, dann kommt der richtige Onkel, nämlich der gute Onkel August, und wird für den engagierten Provinzonkel gehalten. – Der arme Jukki muß zu den fürchterlichsten Ausflüchten greifen, wenn nun der echte und der falsche Onkel aufeinander platzen. Aber für ihn ist an diesem denkwürdigen Vormittag noch mehr Unheil im Schoße des Schicksals vorgesehen. Seine angebetete Thekla, die angebliche Jacqueline Citroen, besucht den Maler Heiligenstamm und kommt dazu, wie sich eben eine neue kleine Angelegenheit, nämlich ein Aktmodell, vor Herrn Heiligenstamm auszieht. Herr Heiligenstamm ist aber garnicht Herr Heiligenstamm, sondern Jukki, und Thekla merkt, welch ein „keuscher Josef“ ihr Zukünftiger ist. – Wenn aber Herr von Müller Herrn Heiligenstamm spielt, dann muß notwendigerweise Herr Heiligenstamm Herrn von Müller spielen. Unter diesen Umständen ist ein gemeinschaftliches Frühstück schon deshalb ein gefährliches Glatteis, da dem Onkel August seine eigene Tochter als Mademoiselle Jacqueline Citroen aus Lausanne vorgestellt wird. Es ist eine ungemütliche Stimmung, wenn jeder den anderen mit einem falschen Namen ansprechen muß. – Will man sich aber eine Frau auf den Hals hetzen, so muß man ihr nur dringend sagen lassen, sie solle ja nicht kommen. Sie erscheint sofort, besonders, wenn sie Kitty heißt und von Beruf Messerwerferin ist. – Für eine derartig eifersüchtige Artistin genügen auch gewöhnliche Salatbestecke. Es bleibt dem unerhörten Geschick des „keuschen Josef“ Vorbehalten, aus dieser Situation heraus sich mit Thekla Müller, seiner Cousine, zu verloben. – Weniger jedoch kann für einen derart kühnen Frauenjäger die Devise gelten: Hochzeit machen, das ist wunderschön, denn es macht nichts, sich vier Wochen lang vor allen weiblichen Anhängerinnen zu verstecken und die beabsichtigte Hochzeit streng geheimzuhalten, wenn Onkel August stolz am Hochzeitsmorgen in der Zeitung verkünden läßt, daß seine Tochter Frau Juccundus von Müller wird. – Uebrigens freut sich August ganz umsonst, daß die hochadlige Linie derer von Müller sich herabläßt, der Vermahlung zwischen dem ehemaligen Rittmeister und der Kunstdüngertochter beizuwohnen. Die ganze Sippe sagt ab, und die „Galante Nothilfe“ stellt per sofort lieferbar Generale, Diplomaten, adlige Tanten – das blaue Blut spritzt nur so. Nun ist es im allgemeinen Sitte, als Bräutigam völlig angekleidet zum Standesamt zu gehen. Die Sache gestaltet sich jedoch schwierig, wenn die entthronte Kitty racheschnaubend die schöne Cutawayhose zum Fenster hinauswirft. Auch Sahnentorten sind als Wurfgeschoß nicht ungefährlich, wenn sie von der Höhe eines Treppenhauses herab auf einen Frack geschleudert werden. Dieser Frack gehört natürlich Onkel August Möller. In diesem Zustand kann August nicht vor die Augen der feudalen Verwandschaft treten. Glück im Unglück, daß Krause, Jukkis Diener, ehemals Wachtmeister, seine erste Garnitur mit den hohen Reitstiefeln bereitgelegt hat, um würdig auf dem Hochzeitsfest zu erscheinen. Onkel August war niemals in seinem Leben Soldat und es wird ein ewiges Geheimnis bleiben, wie er in die riesigen Kürassierstiefel hineinkam. Ein Blick in den Spiegel überzeugt ihn, daß er in diesem Aufzug ebensowenig vor dem hohen Adel erscheinen darf wie in seinem besahnten Frack. – Aber wen die Götter verderben wollen, dem stellen sie jedes Hindernis in den Weg. So kommt es dazu, daß der Brautvater in der Kürassieruniform schließlich unter dem Tisch des Hochzeitsbanketts landet und vergeblich einen Ausweg aus den vielen Beinen sucht. Aber auch oben an der Hochzeitstafel sieht es nicht sehr gemütlich aus, denn die racheschnaubenden Geliebten a. D., Kitty und Lolotte, haben sich von der „Galanten Nothilfe“ engagieren lassen, um vor dem entsetzten Jukki, der sich endlich in Sicherheit glaubte, als Tanten zu erscheinen. Wenn Eizes, der Prokurist der „Galanten Nothilfe“, den General Theodosius spielen muß, wenn Kitty an der Hochzeitstafel sich entkleidet und unter dem Tisch der Brautvater als Kürassier erscheint, so kann man sich denken, daß die Kluft zwischen den „vonlosen“ Müllers aus Stallupönen u. der angeblichen Adelsverwandtschaft auch für die nächsten Jahrtausende unüberbrückbar ist. – Aber trotz aller Gegenminen Kittys und Lolottes kann Jukki schließlich doch mit seiner Thekla die Hochzeitsreise antreten.

Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #223, 09/20/1930):
Natürlich ist der Josef gar nicht keusch sondern ganz im Gegenteil ein flotter Junge mit Schwerenöterlächeln, gespielt von Harry Liedtke. Friedrich Raff und Julius Urgiß lassen ihn eines Tages die Frau kennen lernen, um derentwillen er seine bisherigen Alliancen lösen will.
Da die beiden Freundinnen keineswegs kampflos das Feld räumen, da überdies die beiden Liebenden sich unter falschem Namen vorstellten, was zu allerhand Verwechslungen Anlaß gibt, da überdies eine Hochzeitsgesellschaft zur Hälfte mit sich entsprechend benehmenden Statisten aus einem Institut für „galante Nothilfe“ besetzt wird, so kann man sich ungefähr vorstellen, was sich in dieser Posse an Situationskomik tut.
Das Publikum amüsierte sich königlich, es wurde fast ununterbrochen gelacht, so stark, daß stellenweise die Dialoge im Lachen untergingen und die Lacher energisch niedergezischt werden mußten.
Die Autoren haben für einen derartigen Film, der weder für feine Nerven berechnet ist, noch übermäßige Ansprüche an Niveau berücksichtigt, gerade das richtige Buch geliefert. Und Georg Jacoby hat derb zugepackt, flott und frisch das lärmende Geschehen inszeniert und keine Leere aufkommen lassen.
Die Besetzung weist gute Namen auf. Harry Liedtkes Stimme ist in den ersten hundert Metern mit bedenklichen Nebengeräuschen durchsetzt, es scheint aber, daß sich dann der Steuermann einspielte, zur Mitte und zum Schluß war Liedtkes Stimme ansprechend. Ein großer Sprechschauspieler wird er nie werden, aber er wiegt vieles durch seine sympathische, charmante Erscheinung auf.
Paul Heidemann findet sich mit dem gefährlichen Mikrophon sehr gut ab, Henri Bender war ganz groß in Form und auch auf Paul Westermeier, den sympathischen Operetten-Routinier, wird man in Zukunft achten müssen. Wahre Lachstürme entfesselte wieder Felix Bressart, er sollte aber von der Regie vor Uebertreibungen geschützt werden.
Die Damen: Elga Brink, reizend anzusehen, sprachlich noch etwas unsicher, aber wohl entwicklungsfähig. Mit Gesangsexperimenten sollte sie vorsichtig sein.
Ossi Oswalda debütiert ebenfalls erfolgreich vor dem Mikrophon. Sie spielt temperamentvoll radebrechend eine Messerwerferin. Liedtkes Freundin Nr. 2 ist Grete Natzler, ein entzückendes Luderchen.
Iwan Wanja ist nett anzusehen; da sie gebrochenes Deutsch mit fremdem Akzent zu sprechen hat, ist über ihre Tonfilmeignung noch nichts zu sagen. Für Ida Wüst gibt es keine Mikrophon-Schwierigkeiten, sie ist schlagfertig und überlegen wie auf der Bühne.
Willi Winterstein zeichnet für die klare und saubere Photographie, Max Heilbronner hat sehr geschmackvoll gebaut.
Leo Meyer ist für die Produktionsleitung dieses ersten in Eigenproduktion des Deutschen Lichtspielsyndikates hergestellten Film, verantwortlich.
Das gutgelaunte Publikum applaudierte zum Schluß stark und feierte die anwesenden Darsteller.

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