Mandrake

Originaltitel: Alraune. Sittensrama 1930; 89 min.; Regie: Richard Oswald; Darsteller: Brigitte Helm, Albert Bassermann, Harald Paulsen, Agnes Straub, Bernhard Goetzke, Käthe Haack, Ivan Koval-Samborsky, Adolf E. Licho, Martin Kosleck; Oswald-Klangfilm.

Alraune, Tochter eines Raubmörders und einer Dirne, von einem Professor nach ihres Vaters Tod auf experimentellem Wege erzeugt, richtet die Männer zugrunde, treibt schließlich ihren Erzeuger zum Selbstmord, nimmt sich dann aber selbst das Leben um dieses Schicksal von dessen Neffen abzuwenden.

Zusammenfassung
„Ich weiß, warum die Schneider nähen, ich weiß, warum Maschinen gehen,
Ich weiß, warum sich seinen Schädel zerbricht der Astronom im Bau –
Alles wegen einem kleinen Mädel, alles wegen einer süßen Frau”. –
Jauchzend singen die Studenten den Refrain des Liedes, das Frank Baum am Klavier hämmert. Die Stimmung wird immer übermütiger. Da mahnt Hugo, Franks Freund, den Klavierspieler zum Aufbruch, er muß doch noch seinem Onkel, dem berühmten Geheimrat ten Brinken, zum Geburtstag gratulieren. Das Wort ten Brinken zündet sofort, und die ganze angeheiterte Studentenschar macht sich unter Franks Führung auf zur Villa des Geheimrats. – Der ahnt noch nichts von seinem Glück. In seinem Arbeitszimmer steht die Fürstin Wolkonski und dankt für einen erwiesenen Dienst. Die Fürstin hatte sich so sehr ein Kind gewünscht, und ten Brinken, der skrupellose Zyniker, hatte Rat gewußt. Ein kleines Mädchen, die eben geborene Tochter Petersens, des Assistenten des Geheimrats, der das Geld für seine wissenschaftlichen Experimente braucht. – Während noch die Fürstin mit ten Brinkens Anwalt Manasse über die Versuche mit der künstlichen Befruchtung von Ratten plaudert, klingt von der Straße her der Lärm der Studenten die dem Geheimrat eine Ovation bringen. Lachend dringen sie ins Haus und sind begeistert, als ten Brinken eine Riesenbowle auffahren läßt. Die vollen Gläser erhoben rufen sie: „Hoch lebe Professor ten Brinken, er lebe!” – – – Alles horcht auf, denn aus dem Arbeitszimmer des Professors erklingt ein scharfes Klirren. Frank eilt’ sofort hin und hebt eine seltsam geformte kleine Wurzel auf, die von der Wand gefallen ist und eine Vase zerschlagen hat. Es ist eine Alraune, erklärt ten Brinken, die Wunderwurzel des Mittelalters, die Glück und Reichtum, aber auch Unglück und Tod bringt und geheimnisvoll durch Paarung von Mensch und Erde entsteht. – – – Frank ist dem Professor in sein Laboratorium gefolgt. Ratten! Ratten! Ja, wenn es gelänge, Menschen – – – Ein Gedanke blitzt in ihm auf! Nimm einen zum Tode verurteilten Raubmörder und – ein Weib! – Im Konzertcafé Südstern zeigt Frank dem Geheimrat und seinem Assistenten das Weib, Alma, die Dirne, die allabendlich ihr Couplet “Komm küß mich nochmal” halb betrunken gröhlt. – Das Experiment geht vor sich, die Fürstin assistiert. Sterbend gibt Alma einem Mädchen das Leben: Alraune. – Die Jahre vergehen. Alraune ist erwachsen, ahnungslos wer sie ist, bildschön, aber von geheimnisvoll verderblichen Reiz. Wer ihr verfällt, ist verloren. Raspe, der Chauffeur, vermag sich ebensowenig zu retten wie Wölfchen, der Sohn Petersens, der bei der Verlobung der Tochter der Fürstin tödlich verunglückt. – Schaudernd wehrt sich ten Brinken gegen den magischen, sinnbetörenden Reiz Alraunes. Immer mehr erliegt er der Schönheit des seltsamen Mädchens, – aus dem Meister ist längst ein Sklave geworden. – – Frank Braun kehrt aus Afrika zurück, wo er sich eine Existenz als Farmer gegründet hat, und sucht seinen Onkel auf, der ihn ärgerlich zurückweist. – Alraune sieht Frank, eilt ihm nach, lernt ihn kennen. Auch Frank verliebt sich in das reizende Geschöpf, dessen Herkunft er noch nicht ahnt. – Ten Brinkens Schicksal, das er freventlich heraufbeschworen hat, vollzieht sich. Fürst Wolkonski, der alles erfahren hat, läßt Dr. Petersen verhaften. Verzweifelt schreit dieser der dazukommenden Alraune die Beschuldigung ins Gesicht, daß sie schuld sei an Wölfchens Tod. „Was glaubst du denn, wer du bist?” ruft er und – wird abgeführt. – Manasse warnt ten Brinken, rät ihm zu schleuniger Flucht ins Ausland. Der Professor beschwört Alraune, mit ihm zu fliehen, flehend umfaßt er ihre Knie. Sie stößt ihn zurück. Als die Beamten den Geheimrat verhaften wollen, finden sie – einen Toten. Sterbend noch hat er in teuflischer Voraussicht Frank Braun zum Vormund Alraunes bestellt, die seine Erbin ist. Nun weiß Frank, wer Alraune ist, aber seine Liebe ist so stark, daß er nicht von ihr lassen will. In reinem Glück scheint der Fluch der Alraune erloschen zu sein. Da erfährt das Mädchen von der rachsüchtigen Fürstin und später von Manasse das Geheimnis ihrer Geburt. – Ihr Entschluß steht fest. Wenn jemand zugrunde gehen soll, will sie es sein, nicht der Geliebte. Schimmernd ziehen die Wogen des Flusses zum Meere. Eine Schuld wurde gesühnt, ein Fluch ausgelöscht.

Kritik (E. J., Film Kurier #285, 12/03/1930):
Beifall, viel Beifall für die Helm. Einige Heiterkeit für Oswald (die sich bei leichten Kürzungen beheben wird).
Man hat Brigitte Helm, um eine Rolle für den Star zu finden, das Nächstliegende angepaßt: den deutschen Superlativ des Gefährlich-Blonden, die patentierte Kino-Erotik noch einmal als Ewerssche „Alraune“ in Bewegung zu setzen. „Tochter des Gehenkten und einer Dirne.“
Dieser Ewers wird auch im plastischen, im Weitfilm, im Riech-Film mit „Alraune“ der Sinnlichkeitsklassiker bleiben.
Dem großen Brigitten-Kreis legt sich der Star in allen schimmernden Posen der Verführung vor die Kamera, mit Unschuldsmienen der Siebenzehnjährigen dazwischen, zeigt Fleischeslust, soweit das Gesetz es gestattet, macht die größten Undinenaugen, die heute die Leinwand beleben, tangot und singt, daß nicht nur ihrem Onkel gruselgraust.
Helm als Dirne, als Büßerin schließlich, Dämon im Todesauto, Unschuld am Wiesenrand, in Tag- und Nachtgewändern, mit und ohne Schleppen, angezogen, ausgezogen, mal Garbo, mal Marlene – – wenn aber der Photograph Günther Krampf sie richtig faßt, setzt sich das Original durch, heute – mit allen ihren Fehlern die Frau auf der Leinwand, die Publikum anlockt, aufregt, begeistert.
Unbestritten ihr optischer Reiz. Auch diesmal. Wer schult ihre Sprache weiter? Der Regisseur dieses Films nicht. Oswald ist ein Hinsteller wies trefft, kein Fortführer, kein Talenterweiterer hier.

So sicht man die Helm vor lauter Oswald nicht immer. Der sich um ein vielbildriges, ausgedehntes Inszenierungssammelsurium bemüht. Stoffgemäß braut er à la Hexenküche. (Goethe, Faust.)
R. Weisbach und Charlie Roellinghoff sind als Autoren bei der Partie. Roellinghoff ist Humorist und Weisbach hat ihn daran nicht gehindert.
Alles soll die Technik für das Auge ausgleichen. So reiht sich aufeinander, was an Publikumswirksamen dem Regiegehirn, während Oswald sich gerade mit der Szene abgibt, einfällt. Improvisation ist alles. Burschenlied aus Heidelberg, Tigerromantik bei Henry Bender, Wedekind-Erdgeist, Gesellschaftsjazz, Pseudoerotik, Sensationsfilmeinfälle … Es endet mit einem Professorenskandal, mit Verhaftungen und Selbstmord.
So bei Albert Bassermann, der das greise Gelehrtenhaupt interessant vor der Kamera herrichtet. Man kann an seinen Tonaufnahmen studieren, wieweit das Mikrophon heute Theaterausbrüche, die Bassermann in einigen Szenen mit gewaltigem Gefühlsaufwand bringt, zu registrieren vermag.
Sympathische Typen: Kowal-Saborski, Käthe Haack, Liesl Schaak, Bernhard Goetzke, Bender, dazu ein paar Dienertypen. Und Harald Paulsen, der Mann aus der reineren Sphäre, der seine Rolle mit heiterer Sicherheit rezitiert.
Schwach Agnes Straub, deren Stimme für das Mikrophon an sich ein Gewinn, beim Spiel Adele Sandrock im Intrigantenfach. Ferner Kosleck, Westermeier (als Bonvivant), E. A. Licho: „Die Sonne erscheint persönlich in meinem alten Dachsbau.“ Architekten: Sohnle-Erdmann, Schrödter. Musikstücke: Dr. Kaper. Ueber allen Oswaldgeist.

Der Geschäftserfolg, der mit dem Helm-Film von der blonden Lorelei beabsichtigt wird, hängt von der Gläubigkeit des Publikums gegenüber dem tollen Halbdunkel der Leinwand ab.
Man schätze es richtig ein: in diesem Film ist „viel drin“. Viel drin – bedeutet immer volles Publikumsinteresse an der Kasse. Und „Alraune“! Und die Helm!
Mit Tonfilm-Entwicklung, mit Filmkunst will es nichts zu tun haben.

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