Originaltitel: Nur am Rhein… (da möcht’ ich leben.) Aktuelles Filmspiel 1930; 92 min.; Regie: Max Mack; Darsteller: Truus van Aalten, Igo Sym, Daisy D’Ora, Carl Balhaus, Julius Falkenstein, Teddy Bill, Emil Rameau, Carl Balhaus, Maria Reisenhofer; Lothar Stark-Klangfilm.
Eine Bürgermeistertochter im besetzten Rheinland liebt einen englischen Offizier, mit dem sie sich später verlobt. Vorher verbreitet ein Agent der Besatzungstruppe einen Tratsch über die Beiden, für den sich der Bruder des Mädchens mit einem Studentenulk an ihm rächt. Dafür wandert er wegen tätlichen Angriffes auf einen englischen Beamten ins Gefängnis und nur die Räumung des Rheinlandes befreit ihn vor der Verurteilung.
Zusammenfassung
Über dem deutschen Rhein flattert der Union Jack. Viele Jahre schon liegt sein Schatten auf dem rheinischen Volk. Die Sonne scheint wie immer auf ihr Lieblingsland, die köstlichen Trauben reifen Jahr auf Jahr heran. Aber fremde Uniformen sind im Land. Engländer. – Und doch: Es gibt ein Ding, das über alles Trennende hinweg eine Brücke zu schlagen vermag. Das ist die Liebe zweier Menschenkinder. Hanne, die blonde Bürgermeisterstochter aus einem kleinen rheinischen Städtchen, sieht in dem jungen englischen Kapitän Barrymore längst keinen Feind mehr, und auch der hübsche Engländer ist in das junge Mädchen bis über beide Ohren verliebt. Der Zufall will es, daß Barrymore Hanne und deren Freundin Lore aus einer bedrängten Lage befreien kann, in welche die Mädels bei einer Bootsfahrt auf dem Rhein geraten sind. Als Hanne ihrem Retter zum Danke ein paar Flaschen Rheinwein überbringt, finden sich die jungen Leute zum ersten heimlichen Kuß. – Aber da treibt sich in besagtem Städtchen auch ein Mann umher, den niemand gern sieht. Es ist Lehmann, der Dolmetscher der Besatzungstruppen und gleichzeitig deren Agent und Spitzel. Lehmann überrascht Hanne bei einem Stelldichein mit Barrymore, und da er der schönen Bürgermeisterstochter wegen eines Korbes, den er sich von ihr geholt hat, längst eins auswischen will, verbreitet er das Gerücht, daß Hanne ein Verhältnis mit einem Engländer hat. – Wie ein Lauffeuer geht die Nachricht durch das Städtchen. Als Hannes Bruder Karl, ein flotter Bonner Student, nach Hause kommt, wird ihm schon am Bahnhof von der Schande seiner Schwester erzählt. Karl eilt zu Barrymore, um ihn zur Rede zu stellen. Aber der Engländer erklärt lächelnd, daß er sich mit Hanne verlobt habe und um ihre Hand anhalten werde. – Als Karl erfährt, wer der Urheber des Gerüchtes ist beschließt er mit seinen Freunden, sich an Lehmann zu rächen und ihm einen Denkzettel zu geben. Mit Hilfe Houps, Barrymores dickem Burschen, gelingt es, den Agenten betrunken zu machen und in einen tollen Sommernachtsspuk zu verwickeln, bei dem die Studenten mit Lehmann nicht gerade zärtlich verfahren. Im letzten Augenblick aber erkennt Lehmann unter seinen Peinigern Karl und erstattet am nächsten Morgen Anzeige beim Besatzungskommando. – Barrymore erhält den Befehl, den Bürgermeisterssohn wegen tätlicher Beleidigung eines englischen Beamten in Haft zu nehmen. Schweren Herzens tut der junge Offizier seine Pflicht. Karl soll vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Vergebens bittet seine Mutter beim Kommandanten. Barrymores Verlobung mit Hanne droht wegen dieser Verwicklung auseinander zu gehen. – Da kommt in höchster Not der Räumungsbefehl für die englischen Besatzungstruppen. Karl wird frei. Der Union Jack wird herabgeholt. Die Engländer marschieren zu den Bahnhöfen. Houp muß von seinen Bräuten Abschied nehmen, nicht ohne handgreifliche Andenken von seiten der Sitzengelassenen. Dann rollen die Züge ab.
Das Rheinland ist frei !
Unter dem Läuten der alten Glocken von den Münstern und Domen am Rhein geht die deutsche Flagge in die Höhe. Mitten in dem Jubel der rheinischen Bevölkerung finden sich zwei junge Herzen: Die blonde Hanne und Barrymore, der den Rock seines Königs ausgezogen, weil er sein Glück am deutschen Rhein gefunden hat.
Kritik (-g., Film Kurier #165, 07/15/1930):
Zeitlich ist dieser Film sehr geschickt herausgebracht: wenige Wochen nach der Rheinlandräumung wird ein Film, der die Rheinlandbesatzung und den Abmarsch der Truppen behandelt, sicher starkes Interesse finden.
Die fremden Truppen sind hier die Engländer, deren anständige Haltung während der Besatzungszeit in diesem Film gebührende Anerkennung findet. Der Held des Films ist ein englischer Offizier, der sich in ein deutsches Mädchen verliebt, auch sonst treten Engländer nur in sympathischen Rollen in Erscheinung. Der Böse des Films ist ein deutscher Agent, der den Engländern Dolmetscherdienste leistet und seine Stellung zu persönlichen Intrigen mißbraucht.
Jaques Bachrach und Max Mack haben das Manuskript geschrieben, dessen Handlung für die große Länge des Films zu dünn ist. Besonders in den letzten Akten wird zu sehr gedehnt. Man sollte hier trotz der Schwierigkeiten, die der Ton bietet, erheblich schneiden.
Die Stärke der Autoren und des Regisseurs Max Mack sind die lustigen Szenen, in denen dem allseits unbeliebten Denunzianten eine unruhige Nacht bereitet wird, die schließlich ihren Höhepunkt in einem Mittelnachtsspuk voller origineller Einfälle erlebt. Hier entdeckt man auch neue Wege der Tonverwendung.
Sonst ist Max Macks Szenenaufbau und Schnitt leider sehr schleppend. Es gibt wenig Ohr und Auge überzeugende Uebergänge zwischen den Szenen. Die willkürliche Art des Schnittes fällt bei einem Tonfilm besonders auf.
Die Dialoge sind sehr knapp und kurz gehalten – es sind kaum mehr als gesprochene Titel.
Die Besetzung ist sehr unterschiedlich. Truus von Aalten zeigt, daß ihre natürliche Drolligkeit, die bereits beim stummen Film angenehm auffiel, durch den Ton neue Ausdrucksmöglichkeiten findet. Sie wird bei zukünftigen Filmbesetzungen stark zu berücksichtigen sein.
Ihre Gegenspielerin Daisy D’Ora versagt dagegen. Sie sieht ungünstig aus, ihr fehlt hier die nötige Anmut der Bewegung und sie deklamiert ihre wenigen Sprechstellen im Stile einer höheren Tochter. Beim Tonfilm ist eine solche Fehlbesetzung nicht ungefährlich.
Igo Sym ist sehr sympathisch als geschickt radebrechender Engländer, Julius Falkenstein gefällt in einer lustigen Schurkenrolle. Carl Balhaus und Emil Rameau, Lene Illing und Teddy Bill genügen in Nebenrollen. Maria Reisenhofers Mutterschmerz vermag nicht zu überzeugen.
Ein sehr starkes Aktivum des Films ist die ausgezeichnete Photographie von Mutz Greenbaum und Akos Faras, die brilliante Außenaufnahmen vom Rhein geschaffen hat.
Sohnle und Erdmann bauten, Ernst Neubach und Richard Rillo schrieben die von Fred Raymond komponierten Schlagertexte. Schmidt-Boelcke zeichnet für die musikalische Leitung. Zusammenfassend über die leichte Musik ist zu sagen, daß Ton und Wort ins Ohr gehen und technisch gut herausgekommen.
Der Film wird bestimmt überall infolge des populären Stoffes seine Zugkraft ausüben. Die Theaterbesitzer werden es besonders schätzen, daß die Südfilm A. G. ihn in der Zeit der größten Filmknappheit auf den Markt brachte.