The Alluring Goal

Originaltitel: Das lockende Ziel. (Der Herr Kammersänger.) Künstlerdrama 1930; 94 min.; Regie: Max Reichmann; Darsteller: Richard Tauber, Lucie Englisch, Oskar Sima, Sophie Pagay, Maria Elsner, Karl Elzer, Julius Falkenstein; Tauber-Tobis-Prod.

Ein Alper wird von einem Impresario entdeckt und zum Sänger ausgebildet. Seine Kollegin verhindert ein Zusammentreffen mit seiner Braut, welche nun einen Andern heiratet, während der Sänger eine Amerika-Tournee antritt.

Zusammenfassung
Strahlende Wintersonne liegt über dem kärntnerischen Gebirgsort. Von der Anhöhe läuten die Glocken der kleinen Dorfkirche zum Sonntagsgottesdienst. In tiefer Ergriffenheit lauschen die Andächtigen der Stimme Toni Lechners, dessen Tenorsolo vom Chor aus das Kirchenschiff erfüllt. Unten im Dorf ist Toni der fröhliche Wirt des Gasthauses „Zur Post“, stets darauf bedacht, seine Gäste zufriedenzustellen. Mit unendlicher Liebe hängt er an seiner Mutter. Zu Leni, einer Waise, die im Hause groß geworden und die Stütze der alten Mutter Ist, hegt er eine tiefe Neigung, die auch von ihr voll und ganz erwidert wird. Eines Tages gehen Leni und Toni zur Musikantenvroni, einer alten Wahrsagerin, um von ihr die Zukunft zu erfahren. Die Alte sagt voraus, daß bald eine Veränderung eintreten werde, und Toni bald viele Reisen machen werde. Toni lacht über diese Prophezeiung, denn er weiß nicht, was ihn von seiner schönen Heimat und seiner geliebten Leni trennen könnte. Kurze Zeit darauf hat ein Auto am Dorfeingang eine Panne und muß von Loisl, dem Faktotum der Gastwirtschaft und aufrichtigen Freund Tonis, mit Hilfe zweier Ochsen abgeschleppt werden. Unter großem Hallo der Dorfjugend kommt der seltsame Zug zum Gasthaus. Dem Auto entsteigen Mannheimer, ein bekannter Manager, mit seiner Frau und Cora Garden, einer jungen, hübschen Dame, die bereits als Sängerin einen Namen hat. Auf dem Wege zum Wintersport sind sie gezwungen, im Gasthaus lassen. Instinktiv fühlt Leni die Gefahr, ihren Toni zu verlieren, zumal auch Cora auf Toni eindringt. Toni selbst, der zu sehr an seiner Heimat hängt, an seiner Mutter und seiner Leni. kann sich nicht so recht entschließen, die glänzenden Angebote des Managers anzunehmen. Erst als die Mutter und auch Leni, die den inneren Kampf in Tonis Seele merken und seinem Glück nicht im Wege stehen wollen, ihm zureden, entschwebt er sich, nach Berlin zu gehen. Am nächsten Tage schon verläßt er seine Heimat. In kurzer Zeit hat sich Toni vollkommen verändert. Aus dem Bauernburschen ist ein Stadtmensch geworden. Nichts deutet darauf hin, daß dieser Mann einst hinter dem Schanktisch gestanden hat. Das Probesingen in der Oper ist glänzend ausgefallen, was nicht zuletzt allein auf die ihm in allem unterstützende Cora zurückzuführen ist. Er fühlt sich zu dieser Frau hingezogen, die ihm die Verkörperung des Ruhms bedeutet, ohne jedoch seine Mutter und Leni zu vergessen. Das Treiben der Großstadt läßt ihm keine Zeit, die Heimat zu besuchen. Dort verfolgt man mit Stolz die Karriere Tonis und jeder Brief von ihm bestätigt seinen Leuten, mit welcher Liebe er an ihnen hängt. Mit großer Spannung erwartet man das erste Auftreten Toni Lechners in der Oper „Martha“. Loisl und Leni haben es sich nicht nehmen lassen und sind nach Berlin gekommen, ohne ihren Besuch anzumelden. Sie geben dem Bühnenportier einen Zettel, worauf sie Toni schreiben, daß sie ihn am Bühnenausgang erwarten. Durch Zufall gelangt der Zettel aber in Coras Hände, die ihn in ihrer Eifersucht zerreißt und so Toni den Besuch seiner Landsleute verheimlicht. Unter tosendem Beifall endet die Premiere. Loisl und Leni. die der Vorstellung beigewohnt haben, sehen gerade noch, wie Cora und Toni in das Auto steigen. Hilflos stehen sie da. Leni kommt es Jetzt zum Bewußtsein, daß sich alles geändert habe und daß seine Liebe jetzt einer andern gehört. Wahrend sie in einem Wartesaal dritter Klasse sitzen, feiert Toni in einer vornehmen Gesellschaft seinen Erfolg. Zu Hause erzählt Leni, wie verändert Toni wäre; daß sie Ihn nicht gesprochen habe, verrät sie aber nicht. Toni ist inzwischen von Erfolg zu Erfolg geeilt. Über das Ausbleiben jeglicher Post aus der Heimat ist er sehr beunruhigt. Mit Cora verbindet ihn eine aufrichtige Freundschaft. Da verständigt ihn Mannheimer, daß der Amerikavertrag perfekt ist. Endlich kommt der langersehnte Brief aus der Heimat. Toni glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Loisl, der die Leni immer schon heimlich geliebt hatte, will sie heiraten. Da gesteht ihm Cora, daß Leni und Loisl zur Premiere waren, daß sie es aber aus Liebe verheimlicht hatte. In rasender Fahrt kehrt Toni in die Heimat zurück. Doch schon zu spät. Erst jetzt erkennt er das große Opfer, daß das einfache Mädel gebracht hat.

Kritik (Hans Feld, Film Kurier #098, 04/24/1930):
Deutscher 100%iger Tonfilm.

Der neue Tauber-Film ist im „Capitol“ angelaufen.

Jubelnder Beifall derer, die gekommen waren, diese best kultivierte Stimme des europäischen Tenor-Kontingents zu hören. Zustimmung auch bei denen, die mit Freude den sichtbaren Fortschritt vom ersten zum zweiten Tauberfilm konstatieren können.

Feststeht: Die Weltgemeinde der Tauber-Verehrer wird durch diesen Film eine weitere Vermehrung erfahren. Der deutsche Film hat sie bereits durch Gewinnung einer künstlerischen Persönlichkeit von solchen Leistungen.

Tauber-Ton – ein neuer Wertzuwachs der deutschen Film-Marke.

Recht viele Opernleute sollten sich diesen Film ansehen; sie können eine ganze Menge lernen.

Es ist, im Keim, ein Opern-Tonfilmwerk. So muß man auf musikalischen Effekten die Handlung aufbauen:

Aufstieg eines Bauernburschen zum Tenor in der Großstadt. Ohne psychologische Belastung (allerdings auch ohne sonderliche Geistesleistungen der Autoren P. Hörbiger und K. Forster).

Im wesentlichen ist die Müh darauf verwandt, Auf- und Abgänge des Tenors vorzubereiten: und die mitspielenden Rollen treten lediglich als Stichwort-Episodisten in Erscheinung.

Der Star steht im Mittelpunkt. Aber die künstlerische Selbstkontrolle verhindert Solistenexzesse.

Bewundernswert, mit welcher Intensität Tauber auf so schwacher Grundlage seine Wirkung aufbaut; mit welcher Kunst er Flüchtiges vertieft, Konventionelles adelt.

Gleich zu Beginn im Ambrosianischen Lobgesang: und dann, immer weiter, in vielfacher Wandlung.

Mit größtem Takt ist die Auswahl der Gesangs-Stücke erfolgt. Kirchliches, ein Volkslied, Schnaderhüpferln, eine Opern-Arie; und, als Gradmesser der Sangeskultur, Méhulls „Josef“.

(Wer von dem Halbdutzend großer Gegenwartstenöre vertrüge eine solche Beweis-Probe ? !)

Mühelos hält Tauber die Stilarten, die Stadien der Stimmentwicklung auseinander.

Die Einfachheit im Litanei- und Chor-Gesang, das Ungekünstelte beim Volkslied – mit ungeschultem Atem: das große Erlebnis der stilisierten Oratorien-Oper und der verdiente Sieg des Opern-Debuts …. Charakterisierung und Differenzierung.

(Appell an Herrn Tietjen: Hier, Herr General, sind die ersten Möglichkeiten der Tonfilm-Oper aufgezeigt. Ausnutzen, weiterbauen !)

Und die Stimme, Richard Taubers begnadete Stimme –.
Sie erklang uns, vor bald einem Dezenium, zum ersten Mal in einer Sommer-Staggione am Berliner Bülow-Platz; ungeschult damals noch.
Es folgte die Zeit der Dresdner Spieltenortätigkeit, des tastenden Aufstiegs in Wien, an der Charlottenburger Oper.
Das Strahlende, Sieghafte ist ihr geblieben. Technische Meisterung, innere Reife hat sie nunmehr erreicht.
Man lauscht dieser Stimme, dem einzigartigen Jubel, dem Zauber ihres Strömens und ist beglückt.
Nebstbei wird unaufdringlich der katholische Ritus gefeiert. Weihrauch durch Musik, Dienst an Gott, durch die überwältigende Schönheit der Menschenstimme. Gute Propaganda: den Zweck heiligen die vortrefflichen Mittel.

Zur Vollendung des Tons kommt, unauffällig gestaltet, das Bild. Reimar Kuntze hat es eingefangen.
Wohltuend, wie man auf artistischen Spiel-Ehrgeiz verzichtet hat.
Naturbursch mit Gesang ist darzustellen: mit Recht wird auf den Gesang der Hauptwert gelegt. (Wie in der Oper ? Besser, unvergleichlich besser als in der Oper.)
Um Richard Taubers ungezwungene Liebenswürdigkeit herum ist guter Durchschnitt gruppiert: Maria Eisner, vom Stadttheater Freiburg, eine sympathische Neuerscheinung, mit warmer Stimme. (Weiterentwickeln lassen.) Die sicheren Beherrscher der Episode: Oskar Sima, Lucie Englisch.
Dann, in kleineren Rollen, Sophie Pagay, Karl Elzer, Toni Tetzlaff, Julius Falkenstein, Karl Platen, Karl Ettlinger.
Ueberraschungen für einen kleinen Kreis: Leute vom Bau, die sich selbst spielen. So der Musikus Paul Dessau als Otto Klemperer; und Fritz Rotter in der ihm gewiß zusagenden Rolle eines Schlager-Librettisten.
Die Regie Max Reichmanns klappt. Der Ton, beaufsichtigt von Erich Lange, kommt einwandfrei. Sehr gefällige Bauten liefert H. Jacoby.

Nicht zu unterschätzen bleibt die Leistung des Produktionsleiter Manfred Liebenau.
Vom Dirnenlied zu diesem Film ist man ein gutes Stück vorwärts gekommen; technisch, künstlerisch.
Das lockende Ziel ist damit in erreichbare Nähe gedrückt: Tonfilm-Oper im Werden.

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