The Darling of Vienna

Originaltitel: Der Herr auf Bestellung. Musikalische Burleske 1930; 87 min.; Regie: Géza von Bolváry; Darsteller: Willi Forst, Paul Hörbiger, Else Elster, Trude Lieske, Wilhelm Bendow, Albert Paulig, Henry Bender, Elma Buller; Super-Tobis.

Ein Festredner für alle Anlässe, mittels Postkarte zu bestellen, liefert bei einem Vortrage und später bei der Soirée einer Baronin das sprachliche Double eines stotternden Schriftstellers. Verliebt sich selbst in die Dame, kehrt aber dann zu seiner kleinen Freundin und Mitarbeiterin zurück. Zwei Hochzeiten.

Zusammenfassung
Vielseitig sind die Möglichkeiten, sich auf anständige Weise sein Brot zu verdienen, doch der Beruf, den sich Carry Clips auserwählt hat, dürfte selten zu finden sein. Carry Clips nämlich ist – Festredner, – Redner für Hochzeiten, Taufen, Verlobungen. Fahnenweihen, Jubiläen, Trauerfeiern und sonstige Gelegenheiten. Es ist nicht jedermanns Sache, vor vielen Leuten zu reden, doch dafür ist Carry Clips da, er springt ein, wenn immer man ihn ruft: „Karte genügt – komme ins Haus“.
Da Clips ein vielbeschäftigter und gefragter Mann ist, hat er ein Auto, zwar keinen Rolls-Royce, aber immerhin einen auskömmlichen Wagen, der ihn samt seiner getreuen Assistentin Lillebil und dem unvermeidlichen Pudel „Nora“ gerade noch aufnimmt.
Ob er als Gast bei der Hochzeit der Wirtstochter Lottchen mit dem biederen Franz Senfkrug die Festrede übernimmt, ob er als Oberministerialoffizialstellvertreter von Zickendorff den jüngsten Sprößling der Familie Hinzemann unter die Taufe hält, wo er auch eingreift, überall bewährt er sich, so daß sein Ruf auch zu Titi, der tüchtigen Sekretärin des berühmten Professors Emanuel Wielander dringt. Titi ist in tausend Nöten. Wielander ist aufgefordert, in dem prominenten „Modernen Klub“, dessen Leitung in den bewährten Händen der Frau Baronin Lindenwörth liegt, einen Vortrag über sein letztes preisgekröntes Werk zu halten. Aber dieser weltbekannte Schriftsteller ist leider mit einem Sprachfehler behaftet, er lispelt, er stottert, stößt mit der Zunge an – kurz – reden kann er unmöglich. Doch Clips springt für ihn ein. Hinter einem Vorhang verborgen liest er die Rede des Professors ab, während dieser nur die Mundbewegungen macht. Es muß festgestellt werden, daß, abgesehen von einigen kleinen Zwischenfällen, die Clips mit bewundernswerter Ruhe überwindet, der Professor ungeheuren Beifall erntet, und es bleibt nicht ans, daß die Präsidentin des Klubs höchst persönlich, von der herrlichen Stimme des Gelehrten hingerissen, den Wunsch äußert, ihn näher kennenzulernen. Wielander ist zwar nicht ganz wohl zumute bei dem Gedanken, daß die bisher so gut gelungene Täuschung bei einem näheren Zusammensein mit der Baronin offenbar werden müsse, doch einer so reizenden und scharmanten Frau vermag er nichts abzuschlagen. Er weiß zwar noch nicht, wie diese Sache enden wird, aber er wagt es dennoch, an einem großen Festessen der Frau Baronin teilzunehmen. Diese ist höchst beglückt, ihren Gästen den berühmten Gelehrten, der sonst niemals in Gesellschaften zu finden ist, vorzustellen. Zwar wird die Situation peinlich, als der Professor aufgefordert wird, die Tischrede zu halten, doch wiederum eilt Carry Clips zu Hilfe. Denn auch auf diesen hat das hinreißende Wesen der Baronin einen tiefen Eindruck gemacht, sehr zum Leidwesen seiner kleinen Assistentin Lillebil, die ihn aufrichtig liebt und schon lange darauf wartet, daß sie heiraten. Clips ist es gelungen, unbemerkt in das Haus der Baronin einzudringen. Er ist hilfreich genug, den Professor aus mancher peinlichen Situation zu retten. Er unterstützt ihn sogar äußerst wirksam bei dem Geständnis, daß er in die Baronin verliebt und nicht abgeneigt ist, sie zn heiraten. – Doch Titi, die Sekretärin, die ihren Professor für sich behalten will, ist mit der Entwicklung der Dinge durchaus nicht einverstanden. Die Eifersucht plagt sie, und so beschließt sie, der Baronin zu offenbaren, daß ihr vergötterter Professor nicht einmal reden kann und ohne Carry Clips völlig hilflos ist. Es gelingt ihr, die Baronin zu veranlassen, den Professor in seiner Wohnung aufzusuchen. Zum Glück erfährt jedoch Clips von diesen bösen Absichten. Wieder ist er im rechten Augenblick zur Stelle, um dem Professor beizuspringen. Doch diesmal will es das Schicksal, daß seine Anwesenheit nicht unbemerkt bleibt. Die Baronin erfährt alles: daß Clips es war, der für den Professor geredet und sogar die Liebeserklärung abgegeben und daß dieser mehrere richtiggehende Sprachfehler hat. Sie ist entsetzt, daß sie sich in die Stimme eines ganz anderen verliebt hat und verläßt entrüstet die Wohnung.
Die Auseinandersetzung, die nun zwischen Clips und dem Professor erfolgt, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Professor gerät immer mehr in Wut, fängt an zu schreien, und je mehr er sich aufregt, desto fließender kommen die Worte aus seinem Munde. Durch die große Erregung hat er die Sprache wiedergefunden. Vor Freude eilt er zur Baronin, um ihr von dem glücklichen Ereignis Mitteilung zu machen. Nun steht einer Heirat nichts mehr im Wege. – Carry Clips kehrt zu seiner getreuen Assistentin Lillebil zurück, die er ja doch nicht im Stich lassen kann. Und so treffen sich zwei glückliche Paare am gleichen Tage auf dem Standesamt wieder. Professor Wielander und Baronin Lindenwörth, Carry Clips und Lillebil, um in aller Form ihre Bereitwilligkeit zu erklären. in den heiligen Stand der Ehe am treten.

Kritik (h.f., Film Kurier #300, 12/20/1930):
Das neue, schöne Uraufführungs-Theater an der Tauentzienstraße eröffnet mit einem Film der Willy-Forst-Serie.
Gleich zu Anfang wird das Publikum durch eine amüsante Conférence in beste Laune versetzt. Forst per Tonfilm ringt mit Forst in Persona um die Chance der Eröffnungsworte. Und dann beginnt es, unter der Devise: In ernster Zeit ein lustiges Spiel.
Lustig ist es in der Tat. Super-Film hält, was sie verspricht.

Es ist ein planmäßiger Ausbau in der Gestaltung des Produktionsprogramms zu konstatieren. Ein Wille, der von Julius Haimann ausgellt; und immer wieder die Bemühungen von Walter Reisch zu neuen Themen, neuer Formung zu gelangen.
Um den Star Willy Forst herum entsteht das Manuskript. Diesmal soll er von einer ganz anderen Seite gezeigt werden: Der Chansonier, der Schauspieler tritt zurück hinter den knock about-Elementen der Handlung.
Damit wird die Auflösung der Film-Operette vollzogen. Das Tänzerische herrscht vor, bewußt unmotiviert –, denn als Haupt-Element einer nicht-realistischen Handlung bedarf es keiner Einführung. Die Stilisierung beginnt mit dem witzigen Aperçu einer milieuprägnanten Aufblendung: sie endet mit einem lustigen Trick. Dazwischen liegt Lachen, Heiterkeit, Einfallsfülle.
Gerade weil Reisch entschlossen den Weg der Burleske geht, kann er das Recht auf kleinere Irrtümer für sich beanspruchen. Es kommt auf die Gesamtlinie an.
Der Grundgedanke des Festredners bei allen Gelegenheiten wird assoziationsmässig fortentwickelt. Nicht das Was der Handlung ist die Hauptsache, sondern das Wie der einzelnen Szene; Wort- und Bild-Pointe werden ausgenutzt, aneinandergereiht.
Schon die Idee vom akustischen Double, der hörbar, doch ohne in Erscheinung zu treten, die Erfolge für einen anderen erzielt, ist Entdeckung von Tonfilm-Neuland. (Im Nebenbei-Vermerk eines Dialogsatzes exculpiert der listige Autor sich mit dem Hinweis des Westentaschen-Cyrano. Sie haben es wirklich nicht nötig. Walter Reisch.)

Der Autor an der Spitze – das sei in der Zeit, da die Autoren ebenso knapp sind, wie Themen und Möglichkeiten unbegrenzt, rühmend betont. Erneuerung. Vertiefung, alles das sind Fragen des Gehirntrainings.
(Auch für die heitere Gattung, gerade für sie, bedarf es ernsthafter Arbeit.

Dabei ist es eine dankbare Aufgabe, für einen Künstler vom fundierten Können des Willy Forst zu schreiben.
Körpergelenkigkeit, Präzision der Bewegungen und der Sprache, Chanson-Disziplin, sind bei ihm Voraussetzung. Dazu kommt die Sicherheit im unterschiedlichen Stil der Darstellung.
Diesmal, als Herr auf Bestellung, zeigt er sich mit allem Willen zur Groteske. Allein schon die Leichtigkeit, mit der auch in den Momenten des Sentiments das Spielerische gewahrt bleibt, besticht durch Delikatesse. Und nirgends gibts ein Sichvordrängen.
So steht Willy Forst im selbstgewählten Mittelpunkt, liebenswürdig, federnd; singt sein Liebeslied durchs Mikrophon sehr leicht, sehr kultiviert . . ., und macht dem Hörer Lust auf einen richtigen song. (Vielleicht aufs nächste Mal, abseits von Chevalier und Raymond Griffith zu einer neuen Forst-Figur.)

Der Elan von Autor und Hauptdarsteller reißt auch den weniger beweglichen Regisseur Bolvary mit. Das Ergebnis: Zwischendurch immer wieder Heiterkeit, zum Schluß starker herzlicher Beifall.
Im Ensemble: Der ausgezeichnete Episodist Paul Hörbiger, mit einem Solo, stürmisch beklatscht, der Komiker Franz Rott und die vier Admirals; Else Elster, nett anzusehen, mit hübscher Soubrettenstimme. Trude Lieske gibt eine an die nördliche Peripherie Berlins gerutschte Gräfin.
Die Photographie Willy Goldbergers ist ansprechender Durchschnitt: Neppachs Bauentwürfe desgleichen. (Wie wär’s hier mit etwas mehr Witz?) Als Orchester, gern gehört, macht die famose Lewis-Ruth-Band Stimmung für die diskret-gefällige Musik von Robert Stolz.

Gute Stimmung in solcher Situation zu verbreiten, das sei besonders anerkannt. Noch dazu, wenn es mit so viel wirklicher Lustigkeit unternommen wird, wie hier.

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