
Originaltitel: Das Flötenkonzert von Sanssouci. Historische Komödie 1930; 88 min.; Regie: Gustav Ucicky; Darsteller: Otto Gebühr, Renate Müller, Hans Rehmann, Walter Janssen, Raoul Aslan, Friedrich Kayßler, Karl Goetz, Theodor Loos, Attila Hörbiger, Margarete Schön, Theo Lingen; Ufa-Klangfilm.
1756. Sachsen und seine Verbündeten treffen Kriegsvorbereitungen. Friedrich II. ist informiert, gibt nach Erhalt untrüglicher Beweisstücke während eines Konzerts den Befehl zur Mobilmachung. Vorher fand er noch die Zeit, die Frau seines Kuriers vor Unüberlegtheiten zu bewahren.
Zusammenfassung
1756! Im Dresdener Palais des prunkliebenden, eitlen königlich sächsischen Premierministers Grafen Brüht leuchten die Kerzen im festlichen Glanz des Maskenballs. Schöne Frauen, elegante Kavaliere in Samt und Seide füllen die Säle. Ein erlesenes Orchester spielt zur Quadrille à la cour, und Heiterkeit und Frohsinn herrschen – auf der Oberfläche. Dem aufmerksamen Beobachter kann eine gewisse Spannung nicht entgehen. Hat sich nicht eben der Hausherr mit den drei Gesandten von Österreich, Rußland und Frankreich in die geheime Kanzlei des Ministers zurückgezogen? Was wird dort geplant? Man tuschelt – auch der preußische Gesandte, äußerlich ein gleichmütiger Festgast, innerlich ein Beobachter von schärfstem Mißtrauen, hat es gemerkt. Ein Komplott von weltgeschichtlicher Bedeutung wurde geschmiedet. Zweimal hat Maria Theresia ihr geliebtes Schlesien an Preußen verloren, diesmal aber soll der geniale Spötter in Sanssouci, der Weiberfeind, der Soldatenkönig, endgültig und gründlich zu Boden geschmettert werden von seinen drei Gegnerinnen, der Österreicherin Maria Theresia, der Marquise von Pompadour, die den König von Frankreich beherrscht, und der Kaiserin Elisabeth von Rußland. Alle drei Frauen haßten den Einsiedler von Potsdam. – Der teuflische Geheimvertrag ist perfekt – nun heißt es nur noch, einen Vorwand suchen, um über das ahnungslose, friedliche Preußen überraschend mit Übermacht herzufallen. – – Das soll der sächsische Nachbar besorgen! Diesmal muß es gelingen, denn Friedrich II., König von Preußen, ahnt nichts von der Gefahr, sitzt in Potsdam, Sanssoucis, führt philosophische Gespräche und – bläst die Flöte wie ein friedlicher Rokokoschäfer. – Eine Viertelstunde nach Abschluß des Vertrages ist eine Kopie in den Händen des preußischen Gesandten! Eine halbe Stunde später galoppiert ein Kurier durch die Nacht der preußischen Grenze zu, ein harmloser Haus-Musikus des preußischen Gesandten, der vielleicht Notenblätter befördert. An keiner Relais-Station hält der Reiter länger als eine Viertelminute. Ohne Aufenthalt schwingt er sich vorn Sattel des müden, keuchenden Pferdes in den des frischen. In weniger als acht Stunden steht der Kurier beschmuzt, todmüde, aber stolz und glücklich vor seinem König im Schloß von Sanssouci. Die blauen Augen des großen Friedrich leuchten zufrieden, er weiß, daß es in der preußischen Armee keinen besseren Reiter gibt als den Major von Lindeneck, der als verkappter Musikus so zierlich zu spielen weiß. – Der König liest das Dokument. Blitzschnell erkennt er die tödliche Gefahr für sein Land, und schon arbeitet sein genialer Feldherrnwille an der Abwehr. Die Generale versammeln sich. In aller Heimlichkeit rüstet Preußen und lockert den Degen, der in zwei Kriegen die Gegner zu Paaren trieb. – Noch einmal muß Lindeneck nach Dresden – sofort, ohne lange auszuruhen! Nur einem Lindeneck kann man das zumuten. Und der Major, dessen junge Frau sich nach Liebe sehnt, gehorcht! Schon klirren die Hufe seines Pferdes wieder über Stock und Stein, zurück nach Dresden. Schmollend sitzt die schöne Blanche zu Hause, es gibt schließlich auch noch andere Männer in Potsdam, die sie hübsch finden und nachts nicht auf den Landstraßen galoppieren –. So willigt sie in ein Rendezvous für den nächsten Abend. – – Der König erfährt, daß die Frau seines treuesten Dieners im Begriff ist, schwach zu werden. Als Blanche in den Wagen steigt, der sie zum zärtlichen tête-à-tête bringen soll, ahnt sie nicht, daß der Kutscher ganz andere Weisungen hat. – Lindeneck hat inzwischen in Dresden durch einen indiskreten Brief den Verdacht gefaßt, daß seine über alles geliebte Frau im Begriff ist, ihm zu entgleiten. Doppelt willkommen ist ihm diesmal der Auftrag des Gesandten, dem König Nachrichten zu bringen. Aber gerade diesmal darf er nicht reiten. Verrat lauert um die Preußische Gesandtschaft in Dresden, und alle Grenzwachen Sachsens sind angewiesen, auf den reitenden Musikus zu fahnden. So schickt der preußische Gesandte diesmal einen ganz gewöhnlichen Militär-Kurier. Aber zu grimmig quält die Eifersucht den Major von Lindeneck. Er jagt dem Kurier nach, holt ihn ein, entreißt ihm die Depesche. Es wird diesmal wirklich eine Jagd auf Leben und Tod. Todmüde, verstaubt und verschmutzt und – das quälende Gefühl im Herzen, in den nächsten Sekunden seiner treulosen Frau gegenüberzustehen, meldet er sich beim König. Er findet einen gnädigen Monarchen und in einem Nebengemach des Schlosses die hold errötende, beschämt liebliche Blanche. Des Königs starker Arm hat ein Lebensglück behütet – Treue um Treue! – Die Gesandten Österreichs, Rußlands und Frankreichs am preußischen Hof bitten um eine Audienz. Sie wollen wissen, was Friedrich wirklich vorhat. Noch sind die Depeschen, die Lindeneck brachte und die dem König den letzten Beweis dafür geben sollen, daß die Gegenseite im Begriff ist, über Preußen herzufallen, nicht aus der Geheimschrift übertragen. Aber Friedrich muß sie lesen, bevor er seine Entschlüsse faßt, denn er kann und will sein Land nicht in einen neuen Krieg stürzen, wenn ihn der Gegner nicht dazu zwingt. Und während die Feder seines Sekretärs fieberhaft Zeichen auf Zeichen aus der Geheimschrift überträgt, läßt der König heiter, ruhig und gelassen zum Flötenkonzert im Musiksaal von Sanssouci bitten. Alles lauscht ehrerbietig und gespannt. Der König, ruhig und freundlich wie immer, hat die Flöte ergriffen und spielt seinen Part. Weich und perlend erklingen die Töne in dem stilvollen Konzertsaal des Schlosses. Da schiebt eine behutsame Hand ein mit Notizen bedecktes Blatt auf das Notenblatt des Königs. Es ist die entzifferte Depesche. Und in den kurzen Pausen der musizierenden Kapelle gibt Friedrich – sein Flötenspiel für Sekunden unterbrechend – seinen Generalen die entscheidenden Befehle. Niemand ahnt, daß die eisernen Würfel schon rollen.
Kritik (E. J., Film Kurier #300, 12/20/1930):
Eine weitgespannte, einfangende, historisierende Komödie – so beginnt es.
Rokokozeit, Hofluft, Maskenfest beim Grafen Brühl in Dresden im heißen August. Nobel, geschmackvoll, technisch bezwingend.
Ein vollkommener Prolog, nicht gerade stürmisch in den Leidenschaften dieser Hof-Intriganten, aber vom Film-bildnerischen her gesehen: mit Stil-Grazie, Dialogpointierung, Milieugeschmack komponiert. Frei nach Menzel und Chodowiecki.
Große Inszenierung; man hat nicht zuviel erwartet. Das Kostüm-Spiel lebt wieder auf . . . die Kamera Carl Hoffmanns, die Raumgraphik Herlths und Röhrigs, Spielfiguren samt Wort und Maske von Gustav Ucicky geleitet, ein wohltemperiertes Welttheater agiert sich ein.
Ein Stichwort fällt, „Menuett galant“ vom Hoforchester angestimmt, das Zeichen für die Versammlung der Diplomaten bei Brühl; man debattiert Kriegsabsichten Sachsen gegen Preußen. Oesterreich, Rußland, Frankreich als Verbündete – dem Gegenspieler Maltzahn. Preußens Gesandten, verrät der Geheimsekretär Brühls die Kriegspläne.
Ball-Intermezzi dies alles. Musik, Tanz, Masken, Lichter, Frauen und die Diplomaten. Voll leichter Spannung. Ein bestrickendes Ensemble.
Es folgt ein Kartenspiel zwischen den gegnerischen Staatsmännern, derweil nach Potsdam der „fliegende Musikant“, ein Major als Geheimkurier, die verratene Kriegsorder Sachsens zu Friedrich befördert. Die Geschichte vom braven Preußenoffizier rollt, der seine Pflicht mehr lieben muß als sein Weib.
Die ertappt er beim Techtelmechtel mit einem Stutzer in Zivil. Leichtes Ehe-Geplänkel dann im Hause Lindeneck. Denn er hat acht Tage Urlaub, schält Kartoffeln und singt ein lockeres Lied. Kein Nebenbuhler und kein König kann ihn hindern, den Reim von Omelette auf Bett zu exekutieren.
Doch . . . der große König kann! Er ist inzwischen aufgetreten in einem unvorstellbar schön neuerbauten Sanssouci – und wandelt und spricht. So begibt es sich weiter:
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Friedrichs Schatten-Wandel – das ist wieder Otto Gebühr, der Präger der Königswürde im Film. Der dem Traum des Preußentums Umriß gibt, die nationale Geschichtenschaffung eines Treitschke, Ranke die Romantik der Heldenverehrung Carlyles in Zelluloid verwirklicht.
Die Fridericus-Einfühlung Otto Gebührs wiederholt hier die Leistung, die alle die begeistert, die mit ihrem Gefühl dem verkörperten Königs-Idol huldigen.
Aber der König spricht … Da kommt die Pantomime in eine nähere Phantasie-Wirklichkeit als je beim stummen Film-Raum. Da parliert Gebühr-Fridericus ein diskretes Roman-Deutsch . . . und die Fridericus-Film-Legende erhält ein Loch.
Der große Friedrich sprach ja ein „Kutscher“-Deutsch. (Wie er’s selbst bezeichnete.) Keine Minute seines Tonfilmdaseins wäre denkbar ohne 50 Worte Französisch. „Un peu babbillard, mais sublime.“ So sprach er sein Wappen wort aus:
Pour moi, menacé du naufrage
Je dois, en affrontant l’orage
Penser, vivre et mourir en roi.
Nun, er sprach „auch“ Deutsch. Doch von „Deutschen“ meist sehr verächtlich. Jene Zeit: Lessings „Minna von Bernhelm“ mußte in Berlin französisch erstaufgeführt werden.
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Der Autor Walter Reisch streikt, wie alle Mitarbeiter des Films, nicht nur in der typischen Sprachredaktion die Waffen vor dem Versuch, den merkwürdigsten der Fürsten aus seiner Zeit heraus zu charakterisieren. Der nationale Idealismus nähme daran keinen Schaden. Die Wahrheit auch im historischen Film gewönne.
Man wird keinen Emil-Ludwig-Film, nicht einmal Delbrück-Dokumente („Ursprung des siebenjährigen Films“) in einem Film der nationalen Ideologie erwarten.
Die „Riesenarbeit der Idealisierung“ an Fridericus (ein radikaler Dichter namens Friedrich Schiller wehrte sich 1791 gegen sie) brauchte ja nicht die außerordentlich paradoxen Seiten dieses unentwirrbaren Königsmenschen anzudeuten, der sich selbst als den Don Quichotte des Nordens bezeichnete.
Er war ein Gott mit seinem Widerspruch.
Er zerschlug die tönende Flöte auf den Köpfen seiner Kammerdiener; wie oft! Majestät Mensch. (Der stumme Film deutete dies an: er war ein König auch im Dreck.)
Hier ist er der Anekdoten-König. Mit manchem witzigen Spruche, charmanten Szenen, etwas Leutseligkeit, viel Majestät und der „hohenzollernschen Schlichtheit“, die Gebühr auch im Ton trifft. Eine dankbare Rolle. Eben nur eine verflachte Rolle.
Der Film ist im Geistigen zu wenig Chronist über ihn, der 121 Flötensonaten schrieb, 17 Schlachten gewann und doch lieber Racines „Athalie“ gedichtet haben wollte als den Siebenjährigen Krieg erfochten; dabei gibt der Film gerade in einem erfundenen Hauptteil der Handlung den echten Friedrich. Fabel ist, daß er vom Flötenkonzert zum Krieg aufbrach. Doch es ist eine Legende mit dem Pulsschlag der Wahrheit: so bekannte er sich selbst zu seiner Arbeit, die er in einem Atemzuge auseinanderteilte (wie Dutzende von Briefen belegen): indem er komponierte, Armeebefehle ausschrieb, pokulierte Briefe ansagte.
Darum ist es ein großer Einfall: das Konzert mit dem Kriegsaufbruchbefehl zu mischen. „Von diesem Flötenkonzert wird noch die Welt sprechen.“
Zwischendurch erledigt der König die Privat-Affäre im Hause Lindeneck. Und dann – – Krieg!
Ein Gespräch mit einem langen, Irgendwo rekrutierten Kerl, ob der lieber in der Heimat bleiben wolle . . . und eine deutliche Adresse ins Publikum, Krieg oder wir werden zermalmt . . .
Historisch belegt sich’s so:
1758 schreibt Friedrich an de Catt: „. . . es muß weiter gerauft werden! Wofür? Um uns einen Namen zu machen!“
– und dieses Bekenntnis des philosophischen Militaristen:
„Es hat immer Kriege gegeben, und was es immer gegeben hat, das ist notwendig – obgleich ich nicht wüßte warum – also wird die Kriegsfurie immer diesen unseligen Erdball verwüsten . . .“
Von diesem Kriegs-Fatalismus Friedrichs weg bekennen sich König und Film zum Kriege – Positivismus, zur heroischen Truppenschau, kein Spießrutenlaufen, kein Profoßwesen stört sie, zum Wehrgedanken, zum Preußengeist – – und was man noch in die demonstrativen Klange der friderizianischen Märsche am Ende dieses Films hineinlegen will.
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Tonfilmtechnisch wurde das Werk in der anständigsten Form bewältigt.
Dem Regisseur Gustav Ucicky liegen hurra patriotische Drücker fern. Er erbringt einen erneuten Talentbeweis. Produktionsleitung: Günther Stapenhorst.
Die besten Darsteller sind eingesetzt in: Kaßler, Karl Goetz, Loos. Brausewetter, v. Meyerink, Herzberg, Sokoloff, Wäscher.
Das Familien-Lustspiel Lindeneck bestreiten: Renate Müller, Hans Rehmann, Theo Lingen. Ausgezeichnet kontrastiert, Menschen unter ihren Kostümen.
Raoul Aslan (Brühl), und Walter Janssen (Maltzahn) – gute Partner der Darsteller-Diplomatie.
Ton: Fritzsching, Kamera: Hoffmann; – vieles dabei, was man bisher im Tonfilm noch nicht gehört oder seit langem nicht mehr gesehen hat. Wie die Nebelszenen an den Grenzen, die Bildraserei der Verfolgungsjagden.
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Idyllisch-historische Lustspiel-Welt, legendäre Fridericus-Rolle, offenes Kriegs-Bekenntnis – – Filmkunst mit militaristisch-nationaler Tendenz . . . Daß es da im gegenwärtigen Deutschland zu Stürmen der Zustimmung und zu Protesten kommt, verwundert nicht.
Königs-Legenden im Plakatstil, Volksappell unter Scheinwerfer: man erwarte da nicht philosophische Ruhe als Kinobürger-Pflicht.
Aber zu einem Volksentscheid ist dieser Film kein Anlaß.