
Originaltitel: Der Sohn der weißen Berge. (Der Teufel vom Matterhorn.) Hochgebirgsfilm 1930; 87 min.; Regie: Mario Bonnard; Darsteller: Luis Trenker, Renate Müller, Maria Matray, Michael von Newlinsky, Leo Peukert, Sophie Pagay, Berthe Ostyn; Itala-Tobis-Film.
Das Verschwinden eines Reisenden bringt einen Bergführer unter Mordverdacht. Am nächsten Tage soll er in einem Skirennen als Favorit starten. Der Gefängniswärter läßt ihn ihn über Nacht frei; am Morgen hat er den „Toten“ in einer Schutzhütte wohlauf angetroffen. Versicherungsschwindel. Der Bergführer gewinnt dann das Rennen.
Zusammenfassung
Turri Alton, Holzschnitzer und Bergführer in Zermatt, und seine beiden Freunde Ralph Sorel und Jean Coste sind die drei besten Skiläufer der Schweiz.
Ueberall, wo sie auftauchen, hört man sie schon von weitem durch ihr Lied, den Marsch der „Drei Musketiere“, gesungen von zweien, gepfiffen von dem dritten. Bei einem Skibummel sehen die Drei plötzlich eine Schneewand, in der seltsamerweise zwei Beine zappeln. Sie kommen näher, sie fassen die Beine, ziehen sie heraus . . . und sehen vor sich die bezauberndste Frau, die je in Zermatt war . . . Mary, eine junge Amerikanerin, die bei einer tollen Abfahrt in diese Schneewand geraten ist.
In Grindelboden werden schon alle Vorbereitungen für die Wintermeisterschaften der Schweiz getroffen. Alle Nationen der Welt sind vertreten. Die Hoffnung der Schweiz sind die drei Musketiere von Zermatt.
Turri Alton bewohnt in Zermatt ein kleines Haus, – in dem seine Mutter und eine junge Waise, Christine, eine entfernte Verwandte von ihm, lebt, – die ihn liebt, . . . . still und schweigsam, kaum durch gelegentliche Zärtlichkeiten verraten . . .
Nacht über den Bergen. Jazzmusik aus den Hotels. Mary tanzt wie jeden Abend. Sie hat hier einen ganz bestimmten Partner, – einen Ingenieur Mihacs . . . Mary tanzt, aber sie langweilt sich ein bißchen in dieser Gesellschaft. Seltsame Töne von draußen. Ist das nicht das Lied der drei Musketiere ? Mary läuft hinaus auf die Terrasse. Tatsächlich – da draußen ist Turri mit seinen beiden Freunden. Die Drei steigen über die Brüstung. Mihacs vermißt Mary, als sie nach einer halben Stunde immer noch nicht wiedergekommen ist. Er findet sie auf der Terrasse mit drei Männern in Skianzügen. Mary macht ihn mit den Dreien bekannt.
Von diesem Tage an sind aus den drei Musketieren vier geworden, denn Mary macht alles mit. Mihacs ist eifersüchtig. Die Spannung zwischen ihm und Turri, die vom ersten Augenblick bestand, wächst – – – Eines Abends, als Turri nach Hause kommt findet er von einem Hotel eine Nachricht vor. Er wird für einen Gast als Führer zu einer Tour aufgefordert. Am nächsten Morgen steht er rechtzeitig vor dem Hotel.
Der Gast erscheint, es ist Mihacs. Turri schweigt. – – Er führt Mihacs hinauf. Ein großer Aufstieg beginnt. Sturm-welken stehen über dem Matterhorn. – Turri beobachtet besorgt den Himmel, herankommende Unwetter. Er warnt Mihacs vor dem weiteren Aufstieg, aber dieser besteht auf Weitergehen. Turri fügt sich und leitet den weiteren Aufstieg. Bald darauf bricht das Unwetter los. Heulend jagt der Schneesturm über die Berge – es pfeift – zischt, brodelt, stürmt . . . . Im Dorf ist man etwas besorgt um die beiden Touristen. Besonders Christine ängstigt sich um Turri. Turris Freunde trösten Christine . . . Turri ist der beste Kenner der Gegend, ihm wird nichts passieren – – und – tatsächlich taucht Turri kurz vor der Dunkelheit wieder in Zermatt auf. – – Er kommt nach Hause, spricht kaum mit Christine und den Freunden, legt sich bald zur Ruhe . . . Im Hotel wartet man noch immer auf die Rückkehr des Touristen Mihacs. Man erfährt, daß der Führer Turri allein zurückgekehrt ist. Turri wird aus dem Schlaf geweckt und befragt. Er erklärt kurz, daß ihn Mihacs oben bei einer bestimmten Hütte ohne jeden Grund entlassen habe, und daß er deshalb allein zurückgekehrt sei.
Glocken, Alarmrufe. Such-Expedition nach Mihacs. Turri macht den Aufstieg mit. Er muß zeigen, wo er sich von Mihacs getrennt habe. Durch den nachlassenden Schneesturm steigen die Helfer mit Fackeln in endloser Reihe aufwärts. Am frühen Morgen findet man einen Teil von Mihacs Gepäck. Und . . . dann findet man unten in einer Gletscherspalte einen Teil seines Rockes und in seiner Tasche ein Notizbuch. Die letzte seltsame Eintragung lautet:
„Das Benehmen des Führers ist so seltsam. Er benimmt sich absolut feindlich gegen mich. Ich fürchte um mein Leben !” Turri beteuert, daß nicht das Geringste zwischen ihm und Mihacs vorgefallen ist, das diese Worte rechtfertige. Nutzloses Bemühen. Turri wird auf der Stelle verhaftet – und als Gefangener wieder nach Zermatt zurück- gebracht.
Die Schweizer sind verzweifelt. Welche Mannschaft soll man jetzt bei den Winterspielen starten lassen ? Der beste Mann ist fori – ! ! Immer noch sucht man nach Mihacs Leiche. Sie wird nicht gefunden. – Coste und Sorel wollen bei den Wintermeisterschaften nicht ohne Turri antreten. Christine ist verzweifelt Sie trifft sich auch mit Mary. Fast werden die beiden Frauen trotz aller Abneigung Freundinnen, weil sie um denselben Mann zittern.
Tage sind vergangen, morgen beginnen in Grindelboden die Kampfspiele. Turri hat längst eine seltsame Idee . . . Er will nicht sagen, um was es sich handelt . . . er ersucht den Gefängniswärter, ihn für diese Nacht freizulassen . . . er hat heute Nacht noch eine Tour vor und wird entweder am frühen Morgen seine Unschuld beweisen können . . . oder ins Gefängnis zurückkehren. In finsterer Nacht läßt der Wärter Turri frei. Dieser benachrichtigt Sorel und Coste, sie sollen auf ihn bis zum letzten Moment warten, – dann geht er davon in die Nacht. In der Soveig-Hütte, wo er dachte, daß Mihacs sich versteckt hält, findet er niemand. Er ist verzweifelt und kehrt niedergeschlagen zurück. Der Morgen dämmert. Da erreicht er auf seinem Rückwege eine halb verfallene, kaum mehr besuchte Hütte. Ein Geräusch, das von der Hütte kommt, macht ihn stutzig, er dringt ein. In der Hütte sitzt Mihacs, der „Tote“.
Das Folgende geht sehr schnell. Ehe Turri noch etwas sagen kann, zieht Mihacs seinen Revolver und will schießen. Ein furchtbarer Kampf entsteht . . . Dann gelingt es Turri endlich, Mihacs zu fesseln . . . Mangels anderer Hilfsmittel steckt er ihn in einen Sack. Er ist kaum mit dem Binden fertig, da erklärt ihm Mihacs, daß er sich nicht grundlos versteckt habe. Sein Leben ist mit 100000 Dollar versichert. Wenn es ihm gelungen wär, nur noch eine Woche für tot zu gehen, hätte seine Frau das Geld ausgezahlt bekommen. Turri baut einen provisorischen Holzschlitten, bindet Mihacs darauf fest, und den Schlitten hinter sich herziehend, saust er die Berge hinunter.
In Grindelboden beginnen die Konkurrenzen. Immer noch wartet Mary, Sorel und Coste . . . In fünf Minuten geht der letzte Zug, mit dem sie fahren müssen. Trauriger Abschied von Mary. Sie soll noch warten, die beiden anderen müssen fort. Und zu derselben Zeit macht Turri die tollste Abfahrt seines Lebens. Einen Sack mit einem Menschen auf dem Schlitten hinter sich herschleppend. Heute zeigt er, daß er wirklich der beste Skiläufer der Welt ist.
Mary wartet. Und dann taucht plötzlich eine Schneewolke auf – – ein Mensch – Turri ! Wie ein Phantom jagt er an ihr vorbei. Turri landet vor dem Polizeibüro. Unter freudigem Geschrei der Leute übergibt er der Polizei den „Toten“.
Plötzlich hört man das Geräusch eines sich nähernden Motorrades. Die Leute springen zur Seite, während Turri in den Vordergrund kommt und verblüfft zu dem sich nähernden Motorrad sieht.
Mary saust vorbei, wirft ihm das Ende eines Seiles zu. Turri hat sofort die Situation erfaßt, er ergreift das Seil wird von dem Motorrad mitgeschleppt, verschwindet.
Die Meisterschaften in Grindelboden sind im Gange.
Die Sprungkonkurrenzen. Entsetztes Schweigen bei allen Schweizern, die Norweger kommen glänzend ab, stehen jeden Sprung und liegen in der Gesamtwertung schon weit vorn. Der Lautsprecher brüllt. Es scheint klar: die Schweiz muß ohne Turri verlieren. Inzwischen steuert Mary das Motorrad durch die Berge – Turri hinter dem Motorrad – ein Skijöring, wie es die Welt noch nicht sah. Die Lautsprecher brüllen. Die Langlaufkonkurrenzen beginnen. Eben geht Norwegen ab. Nächste Startnummer: Schweiz ! Die zwei Freunde treten an – und der Ersatzmann und – – – da kommt es. Nämlich Turri. Startzeichen ! Los ! Turri ist von den Anstrengungen der letzen Stunden sehr mitgenommen und trotzdem ist er der Mann, der immer wieder die beiden Kameraden mitreißt, der ihnen hilft, immer weiter, immer weiter – – es geht um die Meisterschaft.
Der Lautsprecher erklärt: „Die ersten in Sicht ! Man kann noch nicht genau erkennen, wer sie sind !” – – Sie kommen näher – – ganz großes Finish . . wahrscheinlich sind es die Norweger . . . Immer näher und näher kommen die drei Gestalten. In atemloser Stille wartet das Publikum . . . da – – Turri Jagt durch das Ziel, hinter ihm Coste und Sorel ! . . . Sieg ! In dem brausenden Lärm der begeisterten Masse Mary. Sie drängt sich durch die Leute und schreit: Hans ! Turri der mit Sorel und Coste inmitten einer Gruppe von Menschen steht, die ihm die Hände drücken, dreht sieh um, lacht ihr zu, geht auf sie zu. Von der anderen Seite der Menschenwand drängt sich Christine heran und ruft: Hans ! Mitten in der Bewegung stockt Turri, blickt zu Christine hin, einen Moment schwankt er zwischen Mary und Christine – – läuft dann kurz entschlossen auf Christine hinzu. Er packt sie, umarmt sie und hebt sie im Kuß hoch. Mary bleibt einen Moment betroffen. Aber dann faßt sie sich sofort wieder und zusammen mit den Menschen, die um sie stehen, winkt sie Turri zu. – –
Kritik (Lotte H. Eisner, Film Kurier #190, 08/13/1930):
Das Lied vom braven Mann, der allen Intrigen und Amouren zutrotz auf seinen Skiern ins Siegesziel einfährt.
Die Zuschauer erlebens voll Begeisterung. Dieses Ziel, das selbstverständliche happy end – hier wirds Ereignis.
Denn diese Talfahrt der Skimannen gerät zum Heldenepos, gewaltig in seiner anhaltenden Spannung, gewaltig in seiner Kraft, in der Apotheose des Leibes. Meter auf Meter wird verfolgt, die Kamera holt sich Mann nach Mann heran, läßt nicht nach in dem erregenden Hinabstürmen Phantastik der Sprünge, Federnde, die plötzlich sich abschnellen, tiefe Furchen in die Schneebahn geschnitten, Ueberwindung von Zeit und Weite – es überwältigt die Eindringlichkeit, die Intensität des Augenblicks, der stets vom nächsten Augenblick ohne Nachlassen gesteigert wird.
(Da ficht es nicht an, daß Turri-Trenker am Matterhorn nach Filmwillen als freier Schweizer für Deutschland zu siegen hat. Right or wrong – es siegt die sportliche Höchstleistung. Es siegt jene (Daseins-) Freude an den weißen Bergen.)
★
Wie die Siegesfahrt läßt Mario Bonnard den zweiten Höhepunkt des Films eindringlich werden: die Suche nach einem Vermißten.
Durch nächtlichen Schnee geistern Fackeln, eine lange Kette von Lichtern zieht sich entlang. Das geht wieder so Meter auf Meter, als höre die Suche nie auf. Immer weiter stapfen die Helfer, immer wieder zeigt sich die Lichtschlange im Schnee. Bis dann von überwältigender Bildwirkung neue Lichteffekte gebracht werden – Gletscherspalten, Gletscherhöhlen, in denen Eis, Nachtdunkel und Fackelhelle zu einer Symphonie der Kamera werden.
Grandiose Leistung der Kameraleute, die danach jene Talfahrt so stark zu wissen bringen: Allen voran Albert Benitz, einer von den Fangleuten, der die Gletscherwelt faßt, erstehen läßt, unbestechlich im Sehen sie bezwingt. Ihm zur Seite Neubert, Franz Planer, Bewährte.
Hier gewinnt auch die begleitende Musik ihre Bedeutung: Becce untermalt die Spannungsdauer mit einer an die Nerven gehenden, künstlerisch bewußten Monotonie, die am Platze ist.
Zwei Momente, die den Rahmen sprengen, durch die Neppachbauten brechen.
Die Handlung selbst, von Bonnard und Malasomma nach einer Trenker-Idee gemacht, – Kriminalfilm in den Bergen – bleibt Vorbereitung, Auftakt für sie.
Das Drehbuch sieht Tonüberblendungen vor – einen Kuß, der übergeht in Pfropfenknallen, Gläserklang, der eingeht in das Schlagen der Uhr. Stärker aber als diese nicht ohne Zwang geglückten Uebergänge ein Tonmoment: es kommt zu einem Ringen in der Hütte, das man bei verschlossener Tür nur zu hören bekommt, derweil nur die Tür im Bildfeld bleibt. Und dieses Ringen wird unheimlicher, eindrucksvoller im Hören als ein Zeigen des Ringens selbst.
Das Akustische ist in diesem Augenblick nicht Beigabe, sondern Selbstzweck geworden. (Der Ton selbst jedoch bleibt ungleich, vor allem am Anfang sind ganze Passagen schwer verständlich. Noch siegt die Bildkamera über die Tonkamera.)
Die drei Matterhorn-Musketiere bekommen reiche Gelegenheit auf Skiern durchs Leben zu stürmen. Louis Trenker wirkt am stärksten, wo er ohne viel schauspielern zu müssen, sich in seinen Bergen austoben kann. Lustig und frisch spielen seine beiden Genossen Karl Steiner, Emmerich Albert, die Skimeister.
In diesem Film der Berge und Männer haben die Frauen es nicht leicht. Renate Müller und Maria Solveig bleiben Episoden.
Michael von Newlinski hält den Gegenpart. Er spielt einen Intriganten, seiner schwierigen Rolle bewußt, wie er sie voll Takt und Zurückhaltung in der Nuancierung auszuwerten versteht.
Mit einem direkt nus der „Fledermaus“ entsprungenen Gefängniswärter holt sich Felix Bressart seinen Lacherfolg. Am Schluß anhaltender großer Beifall. Trenker im Skidreß bekommt Ovationen.