The Song Is Over

Originaltitel: Das Lied ist aus. (Madame sucht Anschluß.) Liebeskomödie 1930; 101 min.; Regie: Géza von Bolváry; Darsteller: Liane Haid, Willi Forst, Margarete Schlegel, Ernő Verebes, Otto Wallburg, Fritz Odemar, Hedwig Bleibtreu; Super-Tobis-Film.

Einer Operettendiva ist der neu angestellte Privatsekretär nicht gleichgültig, ihren Verehrern ein Dorn im Auge. Diese bringen ihn, den sein Pflichtbewusstsein bisher gehindert, mit seiner Chefin in Beziehung zu treten, schließlich zur Überzeugung, dass eine Verbindung mit ihr in finanzieller Hinsicht unhaltbar. Darauf verzichtet er, und sie heiratet resigniert einen Fabrikanten.

Zusammenfassung
In der Carlton-Bar herrscht fröhlichste Stimmung, gilt es doch, den neuesten Bühnenerfolg der beliebten Operettendiva Tilla Morland zu feiern. Umgeben von ihren Verehrern, dem Baron, dem Verleger und dem reichen Fabrikantensohn Jerome Tönli, „den Heiligen drei Königen der Morland“ sitzt Tilla in einer Loge und nimmt die Huldigungen mit bezaubernder Liebenswürdigkeit entgegen. Man bittet sie, den Hauptschlager aus dem 3. Akt des neuen Stückes zu singen, und dem allseitigen Drängen muß sie schließlich nachgeben. So singt sie das „Lied vom kleinen Gardeoffizier“, der sorglos in den Tag hineinlebt, der sorglos in den Krieg zieht und der schließlich, als die Waffen ruhen und man alle Soldaten nach Hause schickt, vor der Frage steht : „Was soll nun aus mir werden ?“ Alle Zuhörer sind hingerissen von der herrlichen Stimme und dem fesselnden Vortrag der Morland. Nur ein Gast, ein junger Mann von etwa 29 Jahren, sitzt allein an einem kleinen Tisch, abgesondert und unbekümmert um die Vorgänge um ihn herum. Doch die Stille im Raum und der Gesang der Morland läßt auch ihn aufhorchen, und während er den Worten des Liedes folgt, wird er ernst und verstimmt. Er erhebt sich plötzlich, und in den Gesang hinein ruft er laut den Kellner, zahlt und verläßt den Raum. Tilla bricht empört den Gesang ab. Alle Anwesenden sind im ersten Augenblick sprachlos, dann macht sich ein Sturm der Empörung über die Taktlosigkeit des jungen Mannes Luft. Die fröhliche Stimmung ist vorbei, und Tilla verläßt mit ihren Freunden entrüstet die Bar.
Selbst am nächsten Tag kann sie sich noch nicht über diesen Vorfall beruhigen. Vergeblich haben sich die drei Freunde bemüht, ausfindig zu machen, wer der freche Kerl war und was ihm zu seinem seltsamen Benehmen Veranlassung gab. Die ganze Wut Tillas über den Skandal, der natürlich schon stadtbekannt ist, müssen die Drei ausbaden. Sie kündigt ihnen sogar die Freundschaft und entschließt sich kurz, die Erledigung ihrer geschäftlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten, die bisher dem Freundeskreis zufiel, einem Privatsekretär zu übertragen. Auf ein Zeitungsinserat melden sich eine große Anzahl Bewerber. Zu ihrem Erstaunen bemerkt Tilla unter diesen auch jenen jungen Fremden aus der Carlton-Bar. Ihre Wahl ist getroffen. Nur der Fremde kommt in Frage, und aus seinem Munde erfährt Tilla die Gründe für sein unpassendes Benehmen.
So wurde Ulrich Weidenau Privatsekretär der großen Tilla Morland. Ulrich erweist sich außerordentlich tüchtig und erfüllt seine vielseitigen Pflichten zur größten Zufriedenheit Tillas. Sie ist nicht nur sehr zufrieden mit ihm, ihre Freunde müssen feststellen, daß sie beginnt, sich in ihren Sekretär ernstlich zu verlieben. Zwar verstimmt es sie, daß Ulrich bittet, jeden Abend von 1/4 9 bis 1/4 11 frei zu sein, gerade zu jener Zeit, in der sie gewohnt ist, in ihrer Theatergarderobe alle ihre Freunde um sich zu sehen. Auch daß es ihr nicht gelingt, sein zurückhaltendes und förmliches Benehmen zu ändern, so sehr sie sich bemüht, ihm ihre Zuneigung zu zeigen, kann nicht verhindern, daß sie sich immer mehr in ihn verliebt. Selbst ihre Freunde, die sich vernachlässigt fühlen, erreichen es nicht, sie gegen Ulrich aufzuhetzen, nicht einmal als sie ihr zutragen, daß er seine Freizeit zwischen 1/4 9 und 1/4 11 bei einer Dame verbringt und daß „diese Dame zwischen 1/4 9 und 1/4 11“ wohl die Ursache seiner Zurückhaltung sei.
Und dennoch erwidert Ulrich Tillas Liebe. Aber nach langen Kämpfen wird er sich darüber klar, daß aus einer dauernden Vereinigung nichts werden kann, dehn wie sollte er, der arme Junge, die Mittel aufbringen, die diese von Luxus, Reichtum und Erfolg umgebene Frau als selbstverständlich voraussetzt. Bei einem großen Fest, das Jerome Tönli, der reiche Fabrikantensohn, zu Ehren Tillas gibt, versucht sie noch einmal, ihm ihre Zuneigung verständlich zu machen. Sie diktiert ihm einen Brief, einen Liebesbrief, der in deutlichsten Worten ihre Gedanken und Gefühle widerspiegelt. Verstehend will er sie in seine Arme schließen, doch er reißt sich zusammen. „Und an wen ist dieser Brief zu adressieren, gnädige Frau ?“ fragt er sie förmlich. So geht diese Liebeserklärung an die Adresse des Gastgebers, an Jerome Tönli. Tilla wird die Frau des reichen Tönli, und so kommt es wieder einmal, wie so oft im Leben, daß der die Braut nach Hause führt, der das meiste Geld hat.

Kritik (E. J., Film Kurier #238, 10/08/1930) :
Wir Kritiker wollen sein ein einig Volk von Schwestern : Dies ist ein Film für die Frauen, die Damen, die Fräuleins, die Mädchen. (Man fühlt mit.) Strömt herbei, ihr Frauenscharen.
Erfolgreichste Frauenstunde im Kino mit Märchen und Modes.
Hier wird geliefert : Eine prima, prima Liebesgeschichte, wie man sie lange nicht gesehen und gehört hat. „Gott, wie herrlich kitschig !“ – seufzen die Romantischen – – und klatschen begeistert.
Darauf zielt der Film hin : In den Hafen des sicheren Publikumsgeschäftsfilms einlanden – und dabei doch auch für den Kenner kurzweilig bleiben, von der Schablone loskommen, das Karussell anders rum drehen – –
– – so wie Dieterle „Die Heilige und ihren Narren“ stumm verfilmte. So etwas tönt und spricht jetzt, so eine „Liebesgeschichte“ . . . (die nur Hartgesottene nicht verstehen.)
Es ist schon der richtige Titel . . . „Das Lied ist aus.“ Sie konnten zusammen nicht kommen welche vorgeahnte Traurigkeit in diesem Titel ! Hier wird man weinen, wenn sie auseinandergehen.
Eine göttliche Opernsängerin – nicht von dieser irdischen Welt – singt in der Carltonbar alle drei Verse ihres soeben erfolgreich kreierten Hauptschlagers nach der Operetten-Uraufführung auf Wunsch eines einzelnen Barons. Katastrophaler Zwischenfall : Ein unbekannter Herr im Straßenanzug ruft klirrend „Ober zahlen !“ noch ehe die Sängerin den Refrain beendet und der Donner-Beifall einsetzen kann.
Das Publikum ist sofort überzeugt, daß die Operettensängerin im letzten Bilde den Protestanten heiraten wird. Das ist die Ueberraschung der Dichterin Waltrud Reisch : Es kommt anders.
Er, von seiner Großmama Ully geheißen, der ehemalige Gardeoffizier Ulrich Weidenau, wird der Privatsekretär der Operettendiva. Jetzt setzt eine flotte, ansprechende, lustige Komödie ein, der Herr Privatsekretär kriegt er sie, kriegt sie ihn ? Es kommt anders.
Uly kann aber ganz reizend sein und der Film mit ihm – : Wenn er nachts in einem alten Marionetten-Theater die Geschichte vom Prinzen und der Postmeisterstochter vorführt. Puppenspiel-Intermezzo des Ivo Puhonny Marionetten-Theaters mit einem herrlichen alten Postmeister, der zum Schluß, nachdem sich im Marionettenspiel Prinz und Prinzessin doch gekriegt haben – sich mit einer entzückenden Pose auf die Bretter legt und stirbt. Nicht ohne in einer Stotterbaß-Arie, begleitet vom Spieluhrorcheser, der Welt seine Verachtung bekundet zu haben. Der reizendste Augenblick des Abends.
Die menschlichen Marionetten machen sich’s schwerer. Die Diva buhlt und balzt um ihren Sekretär. Nichts zu machen. Daß er sie liebt, erzählt ihr die Großmutti, wie die Diva als vermeintliche Wäscheflickerin seine Unterhemden und Unterhosen zum Umarbeiten abholt. Die Begeisterung des Publikums kennt hier keine Grenzen, als die praktische Hausfrau erklärt, wie durch abzutrennenden Stoff vom Hemdenrand ein neuer Kragen dem Hemd anzupassen sei. (Ein Jubelsturm im Haus !)
Ein Spiel der Liebesverdrängung. Sie schnitten’s gern in alle Rinden ein aber sie hatten Furcht vor dem Messer. Das ist ins Zentrum der deutschen Mentalität getroffen. Der Königs-Kinder-Komplex. Das Nichtkriegen und sich doch gern haben.

Der Produktiondirektor Julius Haimann konnte aus dem stürmischen Zwischenbeifall bei der Uraufführung ersehen, daß er richtig gezielt und getroffen. Haimann hat heute schon seine Hausmarke, sein Hausensemble – die temperamentvollsten Sieger im unbeschwerten, technisch brillierenden Operettenfilm. Auch diesmal hat er die Linie gefunden.
Regie –, Photographie (besonders aufgelockert !) – Architektur – Musik – Schnitt – das läuft ineinander, ergänzt sich, steigert sich, filmkunstgewerblich vollendet.
Bolvary – Goldberger – Neppach (man muß sie in einem Atem nennen) stets besorgt, alles auf den nobelsten Stil zu treiben, regsam, reich, bei Laune, mit Tempo-Sinn.
Musik : Robert Stolz, wieder mit einem großen sentimentalen Englisch Waltz zur Stelle und einer geschmackvollen Gesamtillustration.
Dem Ensemble muß es ein Vergnügen sein, sich in solchem Rahmen zu bewegen. Das Publikum ist mit jedem einzelnen im engsten Kontakt. Alles Mechanische, alles Pantomimisch-Ferne ist hier verschwunden.
Voran Liane Haid. Ueberraschend, wie sie sich von Rolle zu Rolle wandelt. Diesmal umhüllt ihren fraulichen Charme erlesene Modekunst. Kostbarkeiten, die sie trägt und anmutvoll, wie sie sie trägt. Sie hat die schwierigsten Spielszenen, die man sich denken kann.
Die überschwenglichsten Situationen balanciert sie mit Takt aus Dort, wo sie Frohsinn und Natürlichkeit atmet – bei einem Besuch der Großmama – wirkt sie besonders liebreizend (Nur der verdrängte Liebhaber fällt ihr nicht um den Hals. Er hat den Salon in der Seele.)
Großmama – nur ein paar Szenen – das ist die Hedwig Bleibtreu. Mikrophon, wo bleibt dein Stachel ? Hier gleitet beherrschte Wortformkunst ins Ohr, Triumph der Bühnenkünstlerin.
Willy Forst, der männliche Star. Ganz starlos, darf keine Wippchen machen, keine Faxereien, nur schlicht, nur Herz. Wieviel steckt in ihm, daß er es trotzdem schafft ! Das Unaffektierte auch in der Operette – das ist entschieden Darstellungsfortschritt. Wird dieser Typ nun „Mode“ : der junge Mann, – mit guten Manieren, – der „verzichten” kann ?
Das Ensemble zeigt volle Leistung neben voller Leistung : Wallburg, diesmal nicht überblubbert. Fritz Odemar, trefflich als diskreter Salonbeherrscher, Margarete Schiegel, ein böses Zünglein – die liebe Kollegin.
Und natürlich Verebes, der Mann mit dem Lachgasgeheimnis. Gut anzuhören, der Sänger Marcel Wittrisch, dessen Stimme, mehr und mehr kultiviert, dem Tonfilm unentbehrlich wird.
Erwähnenswert, welche sicheren Begleiterdienste die Lewis Ruth Band auch diesmal leistet.

– – so viel technisches Können, so viel lebendige Schauspielergegenwart, da kann der suggestive Eindruck auf das Publikum nicht ausbleiben. Man nimmt die Operettenromantik schließlich ganz ernst – und im Foyer des Uraufführungstheaters hörte man, das Publikum, von den Tränen des Abschieds kaum befreit, nachdem das Bild der drei Verlassenen an der Trankstelle der Bar abgeblendet, ernstlich debattieren, . . . „bleibt Uly ihr Sekretär ?”
„Wird er die Zofe anleuten ?”
„Kann Tönli auf seiner Hochzeit tanzen ?”
„Geht Tilla ab von der Bühne ?“

So wird der seriöse Operettenschlager zum Kassenüberfüller werden.

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