
Originaltitel: Das gestohlene Gesicht. Kriminalkomödie 1930; 83 min.; Regie: Erich Schmidt, Philipp Lothar Mayring; Darsteller: Hans Otto, Max Adalbert, Edith Edwards, Friedl Haerlin, Hermann Blaß, Paul Henckels, Fritz Odemar, Frigga Braut; Ufa-Klangfilm.
Eine Malerin, Kopistin berühmter Gemälde, vertauscht ihre Kopie für einen Tag mit dem Original, um Name und Stellung zu erhalten, ihr Verlobter, Musikstudent und Verwandlungskünstler ohne Engagement düpiert in der Maske eines Kriminalrates die Polizei. Da das Bild zum Überfluss von einer eleganten Diebin entwendet wird, haben die beiden schließlich Mühe ihre Unschuld zu beweisen.
Zusammenfassung
„Über einen kleinen Weg
Steht das Glück Dir zu,
Wie ich auch die Karlen leg’
Herz bist immer Du.
Über einen kleinen Weg
Kommt das grobe Glück,
Hast Du’s einmal erst versäumt.
Kehrt es nie zurück!”
So lautet die Wahrsagung der hübschen, Jungen Zigeunerin für Bill, den Verwandlungskünstler in spe, Hochschüler für Musik a. D., der eben erst im Artisten-Café von dem großen Agenten Lewinsohn einen keineswegs blumigen Korb an Stelle eines Engagements nach Hamburg erhalten hat. Ja, wenn Bill eine Nummer wäre, eine Nummer wie Bellamico, der Kammersänger, den Lewinsohn umschmeichelt und der es sogar wagen kann, Bedingungen zu stellen, sich zu zieren und den Agenten bis 3 Uhr nachmittags zappeln zu lassen. Aber Bill ist jung, unternehmungslustig und ein Köpfchen! Abwarten! – Fleißig arbeitend und kopierend sitzt Lore Falk, die Malschülerin, im Museum vor einer Raffaelschen Madonna. Die Kopie ist fertig und trocken, aber Lores Lehrer, der Professor Wrede, ist gar nicht zufrieden damit. Frauen sollten überhaupt nicht malen usw. – Traurig sitzt Lore vor ihrer Staffelei, während die Fremden vorübergehn. Selbst Murrjahn, der alte Museumsdiener, vermag sie nicht aufzuheitern. Besser gelingt dies schon Bill, Lores Bräutigam, der plötzlich vor Lore auftaucht, nachdem ihr eben ein ungemein wichtiges Telephongespräch geführt hat. Der Verwandlungskünstler hatte sich verwandelt, und zwar in einen bekannten amerikanischen Film-Manager, der Herrn Bellamico am Telephon so fesselte, daß er bestimmt nicht um 3 Uhr bei Lewinsohn sein würde. – Bills Unternehmungslust steckt Lore an. Als sie einen Augenblick allein im Saal ist, vertauscht sie ihre Kopie mit dem Original im Tresor. Sie will Gewißheit, ob der Professor nur voreingenommen ist oder ob ihre Arbeit wirklich schlecht ist. – Der Raffael-Saal ist leer. Plötzlich steht eine schlanke Blondine vor dem ausgewechselten Bild, das im Rahmen des Originals hängt. Auf dem Fußboden vor dem Bild liegt der Manschettenknopf von Bill, der gerade zurückkommt, um ihn zu suchen. Schnell verdecken ein Paar hübsche Füsse das kostbare Indizium, und Bill geht wieder ab. Die Luft ist rein. Schnell tritt die Blonde vor das Bild, ein rascher Schnitt, und die gerollte Leinwand ist sorgfältig verborgen. Ein Griff in die Tasche, ein harter Gegenstand rollt auf dem Boden, Rauch steigt auf, – immer dichter! Schon ist der Raffael-Saal vernebelt, da erwacht Murrjahn, Feuer! schreit er, und aus allen Sälen flüchten entsetzt die Besucher. Die Feuerwehr rast herbei! Aber die Beamten stehen bereits vor dem leeren Rahmen. Ein ungewöhnlich frecher Bilderdlebstahl! Kriminalrat Keller, der berühmteste Kriminalist der Stadt, soll den Fall aufklären. Sein Verdacht fällt auf Lore Falk und Bill Breithen. Wo steckt Bill? – Um 3 Uhr hatte sich in Lewinsohns Privatkontor ein Herr gemeldet. Bellamico! Aber nicht der echte, sondern – ein falscher Kammersänger, der aber durchaus echt aussah. Der Manager ist starr vor Bewunderung. Bill gibt gleich noch eine zweite Probe seines Könnens. Täuschend kopiert er den berühmten Kriminalrat Keller, dessen Bild in der Zeitung ist. Da klingelt das Telefon von der Polizei aus: „Hier Kriminalrat Keller! Ist bei Ihnen Bill Breithen? Gleich wird ein Schutzmann kommen, um ihn zu verhaften. Der Schutzmann kommt auch und findet – seinen Vorgesetzten. Zwei Kriminalräte, ein falscher und ein echter, jagen sich nun, fliegen durch die Luft, werden verwechselt, nicht nur von der Polizei. – Auch die pikante Blondine mit dem gestohlenen Bild (das sie für das Original hält) gerat in die Klauen der falschen Justiz. Eine atemraubende Hetzjagd im Hotel in Hamburg bildet das Finale des Rennens, dessen Preis für den falschen Kriminalrat und glücklichen Bräutigam die Belohnung für Wiederauffindung des gestohlenen Raffael ist, während der echte Kriminalrat Keller auch etwas zurückerhält, nämlich sein „gestohlenes Gesicht“.
Kritik (E. J., Film Kurier #267, 11/11/1930):
Selbst bei den Filmen kleineren Formats erstrebt die Ufa-Produktion die Variation der Form – erfolgreich bemüht, neue Kräfte zu finden, mit Unverbrauchten aus dem mörderische Schema des Stoffes, der Darstellung herauszukommen.
Auch diese unterhaltende Magazingeschichte – nach einer Idee von I. Bachrach – atmet den Geist der Frische. Obwohl wir die Filmart aus der Stummzeit her kennen: Sensationsgeschichten um den vermeintlichen Bilderdieb, der, um berühmt zu werden, die hohe Polizei düpiert – und seine Abenteuer durch spannende Situationen, belebtes Milieu hintreibt, um selbstverständlich seine Unschuld vor dem Gesetz und die Unschuld seiner Geliebten zu erringen.
Neu und fördernswert ist neben dem sicheren Geschmack, der das Werk auszeichnet, – Produktionsleitung Bruno Duday – die Belebtheit, die Darstellung der Handlung optisch und akustisch zugleich –. Diese Art Komposition ist in dem Drehbuch von Philipp L. Mayring und J. von Cube offenbar vorgezeichnet, sie wird in der Regie von Erich Schmidt und P. L. Mayring zusammen mit eifrigen Bild- und Ton-Kameraden gut herausgebracht.
Das Prinzip solcher Mittel-Filmart ist hier richtig angewandt: Man sieht nicht Menschen starr im Raume stehen, Flugzeug oder Droschke fahren, sondern bemerkt zugleich die Welt um sie – Brücke, über die man gleitet, das kleine Hamburg unter dem Flieger – bravo, bravo, dieser Kamerawirbel, sehr richtig dieser Bild-Ton-Parallelismus, ohne ihn wäre ein leichter Programmfilm unerträglich in vier, fünf Dekorationen gepreßt. Das Erfreuliche gerade: daß er die „Dekoration“ sprengen kann, daß die Kamera Eugen Schüfftans (mit Werner Bohne) eher zehn Einstellungen zuviel als eine zu wenig macht.
Mehr wird man auch bei einem stofflich so beengten Thema mit dem Dialog nicht anfangen können, der nicht zu übertüftelt, nicht zu Papierdeutsch wirkt. Störend nur eine zu ernst geratene Kartenlegerin-Episode mit dem unvermeidlichen Schlager.
Das meiste also erfreulich flotte Schilderung: Von der kleinen Madonnenkopistin, die der Professor für talentlos hält, vom jungen Verwandlungskünstler, der des Kriminalrats Gesicht stiehlt, von der echten Diebin, die gefaßt wird. Lustig und drastisch. Falscher Feueralarm im Museum, das, wie alle Handlungsstationen des Films in kurzen Szenen mit geschickten Typen illustriert ist.
★
Zu den Technikern gesellt sich der Raumsteller: Werner Schlichting, arrangiert charakterisierende Kleinigkeiten, mit denen die Kamera etwas anfangen kann.
Auch das Heranholen neuer Gesichter hat sich gelohnt. Soviel Interesse, bereitwilliges Mitgehen und gute Laune fand man selten beim Publikum vor einem Ensemble der Unerprobten – die alle ihre Debüts gewandt bestanden.
Hans Otto: Charakterisiert seinen Doppelpart gewandt, mit sichtlicher Freude am gutsitzenden Bärtchen und seiner Maske – den leichten provinziellen Anstrich wird Berlin am Original bald abwaschen – auch dann soll er, behüte, kein Routinier werden. Sein resolutes Drauflostemperament macht gerade den Charme der ersten Bekanntschaft mit ihm. An seiner Seite: Edith Edwards sympathisch intellektuell. (Das muß also auch im heiteren Film kein Gegensatz sein, gut aussehen – mit einer Nüance Vernunft).
Friedl Haerlin: Blond gevampt, die Diebin, die sich ertappt fühlt – für solche Rollen durchaus geeignet.
Tonfilmdebütant im grauen Haar: Max Adalbert. Seine Berliner sind begeistert, wenn er als Museumsonkel sanft verträumt durch die Hallen dattert. Ein Unikum, über das das ganze Reich lachen wird.
Eine stattliche Liste guter Namen, im kleinen und kleinsten, gute Sprecher durchweg, mit sicherer Wirkung auch im verlorensten Eckchen des Films: Frigga Braut, Julius E. Hermann, Ernst Pröckl, Ferdinand Hart, Paul Henckels, Hermann Blaß, Fritz Odemar. Und viele, viele andere.
Stimmung in allen drei Vorstellungen der Uraufführung sehr angeregt. Beifall stark. Unterhaltungsfilm mit Temperament und jungen Köpfen gemacht – das muß sich lohnen. Der Kurs ist richtig.