Originaltitel: Seitensprünge. Ehekomödie 1931; 87 min.; Regie: Steve Sekely; Darsteller: Gerda Maurus, Oskar Sima, Paul Vincenti, Jarmila Marton, Otto Wallburg, Paul Kemp, Adele Sandrock, Liselotte Schaak; Cicero-Tobis-Klangfilm.
Am gleichen Tage gehen ein Architekt mit einer Tänzerin, seine Frau mit deren Partner durch, ohne daß die Gatten vom Seitensprung des anderen wissen, sich selbst für den schuldigen Teil halten. Auf dieser Grundlage kommt nach einigen Wochen und diversen Ernüchterungen eine Versöhnung zustande. Nachdem sie jedoch die Wahrheit erfahren, gehen die Eheleute neuerlich auseinander, besinnen sich aber bald eines besseren.
Zusammenfassung
Robert Burkhardt, seines Zeichens Architekt, ist mit Annemarie nun schon seit 10 Jahren verheiratet; das ewige Einerlei des täglichen Lebens hat die beiden in eine gewisse Gleichgültigkeit gebracht. Sie haben sich eigentlich nichts mehr zu sagen. Die Gewohnheit ist an die Stelle des Gefühls und der Liebe getreten.
Ein altes, fast geheiligtes Inventarstück ihres Haushaltes ist Hanne, die bejahrte Hausdame, die Annemarie gewissermaßen in die Ehe gebracht hat und die der im stillen anerkannte Diktator im Hause ist. Alles geht hier mit einer musterhaften Ordnung und Pünktlichkeit vor sich, und keine all der Pflichten und Rechte der Ehe bietet mehr eine Ueberraschung.
Robert arbeitet an einem Preisausschreiben für den Bau eines neuen modernen Warenhauses und hofft, den großen Auftrag zu bekommen, wobei er sich auf die Protektion von Annemaries Onkel verlaßt Und eines Tages trifft Onkel Emil selbst ein. Er ist ein lebenslustiger Herr, und Robert und Annemarie müssen mit ihm ins „Andalusia“, in ein etwas anrüchiges Nachtlokal gehen, wo man durch den Onkel die Bekanntschaft eines spanischen Tänzerpaares, Carlo und Lupita, macht. Die ungewohnte Umgebung, die Klange eines Tangos, der Sekt der Tanz, das alles bekommt plötzlich eine noch nie erlebte Wichtigkeit für Robert und Annemarie.
Auf Robert hat die Tänzerin, auf Annemarie – der feurige Spanier tiefen Eindruck gemacht Beide, bisher so ruhig und bürgerlich lebend, sind – sie wissen nicht wie – urplötzlich ganz verzaubert und gleichsam aus ihrem bisherigen Leben herausgerissen. Beide verbergen sich ängstlich voreinander; fast ohne es zu wollen, wie von unbekannter Macht getrieben, kommen aber beide allmählich vom Wege ab. Ehe sie es selbst merken, haben sich beide zum ersten Male belogen. Annemarie bat Carlos Tanzstunde besucht und Robert hat sich allein ebenso heimlich mit Lupita getroffen. Die Leidenschaft lodert in den beiden Ehegatten auf, aber sie wollen ehrlich gegeneinander sein, und so schreiben sie jeder einen Abschiedsbrief. Am selben Tage reisen sie, jeder mit seinem Partner ab und wissen nicht, daß der andere dasselbe Schicksal erlebt.
Nur Hanne, der brave Hausdrache bleibt zurück. Und Hanne findet die Abschiedsbriefe.
Robert und Annemarie erkennen nun beide bald auf ihrem Seitensprung, wie kurz ein Glück ist, das auf einen flüchtigen Rausch aufgebaut wurde und bei den das Heu nicht mitgesprochen hat. Lupita entpuppt sich als ein ganz oberflächliches, für Roberts Interessen verständnisloses Geschöpf, und auch Annemarie muß allzuschnell sehen, daß Carlo nichts als der typische Bintänzer ist, gewohnt, nicht zu arbeiten, sich dafür aber ein wenig aushalten zu lassen. So reift in beiden schon nach kurzer Zeit ganz spontan der Plan: Zurück! Glauben doch beide, daß der andere zu Haus geblieben ist, und jeder selbst allein der Schuldige ist Fast um dieselbe Zeit treffen sie ein, und die Versöhnung kommt sehr schnell zustande; man will über die Angelegenheit nicht mehr sprechen. Da – plötzlich – wird beiden durch Hanne klar, daß ja jeder von ihnen einen Seitensprung gemacht hat. Hanne hat eine Dummheit gemacht – und die Ehegatten sind nun absolut entschlossen, sich scheiden zu lassen. Man spricht sich schließlich in aller Ruhe aus und findet das Vergehen des anderen moralisch entschuldbar. In diesem Augenblick trifft Onkel Emil ein; er hat den Auftrag zum Bau des Warenhauses bekommen. Nachts noch schickt er den Bescheid an Robert, und dieser ist so selig darüber, daß er nicht umhin kann, noch in der Nacht Annemarie davon Mitteilung zu machen. Er kommt zu ihr ins Schlafzimmer, er setzt sich auf ihr Bett, beide vergessen ganz, daß sie sich eigentlich scheiden lassen wollten, beide entdecken, daß sie ja sooo gut zu einander passen, daß sie sich ja sooo verstehen und die Interessen des anderen wahrnehmen. – Ist es nicht eigentlich lächerlich und töricht, auseinanderzugehen? – Robert und Annemarie verzeihen sich gegenseitig den kleinen Seitensprung – und der Zuschauer wird aufgefordert, das eheliche Schlafgemach zu verlassen.
Kritik (-g., Film Kurier #067, 03/20/1931):
Ein amüsantes Lustspiel vom Groß- and Kleinkrieg der Ehe Das Publikum schmunzelt mehr als es laut lacht, der Filmsieg wird nicht mit knallig-lärmenden Ereignissen, sondern mit leichthingetuschten, wohlnuancierten Pointen errungen.
Für die endgültige Drehbuch-Fassung zeichnen vier Leute: Billie Wilder lieferte die Idee, Ludwig Biro schrieb das Manuskript, B. E. Lüthge und Karl Noti zeichnen für Drehbuch und Dialoge.
Es geht darum, daß ein gutsituiertes Ehepaar, das in diversen Ehejahren etwas gleichgültig geworden, sich bei einem durch Onkel Emil aus Breslau erzwungenen Nachtbummel in ein Tänzerpaar verknallt. Es dauert keine achtundvierzig Stunden, da sitzt er mit der auf feurig aufgemachten Spanierin irgendwo an der Riviera und sie mit dem gigolohaften Spanier im Gebirge zwischen Schneeriesen. Ein sehr amüsant inszeniertes Telefon-Mißverständnis führt sie beide zur gleichen Stunde nach Hause zurück. Durch die Tapsigkeit der Haushälterin erfahren die schon Versöhnten, die beide glauben, daß der andere daheimgeblieben ist, die Wahrheit; aber schließlich räumen die Autoren auch dieses letzte Hindernis vor dem happy ending beiseite.
Stefan Szekely führt Ereignisse und Darsteller mit leichter Hand. Er holt die besten Wirkungen aus gutstilisierten und überzeugend gespielten Dialogen heraus. Er schneidet ein paar komische Figuren immer dann hinein, wenn die Geschichte etwas blutleer zu werden droht. Die Monotonie der wohlausgeleuchteten Innenräume mildert er durch ein paar sehr schöne Naturaufnahmen. Einem Luxuslokal gibt er Atmosphäre, ein Pärchencafé ist leicht verzeichnet. Szekelys Regie fällt auf durch die Sorgfalt die auch auf das kleinste Detail verwendet wird. Ein gedeckter Tisch läßt direkt das Nachgrübeln erkennen, das auf seine Ausgestaltung verwendet wurde.
Eine ausgeglichene Darstellerschar wurde für den Film eingesetzt. Gerda Maurus hat eine ihr liegende Komödienrolle, sie ist schön, gutangezogen, damenhaft und klug, für den großen Seitensprung mit dem Eintänzer sogar zu klug.
Oskar Sima ist wieder einmal sehr sympathisch in seiner gelockerten Art die ihn hier einen mit mit diversen Fehlern behafteten Ehemann spielen läßt, der trotz beruflicher Tüchtigkeit und forcierter Selbstsicherheit ein großes Kind geblieben ist.
Paul Vincenti und Jarmila Marton sind die nutznießenden Gegenspieler, die personifizierten Wetterwolken, die an vielen Ehehimmeln auftauchen. Ihr Ziel, sich unsympathisch zu machen, erreichen sie.
Den stärksten Erfolg hat Adele Sandrock, die in tiefstem Baß eine diktatorische Haushälterin mimt. Otto Wallburgs Blubbern erweckt frohes Gelächter. Paul Kemp rührt uns als pechverfolgter Schlehmil, der stets um das ihm zu gönnende Mittagessen kommt. Sonst noch: Lieselotte Schaack und Ernst Senesch.
Technisch ist der Film ausgezeichnet. Der Ton von E. Hrich kommt klar und verständlich auf der sorgfältig gesteuerten Klangfilm-Apparatur. W. R. Lach photographierte sehr sauber, A. Knauers Bauten verraten viel Geschmack. Joe Pasternack, der Produktionsleiter, kann mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Das Publikum folgte verständnisvoll und mit Seitenblicken auf die jeweiligen Partner die Vorgänge des Films, es amüsierte sich hörbar und feierte zum Schluß die Darsteller.