Bobby Starts Off

Originaltitel: Bobby geht los. (Skandal in der Arena.) Abenteuersketch 1931; 95 min.; Regie: Harry Piel; Darsteller: Harry Piel, Annie Markart, Hilde Hildebrand, Ferdinand Hart, Kurt Lilien, Erich Dunskus, Fritz Odemar, Fritz Steiner; Ariel-Tobis-Klangfilm.

Bei einem Einbruch in ein unbewohntes Schloß wird ein Unbekannter befreit, der, aus Bewußtlosigkeit erwacht, sein Erinnerungsvermögen verloren hat. Er heftet sich an die Fersen einer Frau, die ihn kennt, mit deren Hilfe er Anschluß an seine Vergangenheit zu finden hofft. Später erinnert er sich ein Boxer zu sein, der am selben Abend zum Kampf antreten soll. Tut dies in letzter Minute, findet sich mit einem Mädchen.

Zusammenfassung
In einem unbewohnten Schloß erbrechen Diebe eine große Truhe, in der sie antike Kostbarkeiten vermuten. Aus ihr steigt ein Mann empor, fast nackt, mit wirrem Haar und energischen Gesichtszügen. Er hat keine Ahnung, wie er in die Truhe gelangt ist, noch weiß er sich zu besinnen, wer er Oberhaupt ist. Ein heftiger Schlag über den Kopf hat ihn seines Gedächtnisses beraubt, ein Fall, wie er sich öfter in ärztlichen Protokollen findet Diesem seltsamen Fremden fehlen alle Anhaltspunkte um eine Spur zu sich selbst zurückzufinden. Das Schloß ist unbewohnt und ihm unbekannt – es soll in drei Tagen versteigert werden.
Die Polizei stört ihn in seinem Nachdenken, – er verfahrt etwas unsanft mit den Beamten, die ihn festnehmen wollen, und läßt sich von den Gaunern in ihren Schlupfwinkel führen, ins Hotel zum roten Jonas, eine üble Spelunke im Norden der Stadt. Hier bezieht er das „Fürstenzimmer”, nachdem er sich durch den lächerlich billigen Verkauf eines sehr kostbaren Ringes, den er am Finger trug, die Gunst des Wirtes verschafft hat. Der Ring trügt die Inschrift: „Meinem lieben Bobby!”
Bobby schlaft bis in den Nachmittag hinein, dann aber erwacht er zu intensivem Leben und stellt das „Hotel” gründlich auf den Kopf, bis allen seinen Wünschen genüge getan und er zwar fragwürdig, doch von Kopf bis Fuß neu eingekleidet ist . . .
Um diesen Zeitpunkt herum erscheint in seinem Zimmer überraschenderweise ein reizendes junges Mädchen, das sehr wild und ungebärdig ist und von ihm verlangt, er solle sofort hier verschwinden, da das Zimmer ihr gehöre. Bobby findet die Kleine zwar reizend, aber er denkt nicht daran, auf das Zimmer zu verzichten Sie kabbeln sich beide heftig, er gibt Marietta – der Nichte des Wirts – wie sich herausstellt, – einen Kuß, erhalt dafür eine Ohrfeige, – dann aber wirds tragisch: Padube, ein wilder Bursche, der maître de plaisir dieser Animierkneipe, erscheint, um Marietta abzuholen. Sie soll unten im Gastraum vor den sensationslüsternen Gästen aus dem Westen, vor den Dirnen und Ganoven nackt tanzen! . . . Marietta hatte sich rasch versteckt, bevor er eintrat, aber Bobby sieht gleichmütig zu, wie Padube sie aus ihrem Winkel hervorholt. Dann jedoch fordert er Padube höflich auf, voranzugehen. Grinsend entfernt sich der Zuhälter. Bobby erscheint mit Marietta auf dem „Gala-Abend” des Hotel zum roten Jonas . . . Es geht hübsch toll zu . . . Aber Marietta braucht nicht nackt zu tanken: Bobby läßt seine Fäuste sprechen und zwingt an ihrer Stelle Herrn Padube selbst, „nackt zu tanzen”, Indem er ihm kunstvoll die Kleider vom Leibe reißt und ihn in einem prächtigen Boxkampf vor sich hertreibt, bis er knockout umfälllt . . . Die Begeisterung ist allgemein und Bobby ist aller Sympathien gewiß. Marietta ist während des Getümmels verschwunden. Dafür steht aber im Eingang eine elegante schöne Frau im weißen Pelzmantel, In Begleitung zweier Herren im Smoking, sie sieht überrascht zu Bobby hinüber und ruft: „Das ist doch Bobby?!” Die beiden Herren sehen sich hinter Ihrem Rücken erschrocken an; „Wie ist denn das möglich, daß der Kerl hier wieder auftaucht?!” . . . Dann dringen sie die Dame unter einem Vorwand rasch hinaus. Zu spat kommt Bobby, von Gurkenkarl benachrichtigt, dazu, – er kann sich nur noch die Nummer des davonsausenden Kabrioletts merken. – Als Bobby sein Zimmer betritt, findet er vor das Bett einen Paravent gerückt, hinter dem die Stimme Mariettas zu vernehmen ist, die ihm in herzlichen Worten für die Rettung vor Padube dankt . .
Bobby aber ist brummig und sehr in Gedanken, er laßt sich von den schmeichelnden Worten Mariettas nicht rühren und begibt sich auf dem wackligen Kanapee zur Ruhe . . .
Am nächsten Morgen ist Marietta bei seinem Erwachen bereits verschwunden! . . . Bobby bedauert dies mehr, als er sich zugeben möchte und begibt sich in die Stadt, den Besitzer des Autos zu ermitteln . . . – Der Wagen gehört Olga Loty, einer Freundin zahlungskräftiger Herren, der Dame im weißen Pelzmantel. In ihrer Villa ruft Bobby an, sie bittet ihn, überraschenderweise stürmisch, sofort zu kommen. Sie schwärmt ihrer Masseuse, die sie gerade bearbeitet, von Bobby vor. Die Masseuse Ist – Marietta! … Sie wird eifersüchtig, bekommt einen Wut-anfall und massiert Olga grün und blau. Dann rennt sie davon. – Im Salon an Bobby vorbeistürmend, der sich nicht wenig wundert Aber auch Olga kann ihm nicht sagen, wer er ist! . . . Sie kennt ihn nur von einem aufregenden Wasserabenteuer her, wo er sie gerettet und ins Haus gebracht hat, nicht ohne noch ein paar reizende Stunden mit ihr zu verleben. Leider hat sie ihn nicht nach seinem Namen gefragt – so verliebt war sie gewesen … Die Adresse der beiden Herren will sie ihm aber erst abends verraten, wenn sie ihn mit ihren Freunden bekannt macht, – jetzt soll er erst mal ganz allein ihr gehören . . . Bobby hat dazu wenig Lust. Br rückt in einem günstigen Augenblick aus, mit dem hinterlassenen Versprechen, abends wiederzukommen. Sein Weg geht in den Schönheitssalon, wo Marietta angestellt ist. Hier läßt er sich von ihr maniküren und stellt ihr dabei ein paar ernsthafte Fragen, die sie völlig zu seiner Zufriedenheit beantwortet Leider kann er sich nicht ebenso befriedigend für Marietta über seine Existenz äußern, so daß es wieder zum Krach und zu einer neuen Trennung kommt …
Betrübt die Straften entlangschlendernd, hat Bobby gleich darauf eine schicksalsschwere Begegnung, – der Nebel um sein Gedächtnis schwindet – eine Ahnung steigt in ihm auf – – die Ereignisse überstürzen sich – – wer ist Bobby nun wirklich?! . . . Und wie kam er in diese verteufelte Situation? . . . Wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen, – aber es wurde noch ein aufregender Abend für unseren Bobby . . .

Kritik (Hans Feld, Film Kurier #284, 12/04/1931):
Wir haben Mühlen-Schultes inkonsequent konsequente Schundliteratur vom erwachenden Bobby mit aufrichtiger Begeisterung gelesen. Nicht ohne Befürchtung aber hat der Kreis der Bobby-Freunde der Verfilmung entgegengesehen.
War es überhaupt möglich, ein Schriftwerk, dessen Wert eben in der Distanzierung zur Unterhaltung steht, die es erstrebt, optisch zu fassen? Ließ sich diese Ueberlegenheit des Sprachlichen in bewegtes Bild fassen?
Die Wahrer echter Leserfreuden können beruhigt sein, Hans Rameau hat den richtigen Dreh gefunden. Bobby ist groß und Piel sein Interpret.

Wie geht dieser Boxer mit dem verlorenen Gedächtnis schon nach den ersten zehn Minuten los! Eine Kaschemme veritabler N. O.-Prägung wird zusammengefegt, daß nicht nur daß Publikum voller Elan mitgeht. Auch die Gannoven selbst, soweit Harrys Hiebe nicht ihnen gelten, sind über die fachliche Knockout-Leistung enthusiasmiert.
Natürlich gilt dieser Kampf einem ganz Großen und ganz Bösen. Es ist unser Buchfreund Padube, der jene unglückliche Maniküre Marietta zu Nackttänzen zwingen will. Dafür zieht ihn Bobby mit einigen kunstgerechten Schlägen selbst aus
Um einen Clou allerdings hat uns der gar nicht spaßverständige Zensor gebracht. „Folgender Teil ist verboten: Im 4. Akt nach dem Sprechtitel; „Bobby feste – gib ihm!“ die Bildfolgen, in denen Bobby sein Opfer in der Kaschemme durch Faustschläge zum Tanzen zwingen will und ihn anschließend zum Fenster hinauswirft. Länge: 31 m“ (Ihn, den Opfer; Beherrschung des Schriftdeutschen sollte auch für Filmprüfer obligatorisch sein.)
Schade um jeden Meter, der uns verlorengegangen ist. Schatten auf der Unterwelt.
Neu ist, auch uns Kennern, die Lösung der Vorlebensfrage Bobby erwache –, wer hätte es für technisch möglich gehalten, daß da, in den letzten 300 Metern, noch ein solcher Auftrieb im Endspurt erfolgen könne.
Es gibt einen brillanten Boxkampf. Rücksichtslos, ohne die Detailarbeit der Kamerafinessen, geht’s eine Dreiminutenrunde durch. Bobby zeigt sich als gewaltiger Schläger; doch ist der Junge auch hart im Nehmen, und er hat einen Titelhalter gegen sich, der es ihm schwer macht.
Da rast nicht nur die Arena des Sportpalastes . . auch das Kinopublikum zeigt seine Anteilnahme mit Applausstürmen.
Auch wer die eigene Marke der Piel-Arbeit seit Jahren kennt, schätzt und liebt, wird immer wieder durch die innere Sauberkeit des Fabrikationsprinzips sympathisch berührt. Hier wird vorbildliche Arbeit am deutschen Film geleistet: Die Mache bürgt für fugenloses Funktionieren des Apparats. Manuskript, Regie, Schnitt ergänzen sich; am Anfang steht die Vorbereitung.
Alte Filmbasen sind am Werke, die jede Wirkung kennen. Die wissen, was sie ihrem Publikum schuldig sind. Für gutes Eintrittsgeld wird prima Unterhaltung geboten.
Es gibt kein falsches Startum. Piel steht im Mittelpunkt; aber er muß sich dieses Zentrum immer wieder erobern. Denn erst seine Verve, der Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit sichert die Ausstrahlung.
In einer Produktionsepoche, die Probleme übersieht oder verquert. Schein für Sein ausgibt, in diesem Jahr des Schwanks ist das ungesuchte Draufgängertum besonders attraktiv.
Harry Piel ist dabei nicht Kraftmeier und nicht Heldendarsteller. Seine Filme haben den Humor, der mitlachen läßt. Noch in der aufregendsten Situation ist für Entspannung gesorgt.
So gibt es am Ende nur erfreute Gesichter: auf der Leinwand, auf der Bühne, im Kinoraum. (Auch der Verleiher kann strahlen, und mit ihm der Kinobesitzer. Harry Piel besiegt die Gegenwartsmisere.)
Piel und seinen Leuten ist es um Film und Kino ernst. Das spürt man, auch wenn sie lachen machen. Und diese Hingegebenheit an den Beruf, der Fanatismus des Schaffens, gibt hoch dem achtzigsten Fabrikat seines Zeichens das Relief. (Bis 120!)

Mit ein paar richtigen Zeitgenossen hat Piel sich diesmal umgeben. Voran der prachtvolle Schlagetot des Ferdinand Hart. Komprimierte Gefährlichkeit mit einem Schuß Seele. Eine Type für sich, ein Volksstück Solo, der Ganove des Eugen Rex.
Dann die übrigen: Kurt Lilien, dessen schnoddrigkeit Lacher auf Lacher erzielt; Gerhard Dammann, Frank Günther, Kurt von Ruffin, Fritz Odemar, Fritz Steiner, Alfred Beierle. Die beiden Damen Anni Markart und Hilde Hildebrand stören nicht wesentlich.
Bauten: Gustav A. Knauer, mit liebevoller Ausdeutung des Bouillonkellermilieus. Kamera: Ewald Daub, ansprechend. Ton: Ch. Metain. (Der Rote Jonas hat offenbar schallsichere Zimmertüren gehabt.)
Fritz Wenneis musiziert geschickt über die planmäßig eingeschnittenen stummen Passagen hinweg. Er steuert einen gefällig-einprägsamen Boston bei.
Produktionsleitung: Joe Pasternack; Maskenbildner (sehr wichtig!): Arnold Jenssen.
Ein bißchen Optimismus kann uns gar nicht schaden. Und solange das Lichtspielhaus ihn so freigebig spendet, brauchen wir auch um Zukunft und Weiterentwicklung des Films nicht besorgt zu sein.

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