Cadets

Originaltitel: Kadetten. Jugenddrama 1931; 108 min.; Regie: Georg Jacoby; Darsteller: Albert Bassermann, Trude von Molo, Franz Fiedler, Johannes Riemann, Ellen Schwanneke, Paul Otto, Reinhold Bernt, Carl Balhaus, Friedrich Kayßler; Rechsliga-Tobis-Klangfilm.

Ein Generalssohn fühlt sich in der Kadettenschule unglücklich, will Musiker werden. Kommt hinter Beziehungen seiner Stiefmutter zu einem Offizier der Anstalt, stellt ihn nachts zur Rebe, den man am Morgen erschossen auffindet. Verhaftung des Kadetten, Verweigerung jeder Aussage. Erst bei der Hauptverhandlung verrät sich der Bursche des Toten als Mörder.

Zusammenfassung
Der junge Rudolf von Seddin, Sohn seiner Exzellenz des Generale von Sed­din, fühlt sich zum Musiker geboren. Die Tradition der Familie verlangt jedoch, daß er Offizier werde. Rudolf kommt in die Kadettensehule. Rudolf erfährt, daß seine über alles geliebte Stiefmutter, die nicht viel älter ist als er selbst, in irgend welchen Beziehungen zu dem Rittmeister von Malzahn stehe. Obwohl er überzeugt ist, daß die Gerüchte um die Frau seines Vaters nur Klatsch seien, sucht er doch den Rittmeister auf, um von ihm das Ehrenwort abzufordern, daß er sich nie mehr Helene, Rudolfs Stiefmutter, nähern werde. Malzahn liebt jedoch die schöne Frau und will das Ehrenwort nicht geben. Es kommt zwischen dem Kadetten und dem Offizier zu einer heftigen Auseinandersetzung, bis schließ­lich der Rittmeister Rudolf aus dem Zimmer weist. Am nächsten Morgen wird der Rittmeister erschossen aufgefunden. Rudolf wird verhaftet, und da er über die Motive seines Besuches bei Malzahn nicht aussagen will, wird gegen ihn die Anklage wegen Mordes erhoben. Wäh­rend der Gerichtsverhandlung wird je­doch der wirkliche Täter in Gewahrsam genommen und Rudolf kann rehabilitiert zu seinen Eltern heimkehren.

Kritik (E. J., Film Kurier #299, 12/22/1931):
Nach den „Mädchen in Uniform“ (hinter den strengen Mauern von Potsdam das lieblich-schwärmerische Lichtspiel) nun die Knaben im bunten Rock.
Hinter den nicht minder verschwiegenen kasernen-Gittern von Lichterfelde.
Entschwundene Zeiten, verstaubte Konflikte. Doch Peter Murr hat Memoiren publiziert, Schirokauer sie so modernisiert, als klingelten noch früh halbsieben täglich die Lichterfelder Alarmglocken den Preußen-Nachwuchs zum Aufstehen, Kompagnie antreten, auf den Exerzierplatz marsch, marsch, auf die Gäule gesetzt hopp, und los – und in den Tag hinein und in die Jahre hinaus, bis die Knöpfe wachsen, die Litzen sich dehnen . . . Kadetten-Schicksale:
Wie sie zum Manne geschmiedet werden die Männekens, den Marschallstab im Tornister. Nie auf Rosen gebettet, in strenger Disziplin gehalten, vorbildlich für den Militarismus der ganzen Welt. Doch junge Leute mit allen Sehnsüchten, die kein Schliff abschleift. Jugend bleibt Jugend, verliebt und toll, erprobte Kameraden, heimliche Rivalen.

Den zivilen Sterblichen der Vorkriegszeit kam das Gruseln über, lüftete sich einmal – wie selten geschah es – das Geheimnis über die militärischen Musteranstalten und ihre Menschen. Eine Sensation für den Bürger, wenn die Uniform nicht die Siegfriedshornhaut gegen irdische Fehle schien. Ein Skandalprozeß, ein uniformierter Kriminalfall . . . noch heute heftige Anteilnahme des Publikums an der Kadetten- und Offiziers-Affäre dieses Films.
Mitlachen und Mitleid im Publikum: der Stoff fesselt. Die Heiterkeiten im Dienstbetrieb an der Waschschüssel, beim Balltänzchen, Bettenspäße, Poussierfreuden – die Kasernenzaubereien belustigen wieder und die Tränen der Kinder locken neue Tränen. Die Generalsfamilie 1932 aktuell gemacht. „Das edle Blut“ in einem Sohn lebendig, der eher ins Zuchthaus will als den Vater und die Mutter verunglimpfen lassen oder verraten.

Keine leichte Aufgabe ein Thema von gestern an das Publikum von heut ohne politische Unterstreichung heranzubringen.
Mit einer vorsichtigen, breitumschauenden Produktionsroutine ist es versucht. Kein kurzatmiges Spiel – „vieles bringen“ die Parole. „Publikums-Elemente“ – – so faßt man drei Filme in einem zusammen: lustiges Kadettenleben, der Mordfall Rittmeister Malzahn, das Schauspiel von der Kadetten-Ehre des Rudolf Seddin. Damit nicht genug: noch ein Verweilen im Rührend-Familiären. Weihnachtsfeier bei den Untersuchungsgefangenen, mit singenden Domchorknaben, Glockenläuten – – stark angelegte Kontraste zum unbekümmerten Ballfest mit Fridericus und Militärmarsch.
Schlußteil: Scharf geführte Gerichtsverhandlung mit der Entlarvung des Mörders (den Schirokauer auch dem Publikum hätte verhüllen sollen) – – nun wieder Glück im Generalshause.
Diesen „populären“ Film-Plan (in den Ludwig Scheer die „totsicheren“ Sachen für seine Kino-Kollegen eingebaut hat) hätte euch eine weniger bestrebte Inszenierung nicht umstoßen können.

Doch man setzt den Grandseigneur der deutschen Bühne – doppelt liebenswürdig in uniformierter Noblesse – in einer Vaterrolle ein: Albert Bassermann. Er bestimmt den schauspielerischen Untergrund – in der Haftszene mit seinem Sohn wahrhaft menschlich, voller Glauben, wie ihn nur ein Vater findet.
Der Sohn: Franz Fiedler. Kein erschütterndes Talent – hier brauchbar als Schwärmer für die Musik und die Mama, von Georg Jacoby in Großaufnahmen allzu reichlich festgehalten. Auch die diffizilen Reize Trude von Molos – in einer wenig glaubhaften Rolle – werden nicht gerade kunstvoll behandelt.
Die einfache sinnfällige Verdeutlichung des Schauspielers liegt Jacoby eher (100 Possen stumpfen das Gefühl für die Nüance). Typisch – daß seine Typen am besten: Johannes Riemann, der Rittmeister, hemmungslos, „verdächtig“ – Reinhold Berat, abgestempelt als „böser Intrigant“ von seiner ersten Szene an, Karl Balhaus, Erik Ode – die guten Jungens unter den Kadetten, auch die militärisch-echtesten, – aber Ritterband (wie kommt der nach Lichterfelde?). Ellen Schwannecke, Else Bassermann, Zech-Ballot, Henckels, Beierle, Steinbeck – – viele gute Namen.
Ein Sondererfolg wie stets: Kayßler in der Gerichtsverhandlung, die symbolisierte Gerechtigkeit. (Solche Richter immer in Preußen.)
Die technische Durchführung über dem Durchschnitt. Produktionsleitung: H. Schreiber. Seine Mitarbeiter erstreben lebensechte Haltung. Erreicht in Hoeschs sachlicher Photographie, den Bauten Heilbronners, dem meist befriedigenden Ton von E. Hrich. Auch der Regie hieran ihren Lob-Anteil.
Die musikalischen Zutaten erfreulich: Peter Kreuder; mit vielen Detailstückchen, Weihnachtslied, Kadettenchor, Militärmarsch – und einer preußischen straußischen Liedkomposition.
– – die Orchester-Verwendung bei seinen Illustrationen meist mehr kühn als motiviert. Die Musik-Ausführung selbst beachtlich: Kapelle Walters. Ein tonschönes Violinsolo von Eva Staar.

Ein in seiner Anlage ausführlicher, dabei nicht schleppender Film, jonglierend mit Späßen und Spannungen, für das Familien-Kino gedacht. Vom Publikum mit Beifall empfangen.

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