Children Standing Trial

Originaltitel: Kinder vor Gericht. (Die Sache August Schulze.) Tendenzdrama 1931; 76 min.; Regie: Georg C. Klaren; Darsteller: Ellen Schwannecke, Hermann Speelmans, Carla Bartheel, Aribert Mog, Carl Balhaus, Ernst Pröckl, Paul Otto, Otto Waldis; Excelsior-Tobis-Klangfilm.

Ein halbwüchsiges Mädel wird vom Vater wegen der Stiefmutter verhauen und bezichtigt ihn, nach einem sexuellen Erlebnis mit dem Bettgeher aufgegriffen, der Blutschande. Das Gericht legt der Aussage des Kindes zu viel Gewicht bei, verurteilt den Vater. Als das Mädchen nach Wochen gesteht, erhängt er sich vor seiner Freilassung im Gefängnis.

Zusammenfassung
Die junge Hete ist die Tochter des Straßenhändlers Schulze aus erster Ehe, der Liebling ihres Vaters – ein Dorn im Auge ihrer jungen Stiefmutter Frieda. Dieses junge Mädchen wird von einem Bettgeher ihrer Eltern, einem Gewohnheitsverbrecher, verführt, glaubt sich von ihm geliebt, wird, als sie nach einem heftigen Zusammenstoß mit dem Vater wegen der Stiefmutter davongelaufen war, von der Polizei aufgegriffen und beschuldigt, da man bei ihrer Untersuchung feststellt, daß sie nicht mehr unberührt ist. den eigenen Vater, sich an ihr vergangen zu haben. Dies hat dramatische Folgen, da Schulze verhaftet und, weil Hete vor Gericht ihre Beschuldigung aufrechterhält, zu Zuchthaus verurteilt wird. Als sie endlich erkennt, daß ihres Verführers angebliche Liebe nur geheuchelt war, und gesteht – ist es zu spät: Schulze flüchtet in seiner grenzenlosen Verzweiflung aus dem Leben.

Kritik (-g., Film Kurier #120, 05/26/1931):
Das Ziel dieses Films ist gut: Es soll gewarnt werden vor der Ueberschätzung von Kinderaussagen vor Gericht besonders in Sittlichkeitsprozessen, in denen sie Respektspersonen – Eltern, Erzieher oder Lehrer – beschuldigen. Einige Fälle aus der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, daß eine solche Mahnung, an Richter und Publikum, sehr notwendig ist.
Georg C. Klaren, bisher erfolgreicher Stummfilm-Autor in Gemeinschaft mit Herbert Juttke, hat das Manuskript dieses Tonfilms allein geschrieben und inszeniert. Mit Bemühen um Objektivität, mit Vermeidung des Reißerischen. Eine in ihrem engen Rahmen sehr anständige Arbeit.
Als ungenannter Autor, Mitregisseur, Mitspieler steht die Zensur bei solchen Themen im Hintergrund. Als Hemmschuh der Gerechtigkeit! Die Zensur verhindert nämlich, daß für eine gute Sache in so wirkungsvoller Weise eingetreten wird, wie es die wünschenswerte Verbreitung des Filmgedankens erfordert. Wenn die Massen für ein Thema, das die wenigsten direkt berührt, in der heutigen Zeit der Flucht in das seichte Vergnügen begeistert werden sollen, dann muß ein solcher Film mitreißender gemacht werden können, dann muß der Regisseur freie Ellenbogen haben, dann darf er es nicht nötig haben, dauernd das Einerseits – Andererseits abzuwägen, dann darf man ihn nicht zu langweiligen Vor- und Nachreden zwingen, dann muß man es auch zulassen, daß er haßt und leidenschaftlich wird.
Man verstehe nicht falsch: Der Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“ soll nicht über allen anderen Erwägungen stehen, aber man muß dem Publikum schon etwas Zucker geben, wenn es die bittere Medizin der Propaganda schlucken soll. Was nutzen schließlich die schönsten Filmthesen, wenn sie in einer Form dargebracht werden, die – seien wir ehrlich – für den zahlenden Kinobesucher wenig schmackhaft ist?
In den Mittelpunkt eines solchen Films gehört eine verlogene, scheinheilige, hübsche Göre, die wie ein Engel aussieht, eine Seele wie der Teufel hat und wie die Garbo spielen kann!
Hier wird die Rolle besetzt mit Ellen Schwannecke. Sie ist nicht nur Objekt für den Gedanken der falschen Kindesaussage, sondern außerdem noch für das Wohnungsproblem, für das Proletariats-Elend und für sonst noch einiges. Das sind zuviele Nebenthemen, die das Hauptthema zu überwuchern drohen. Die Schwannecke wird überdies auf eine schauspielerische Basis gestellt; die schlicht-natürlich sein soll, in Wirklichkeit aber primitiv ist. Man haßt dieses Mädel nicht, sondern man hat Mitleid mit ihm. Hassen hätte aber mehr Effekt!
Hermann Speelmans ist zwar etwas zu jung für die George-Figur, er zeigt aber gute Ansätze, die noch einiges versprechen Warum berlinert er, wie drei Wedding-Bewohner zusammen? Oder erscheint von diesem Film noch eine deutsche Version?
Sonst sieht man noch Aribert Mog, Carla Bartheel, Paul Otto und Carl Balhaus.
Die Technik ist gut; Photographie A. O. Weitzenberg, Ton: Eugen Hirsch, Bauten: Mathieu Oestermann.
Das Premieren-Publikum bereitete dem Film einen sehr herzlichen Empfang.

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