
Originaltitel: Zweierlei Moral. (Frau Wera’s schwarze Perlen.) Ehekomödie 1931; 84 min.; Regie: Gerhard Lamprecht; Darsteller: Elga Brink, Hilde Hildebrandt, Walter Rilla, Ida Wüst, Aribert Wäscher, Rudolf Lettinger; Klangfilm-Prod.
Ein Generaldirektor schenkt die schwarzen Perlen seiner Frau einer Freundin, schmuggelt eine Imitation an deren Stelle. Diese raubt ein junger Sportsmann, sorgt dafür, daß die Nachforschungen auch die Untreue des Mannes aufdecken. Dieser bekommt schließlich beide Ketten, der andere die Frau.
Zusammenfassung
Bald 5 Jahre hat Wera Siethoff eine nicht besonders glückliche Ehe geduldig ertragen. Fred Norman, Frauenliebling, Sportsmann und Weltenbummler ist ein aufrichtig ergebener Freund der jungen Frau. Sein Herz gehört ihr, die ihm unerreichbar ist. Alle Welt weiß, daß Siethoff seine Frau betrügt, alle Welt, nur nicht Wera. Während sie sich bemüht “anständig” zu bleiben und Norman nicht empfängt, um seinen Attacken zu entgehen, hat Ihr Mann eine – wie er selbst zugibt – große Gemeinheit begangen. Die wertvolle Perlenkette seiner Frau, sein Hochzeitsgeschenk, hat er gegen eine Imitation vertauscht. Die echte Kette bringt er seiner Geliebten, der Bühnenkünstlerin Cora Petry. Ate Beweis seiner Liebe. Um sie noch fester an sich zu ketten. – Beinahe kommt es aber zum Skandal, als beide Frauen im gteichen Theater bei einer Premiere anwesend sind. Norman bemerkt, daß Wera und Cora, die er ebenfalls kennt, dieselben Perlenketten tragen. Er weiß nichts von Siethoffs Betrug, aber er kombiniert, daß Cora die Rivalin Weras ist. Nur seinem geschickten Eingreifen gelingt es, einen Skandal im Theater zu verhindern. Und von jetzt an steht sein Entschluß fest Die Jagd beginnt. Die Jagd! Wonach? Nach der Frau? Oder nach der kostbaren Perlenkette?
Der fünfte Hochzeitstag ist bei Siethoffs gekommen. Unter den zahlreichen Festgästen befindet sich auch Norman, der vergeblich die Gelegenheit zu einer Aussprache mit Wera sucht.
In der Nacht, nachdem die Gaste gegangen sind, geschehen seltsame Dinge. Stethoff wird durch einen Tetephonanruf zu Cora bestellt. Er tauscht Wera einen Anruf aus dem Klub vor. Bloß ein kleiner Poker mit seinem Freund Hormeyer. Wera zweifelt an seinen Worten. – Als er zu Cora kommt, findet er die Türe verschlossen. Lange Zeit wartet er ratlos. Da kommt Cora nach Hause. Von ihr erfährt er, daß sie ihn nicht angerufen hat. Der Anruf war fingiert! Was ist geschehen? – In der Zwischenzeit ist eine mankierte Gestalt in die Villa eingedrungen, um Wera die Perlenkette zu rauben. All ihr Bitten ist vergeblich. Sie muß sie ihm auliefern. Kaum ist sie fort, ruft Wera im Klub an. Sie erfährt, daß ihr Mann überhaupt nicht dort ist. Weshalb hat er sie belogen? Jetzt hat sie die Gewißheit, daß er sie betrügt. Als Siethoff bei seiner Rückkehr von dem rätselhaften, nächtlichen Besucher und dem Perlenraub erfährt, kann er nur schwer sein Entsetzen verbergen. Jetzt hängt alles an einem Faden, daß durch die Ergreifung des Täters sein Betrug mit der falschen Kette herauskommt. Und am nächsten Morgen ist sein erster Gang statt zur Polizei, wie er Wera versprochen hat zu Cora. Die aber kann ihm auch nicht raten. – Für Wera ist in dieser Nacht der Glaube an ihre Ehe zusammengebrochen. In ihrer Not ruft sie Norman zu sich. Diesem vertraut sie sich an. Er soll ihr raten und helfen. Jetzt gesteht ihr Norman seine Liebe, und Wera verspricht ihm, immer an ihn zu glauben, was auch geschieht. Was soll denn geschehen? – Ein herbeigerufener Privatdetektiv rekonstruiert den Tatbestand und stellt fest, daß nur Norman der nächtliche Gast gewesen sein kann. Norman ein Dieb? Jetzt steht Wera vor schweren Entscheidungen. Aber sie hat Norman versprochen, ihm zu vertrauen. Sie veranlaßt den Detektiv, die Verfolgung des Täters aufzugeben, und eilt in Normans Wohnung, um von ihm die Lösung des Rätsels zu erfahren. – Cora hat inzwischen Norman zu sich gebeten, um von ihm Neuigkeiten über den Perlenraub zu erfahren. Auf geschickte Weise gelingt es ihm, die geraubte falsche Kette gegen Coras echte zu vertauschen, Siethoff kommt zu Cora. Sie beschuldigt ihn, die echte Kette entwendet und gegen die falsche vertauscht zu haben. Er kann sich nicht verteidigen. Aber jetzt hat er die Gewißheit, daß Norman der Dieb ist. – Inzwischen ist Norman in seine Wohnung zurückgekehrt. Hier findet er Wera, die auf ihn wartet. Er ist überglücklich. Daß sie es gewagt hat, in seine Wohnung zu kommen, sich so zu kompromittieren, beweist ihm ihre Liebe. Er überreicht Wera die echte Kette, die er für sie zurückerobert hat. Aber an den Perlen liegt ihr nichts mehr. Allzuviel Enttäuschungen sind mit ihnen verknüpft Ihre Ehe ist tot für sie. Als Siethoff in Normans Wohnung kommt, entdeckt er dort seine Frau. Er verkennt die Zusammenhänge. Glaubt Wera beim Ehebruch ertappt zu haben. – Er hat Siethoff in der Hand. Die Entscheidung liegt jetzt bei Wera, und ihr Herz hat bereits gewählt. Siethoff hat es sich selbst zuzuschreiben, daß er seine Frau verloren. Aber er wird sich mit Cora trösten. – Norman hat mit kühnem Abenteurermut viel riskiert. Aber riskieren muß man etwas, wenn man die Frau erringen will, die man liebt. Er hat das Spiel gewonnen. – –
Kritik (E. J., Film Kurier #004, 01/06/1931):
Erste Klangfilm-Produktion –. Und wenn diese nach einer abgeschlossenen Sprechfilm-Ära, nach einem langen, langen Jahr Tonfilm-Entwicklung erst jetzt debütiert und der Erstling sich dabei als eine echte liebe Anfangs- und Jugendsünde entpuppt – – so kann ermunternde Kritik doch feststellen: dieser Fabrikationsversuch baut auf, bahnt an, ist denn doch schon weiter gekommen als alles, was die meist unglückliche Paarung zwischen Askanischem Platz und Friedrichstraße bisher zusammentonfilmte.
Eins nur bleibt prinzipiell zu bedauern: daß die Klangfilm, die an sich – infolge ihrer Tobis-Bindungen – enge Produktionsbasis nicht in größtem Stile ausnutzt, sondern in bescheidenem.
Sie will nichts „riskieren“, gewiß, gewiß – aber bei ihrem großen tontechnischen Apparat und dem Werkfleiß, der Sachlichkeitsbesessenheit, die die Zweck-Schönheit aller deutschen Werkleistungen von A.E.G. und Siemens auszeichnet, scheint das Ton-Positivum ihrer Klang-Beisteuer zu gering bemessen, zu wenig experimentell, zu selbstverständlich und längst dagewesen.
Es ist ein zu großer Unterschied zwischen dem, was in den Schaufenstern der A.E.G. und Siemens an Werk-Kunst ausgestellt – und was hier im Erstlingsfilm fürs Gehör geboten.
Soll der Weg vom Tonfilm-Nebenbei der Klangfilm-Produktion nicht ganz ernst zu einem Voll-Ton-Film-Schaffen genommen werden? Bei so viel klugen Experten und eingearbeiteten Sachverständigen!
Lege man doch bald auch die Klangfilm-Produktion zum Schauen und Hören ins Fenster der Film-Kunst.
Es wird sich lohnen. Der Anfang ist nur ein Versprechen.
★
Nach dieser kurzen Geburtstagsansprache ordnet der Film sich selbst ein: meist befriedigende Ton-Qualität (Aufnahme: Dustmann und Morhenn) mit auffälligen Mikrophon-Gewandtheiten; so eine Tischgesellschaft, die technisch gut abgehört ist. Dazu der fast schlackenlos gelungene Konversationston, der frei bleibt von allzu falschem Pathos.
Gerade das liegt auf dem Regisseur Gerhard Lamprecht, er will die recht dünn pointierende „Perlenkomödie“ von Bruno Frank als Kammerspiel reproduzieren. Ohne Possenkonzession aber auch, ohne zündenden Witz, mit Bedacht auf Deutlichkeit und Sauberkeit –; in filmtechnischer wie in moralischer Beziehung.
Lamprecht rückt sein Ehe-Spielchen mit dem falschen Einbrecher ganz in die Sphäre des Nüchternen, ja, man weiß kaum, warum der böse Ehemann die Perlenkette zu seiner Cora-Schlange bringt. Erotik unter der Glasglocke. Alle Gefühle in Watte gehüllt.
Auch die „anstößigen“ Charaktere dieser menschlichen Klein-Komödie sind noch anständig.
Zweierlei Moral? Gespielt wird das nicht, man spürt nur des Regisseurs eigene, biedere Anständigkeit. Damit schreibt man, inszeniert man keine Komödie einer heutigen Ehe.
Autoren bleiben ungenannt – und so hält man sich allein auch an Lamprecht, wenn man die dramaturgische Aufteilung, den Szenen-Rhythmus, den Schritt noch als nicht ganz geglückt empfindet.
Lamprecht hat zu geringe Courage zum Dialog – und gerade er hätte Talent dazu –, denn er beweist viel Feingefühl, dem Schauspieler Sprech-Eigenart zu lassen, jetzt wartet jeder Akteur auf seine drei, vier Worte, um sie zu bringen und dabei stehen die Personen noch meist in sehr unfilmischen Situationen, stumm und gelassen, wie sie sprechen oder handeln sollen.
So fügt sich der Film aus unzählig vielen, feinen Takten, von dem „ruhigen“ Nachmittag reicher Wannsee-Menschen am Sonntag bis zu der Endszene, die der Ehefrau die nie erspähte Rivalin in einer Oben-Aufnahme vom Fenster her zeigt – – viele volle Takte – –; aber das ganze ohne bestimmten Takt.
Das nächstemal: Den Metronom der Sinne und des Herzens einstellen! Con moto agitato.
★
Das Publikum hatte für den Willen zu einer feineren Komödie trotz ihrer Dialog-Banalitäten und Gedankenarmut ein gutes Gehör. Es fühlte sich ausgeruht und applaudierte lebhaft.
Grund dazu gaben die Schauspieler: Walther Rilla vor allem, der intelligent und salongewandt eine Curt-Götz-Rolle vor Willy Fritzschs allzu unterstrichenem Nur-Ein-Guter-Junge-Sein bewahrt, eine eigene Note bringt mit seiner intimen Herzlichkeit. Elga Brink als Partnerin, bei deren an sich vorsichtig abgewogenem Unbetont-Sprechen doch zu viel stumm bleibt. Sie hat technisch umgelernt, gefährliche Spielsituationen füllt sie nicht, wenn sie auch immer ein sympathischer Anblick ist.
In der schlecht gezeichneten Figur der „Freundin“ wirkt Hilde Hildebrandt zu unpersönlich.
Die dankbarste Aufgabe: Aribert Wäscher.
Der Herr Generaldirektor, der 5 Jahre Ehe satt hat. Kein feiner Mann – und schließlich mit seinen eigenen Ketten gefangen.
Viele Ansätze zur unterhaltenden Charakterisierung bei ihm.
Eine auffallend sprachsichere unter geschickter Selbstregie gebotene Figur: Arthur Bergen als Privatdetektiv. (Auch nicht die übliche Trottelrolle!)
Viel belacht: Ida Wüst, Jack Mylong-Münz.
Zu nennen noch: Valy Arnheim, Berthold Reißig, Lettinger.
Unauffällige Musik: von Dr. Becce. Bürgerheimarchitekt: Otto Moldenhauer; Photographie: Karl Hasselmann und A. Waltmann. Schon immer Lamprechts willige Werkhelfer.