
Originaltitel: Emil und die Detektive. Kriminalsketch 1931; 75 min.; Regie: Gerhard Lamprecht; Darsteller: Rolf Wenkhaus, Fritz Rasp, Hans Joachim Schaufuß, Hans Richter, Käthe Haack, Olga Engl, Inge Landgut, Rudolf Biebrach; Ufa-Klangfilm.
Emil, Sohn einer Witwe, wird mit 140 Mark zur Großmutter nach Berlin geschickt. Ein Dieb stiehlt ihm das Gelb. Mit Hilfe eines Berliner Jungen und dessen Kameraden wird es dem Gauner abgejagt, der sich schließlich als Bankräuber entpuppt. Tausend Mark Belohnung.
Zusammenfassung
Was kraucht dort in dem Busch herum? Indianer auf dem Kriegspfade – das schönste Spiel aller Jungens! Wie die Schlangen gleiten sie durch Strauch und Schilf. Es gilt einen entscheidenden Schlag zu führen gegen den mächtigen Feid, Wachtmeister Jeschke, den Polizeigewaltigen der kleinen Stadt. Nichtsahnend steht das Denkmal eines verdienten Mitbürgers auf seinem einsamen Platz im Stadtwäldchen. Ein Junge schleicht sich heran, erklettert das Postament. Schon der steinerne Mann auf dem Sockel eine Polizeimütze auf, und Jeschkes stadtbekannter Schnurrbart baumelt ihm unter der Nase Da – ein kurzer Pfiff der ausgestellten Horchposten. Emil Tischbein, der Attentäter, springt vom Denkmal herunter, und alle laufen, was sie können, denn – Jeschke naht in höchsteigener Person. Na wartet, Lümmels!
Mutter Tischbein ist inzwischen schlecht und recht ihrem Gewerbe als Friseuse nachgegangen, und Emil kommt gerade zu Hause an, als der Kopf der letzten Kundin trocknet – so langsam das eben geht, wenn man kein Geld hat, um einen Fön zu kaufen. – –
Und dann hat die fleißige, gute Frau Tischbein wieder alle Hände voll zu tun mit Packen, denn ihr Emil soll ja heute noch nach Berlin fahren, um die Großmutter zu besuchen und ihr bei der Gelegenheit das Geld zu bringen, das Mutter Tischbein sich als Zuschuß für die alte Frau abgespart hat. Pünktlich liefert die gute Mutter ihren Jungen am Bahnhof an, sieht ihn in den Zug klettern, ermahnt ihn zum letzten Male, auf sein Gepäck und das Geld zu achten und Pony Hütchen, die bei der Großmutter wohnt, Grüße zu bestellen.
Dann geht die Fahrt los. Emil sitzt vor Aufregung ganz artig auf seinem Platz. Ein Gespräch kommt auf, freundliches Geschwätz, in das der eklige Herr in der Ecke auch eingreift. Emil weiß nicht, soll er die albernen Scherze des Herrn ernst nehmen oder nicht, jedenfalls ist ihm der Kerl unheimlich. Noch unheimlicher wird es, als alle Mitreisenden bis auf den Ekligen aussteigen. Mit schleimiger Freundlichkeit bietet er Emil Zigaretten an, dann als der Junge dankt, einen Bonbon. Emil steckt ihn in den Mund, wenn auch nicht lange, denn er schmeckt so sonderbar – aber es ist schon zu spät. Vergeblich kämpft der Junge gegen den Schlaf, fürchterliche Träume plagen ihn, er stöhnt, und wälzt sich auf der Holzbank. Plötzlich gibt es einen Krach – Emil ist von der Bank gefallen und aufgewacht. Der eklige Herr ist schon ausgestiegen. Ein Griff in die Tasche zeigt dem Jungen, daß sein Geld fort ist. Mit aller Kraft schüttelt er den Schlaf ab, stürzt aus dem Abteil, immer hinter dem Dieb her. Der Dieb besteigt die Elektrische, Emil auch – der Dieb steigt aus und betritt ein Café! Emil von der Straße aus läßt ihn nicht aus den Augen. Mit verzweifelter Wut starrt er auf den Verbecher, der in aller Ruhe frühstückt. Was soll er machen? Allein in der großen Stadt, ohne Geld, ohne Großmutter –.
Aber schon naht die Hilfe! Gustav mit der Hupe, der Anführer der Jungens aus den Nachbarstraßen, sieht den Fremdling. Man kommt ins Gespräch. Emil aus Neustadt und Gustav mit der Hupe freunden sich an. Gustav läßt sich den Dieb zeigen und – sein Plan ist fertig. Die Hupe tönt. Von allen Seiten tauchen die Jungens auf, der „Professor“ mit der Brille, der „Fliegende Hirsch“ mit seinem Mustang (sprich Roller), und der kleine Dienstag. Rasch verteilt Gustav die Rollen. Parole ist, daß Emil sein Geld wiederbekommt. Die kleinen Detektive heften sich ihrem Opfer an die Fersen. Sie verfolgen ihn heimlich bis zu seinem Hotel und halten in der Nähe auf einem Bauplatz Kriegsrat ab. Der „Fliegende Hirsch“ beruhigt Emils Großmama und gewinnt dabei Pony Hütchen, die kesse Jöhre, als Helferin. Am Lagerfeuer wird beraten. Das Kriegsbeil ist ausgegraben. Emil gelangt durch Kriegslist sins Hotel, da sogar ins Zimmer des Feindes, aber dessen Brieftasche ist leer. Also weiter beobachten! Am nächsten Morgen sind Gustavs Mannen vollzählig versammelt, an der Spitze der „Fliegende Hirsch“ und Pony Hütchen auf ihrem Rade. Gespannt hängen aller Augen am Hoteleingang. Endlich erscheint der Schurke! Mehr als 100 Kinderaugen durchbohren ihn. Er versucht zu fliehen, erst langsam, dann schneller. Vergebens! Die Kinder stellen ihn unter fürchterlichem Geschrei, und Emil sagt ihm den Diebstahl auf den Kopf zu. Ein Schutzmann kommt. Untersuchung. Der Dieb wird entlarvt. Und siehe da: Es ist ein lange gesuchter Bankdieb, auf dessen Ergreifung eine Belohnung stand.
Nun ist alles in Butter, Großmama hat ihr Geld, Emil seine Belohnung, die Mama ihren Fön, Pony Hütchen zwei Bräutigams, und der grimmige Polizeiwachtmeister Jeschke ist auch wieder versöhnt, denn Emil ist ja nun der Löwe des Tages, und ganz Neustadt ist stolz auf seinen Emil und die Detektive.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #283, 12/03/1931):
Das war eine Begeisterung in der gestrigen 5-Uhr-VorstelIung, in der das jugendliche Element eine erhebliche Minorität repräsentierte. Ein so intensives Miterleben der Vorgänge auf der Leinwand war im Kino-Parkett schon lange nicht da. Während des ganzen Films gab es laute oder gedämpfte Entzückensrufe, und die Angehörigen der Kinder hatten alle Mühe, die vor lauter Aufregung zapplig gewordenen auf ihren Sitzen ruhig zu halten.
Vor einer Besprechung dieses Films gilt zu sagen: Dieses ist nicht nur ein Film für Kinder. Jeder Erwachsene, der nicht völlig die Freude am primitiven Sichfreuen verloren hat, muß diesen Film reizend und sehenswert finden. Es muß schön einer sehr verknöchert oder sehr blasiert sein, wenn er nicht nach den ersten zweihundert Metern auf der Leinwand seine zehn oder dreißig oder fünfzig Jahre „Erwachsenen-Dasein“ vergißt und als Kind den Sorgen und Freuden der Kinder folgt. Und was die Leinwand nicht zuwege bringt, werden bestimmt seine kleinen Besucher-Kollegen schaffen. Es ist noch gar nicht so genau heraus, ob nicht viele der Erwachsenen, die gestern ihre Schützlinge immer wieder zur Ruhe ermahnen mußten, nicht am liebsten selbst laut losgetobt hätten.
Mit diesem Film ist den Theaterbesitzern die Chance gegeben, einen wirklichen Ueberraschungserfolg zu landen. Allerdings wird der Herr Schaumann an das Unternehmen mit Lust und Liebe herangehen müssen. Aber die große Chance ist da.
Der Roman von Erich Kästner ist in wenigen Worten erzählt: Emil wird vom Lande nach Berlin geschickt, um seiner Großmutter 140 Mark zu bringen, die sich seine Mutter vom Leben abgespart hat. Er wird im Zuge von einem Verbrecher durch einen vergifteten Bonbon betäubt und beraubt. In Berlin folgt er dem Schurken und schließt Freundschaft mit einem Berliner Jungen. Dieser mobilisiert die Kinderschaft eines ganzen Stadtteiles, ein regelrechter Kriegsplan wird entworfen, der Schurke wird Tag und Nacht überwacht und schließlich der Polizei in die Arme getrieben. Er entpuppt sich als langgesuchter Bankräuber, auf dessen Ergreifung 1000 Mark Belohnung ausgesetzt sind, die Emil stolz seiner Mutter mit nach Hause bringen kann.
Das Manuskript dieses Films schrieb Billie Wilder. Eine saubere, vorbildliche Arbeit. So muß ein Detektiv-Film aussehen, so logisch und geschlossen.
Wilders Arbeit ist um so mehr anzuerkennen, als sie nicht ohne Gefahren war. Der Autor hätte nämlich entweder den Stoß rettungslos verkindlichen können, so daß ein einigermaßen aufgeweckter Tertianer ihn verächtlich als Quatsch bezeichnen würde. Oder er hätte den Stoff fern allem kindlichen Verständnis entwickeln und dadurch den Kontakt zur Jugend verlieren können.
Billie Wilder und der Regisseur Gerhard Lamprecht, haben die goldene Mittellinie gefunden, auf der allein der Stoff gestaltet werden konnte. Sie haben sich hineingelebt in die Seele der heutigen Jugend, die auch noch ihre romantischen Ideale hat, das Indianerspielen und die Freude am Cliquenwesen, aber deren Vertreter heute auch mit jungen Jahren schon einen ausgesprochen praktischen Sinn hat. Diese weiß, daß ein Telephon ein sehr nützliches und schnelles Verständigungsmittel ist, daß man sich ein Taxi mieten kann, aber auch bezahlen muß.
Wer Lamprecht an der Arbeit mit seinen Kindern gesehen hat, kann ermessen, wieviel aufopfernde Liebe und Geduld in diesem belichteten Zelluloid steckt. Er hat keine Stars, keine „Schauspieler“ aus seinen Kindern gemacht, er hat sie nicht zum Mimen in Großaufnahme verleitet: Sie sollen natürliche Kinder sein und sind es auch, dieser Rolf Wenkhaus und Hans Schaufuß, Hubert Schmitz, Hans Richter, Hans Löhr, Ernst Reling, Waldemar Kupczyk und wie sie alle heißen. Nur die schon filmisch infizierte Inge Landgut posiert ein wenig: Dafür ist sie schließlich auch eine Jummipuppe.
Es gibt herrliche Momente in diesem Film. Wenn irgendwo in Wilmersdorf von allen Ecken und Spielplätzen die Kinder lawinenartig zusammenströmen und sich zur Armee formen. Wenn der Führer sich mit kräftigen Worten Autorität verschafft und Opfer verlangt. (Oh, wir Erwachsenen . . .) Wenn ein Knirps, der so gern draußen mitmachen möchte, am riesigen Schreibtisch seines Vaters hockt und das Telephon bedient, mit eiserner Zuverlässigkeit.
Höhepunkt: Ein Bauplatztor öffnet sich, und drinnen stehen, sonnenüberflutet, hunderte von Kindern. Entschlossen, solidarisch. Masse, aus Schwachen geformt, jetzt stark und dem Feinde überlegen.
Fritz Rasp spielt den Schurken, eindringlich, ein bißchen unheimlich. Wie wird er während des Films vom Parkett gehaßt werden!
Die anderen „Großen“: Käthe Haack, Rudolf Biebrach, Olga Engl.
Werner Brandes hat das Ganze photographiert. Klar und sachlich sind seine Bilder. In einigen Traum-Trickszenen kommt er zu überraschenden Wirkungen.
Werner Schlichting baute, Hermann Fritzsching besorgte den Ton. Wie gute Mikrophon-Stimmen doch diese Kinder haben!
Allan Orey untermalte den Film mit einer situationsgerechten Musik.
Ueber allen Günther Stapenhorst als Produktionsleiter.
Es gab riesigen Applaus, während des Films und zum Schluß, als die „Stars“ in Originalkostümen auf die Bühne kamen.