Originaltitel: Arme, kleine Eva. Sittenbild 1931; 81 min.; Regie: Edmund Heuberger; Darsteller: Grete Mosheim, Harry Hardt, Hilde Hildebrandt, Eduard von Winterstein, Lotte Spira, Ferdinand von Alten, Anna Müller-Lincke, Harry Nestor, Willy Clever; Aco-Tobis-Klangfilm.
Die Tochter eines Verlegers ist mit einem Angestellten und Jugendfreund heimlich verlobt. Nach einer Unterschlagung und Weibergeschichten entlassen, bewegt er sie später, an sich einen Eingriff vornehmen zu lassen, wird nachher an ihrem Vater zum Erpresser. Allerdings mit negativem Erfolg, da dieser die Anzeige erstattet. Das Mädchen erhält Bewährungsfrist.
Zusammenfassung
K. O. Bergemann hatte es aus eigener Kraft zu etwas gebracht. Er ist heute Besitzer und Leiter einer der größten Verlage und Buchdruckereien Deutschlands.
Während seine etwas kränkliche Frau und seine Tochter Eva in St Moritz zum Wintersport weilen, hatte er den Sohn eines verstorbenen Freundes, den jungen Herbert Willberg, ins Geschäft genommen, in der stillen Hoffnung, den jungen Mann einmal zum Nachfolger seiner weitverzweigten Unternehmungen zu machen.
Herbert ist ein begabter uni fleißiger Kaufmann, der sich sehr gut anzulassen scheint, der aber außerhalb des Geschäftes ein äußerst flottes Leben führt und in seiner eigenen Sekreträrin, der Stenotypistin Erna Stein dämm, eine zu allem bereite Begleiterin seiner nächtlichen Bummelfahrten hat.
Dieses Verhältnis hindert ihn jedoch nicht, sich in Eva Bergemann zu verlieben und seine Zeit von jetzt an zwischen den beiden Frauen aufzuteilen.
Natürlich weiß die eine von der andern nichts, und da ihm im Grunde die leichte Art Ernas mehr liegt, als die reine Liebe Evas, hält er zum Schluß die Verbindung mit Eva nur noch aufrecht, um sich die glänzende Partie nicht entgehenzulassen.
Für das ernste Werben des Afrikaforschers Dr. Muthesius, der zu den angesehensten Autoren des Bergmannschen Verlages gehörte, hatte Eva, deren ganzes Herz an Herbert hängt, kein Verständnis.
Seine Wettleidenschaft sowie die immer größer werdenden Ansprüche Ernas, bringen Herbert bald in eine prekäre Lage. Er braucht zu einem bestimmten Termin dringend Geld, und wie der Zufall dem Leichtsinn zu Hilfe kommt, so trifft es sich, daß er eine irrtümlich doppelt geschickte Geldsendung im Geschäft als einziger bemerkt und den Betrag für sich behält. Wenn er überhaupt sich Gedanken über seine Unterschlagung macht, so gehen diese höchstens in der Richtung, daß bis zur Inventur – und früher kann, seiner Ansicht nach, der Fehler nicht aufgedeckt werden – er längst Schwiegersohn des alten Bergemann sein wird.
Deshalb greift er auch mit Freuden den Vorschlag Evas auf, den Heimlichkeiten ihrer Liebe ein Ende zu machen und endlich mit ihrem Vater zu sprechen. – Aber an dem Tage, als Herbert sich das Jawort von K. O. Bergemann holen will, ist es bereits zu spät.
Der Prokurist des Hauses, der Herbert Willberg niemals hatte leiden können, hat die Unterschlagung aufgedeckt und festgestellt, daß auch Erna Steindamm in diese Sache verwickelt ist.
Herbert und Erna wurden auf der Stelle hinausgesetzt, und der Herbert hat es lediglich der Freundschaft Bergemanns zu seinem toten Vater zu verdanken, daß er nicht der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde.
Als Sieger wollte er an diesem Tage das Geschäft verlassen, und als ein Geschlagener geht er jetzt seiner Wohnung zu, wo Eva auf ihn wartet.
Eva ist so sicher, daß ihr Vater nur „ja“ sagen kann, daß sie dem Drängen Herberts nachgegeben hatte und zum erstenmal zu ihm gekommen war.
Als er Eva in seinem Zimmer gegenübersteht, bringt er nicht den Mut zur Wahrheit auf und läßt sie in dem Glauben, daß er tatsächlich mit ihrem Vater gesprochen hat und daß alles in bester Ordnung ist.
An diesem Nachmittag gibt sich Eva Herbert, den sie für ihren zukünftigen Mann hält, hin.
Am Abend erfährt sie bei Tisch von den wahren Sachverhalt und bricht ohnmächtig zusammen.
Den Annäherungsversuchen, die Herbert jetzt noch macht, geht sie aus dem Wege und hofft, die Enttäuschung ihrer ersten Liebe vergessen zu können.
Der Prokurist Wallace hat strenge Grundsätze. Private Beziehungen zwischen Angestellten duldet er auf keinen Fall. Aber jetzt, wo die fesche Erna Steindamm entlassen ist, kümmerte er sich sehr eingehend um sie und sorgt in jeder Beziehung für ihr Wohlergehen. Erna läßt sich das um so lieber gefallen, als Herbert, der immer mehr herunterkommt, ihr doch nichts mehr bieten kann.
Drei Monate sind vergangen, ohne daß es Herbert gelungen ist, im bürgerlichen Leben wieder festen Fuß zu fassen. Er hatte sich in allen möglichen Berufen versucht. Blaß, übernächtigt, kommt er eines vormittags nach einer durchkneipten Nacht nach Haus.
In seinem Zimmer wartet – Eva auf ihn. Ihre Mutter ist schwer erkrankt, ihr Vater hat sie nach Nauheim begleitet. Eva ist allein, sie weiß sich keinen Rat, denn – sie erwartet ein Kind.
Der Weg zu Herbert ist ihr schwer gefallen, aber sie hat sonst niemand auf der Welt, dem sie sich anvertrauen kann.
Herbert weiß zuerst selbst nicht, was er tun soll. Eva zu heiraten und dadurch wieder in geordnete Verhältnisse zu kommen, ist unmöglich, denn er muß sich sagen, daß der alte Bergemann niemals seine Einwilligung zu dieser Heirat geben wird, und ohne das Geld des Vaters scheint ihm diese Heirat nicht sehr verlockend.
Er muß also auf eine andere Weise versuchen, Bergmann in die Hand zu bekommen.
Aus idesem Grunde führte er Eva zu einem Kurpfuscher, der gerade eine längere Zuchthausstrafe wegen Vergehens aus § 218 hinter sich hat, und unter dem Vorwand, sie nur untersuchen zu lassen, läßt er bei Eva einen verbotenen Eingriff vornehmen.
Als der Vater acht Tage später aus Nauheim zurückkehrte, ist alles erledigt. Eva sieht blaß und angegriffen aus, wie nach einer langen Krankheit, aber tapfer verschweigt sie ihrem Vater, was sich zugetragen hatte.
Da erhält Bergemann von Herbert einen Brief, in dem die Tatsachen mitteilt, und der nichts anderes ist, als eine verschleierte Erpressung. Bergemann schließt sich nach Erhalt des Briefes in sein Zimmer ein, er ist für niemand zu sprechen. – Am Abend, als er Eva zu sich bittet, ist sein Entschluß gefaßt. Er klärt sie mit dürren Worten über den Sachverhalt auf und setzt ihr auseinander, daß man nie wieder froh werde, wenn man sich einmal in die Hände eines Erpressers begebe. – Deshalb hatte er beschlossen, die Sache schonungslos der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Eva müsse allerdings bedenken, daß sie selbst als Mitschuldige vor die Richter zu treten hat, darum will er auch die Entscheidung in ihre Hand legen Sie könne diesen Brief innerhalb 24 Stunden an die Staatsanwaltschaft abschicken oder mit ihm ins Ausland gehen
Wenige Minuten später war der Brief von Eva aufgegeben. – Die Verhandlung des Sensationsprozesses gegen Herbert Willberg erregt das Aufsehen der ganzen Gesellschaft – Der Prozeß endet mit einer Verurteilung des Kurpfuschers und Herbert Willbergs zu längeren Gefängnisstrafen, während Eva zwar verurteilt wurde, aber Bewährungsfrist erhält. – Auch Dr. Muthesius ist Zuhörer bei diesem Prozeß gewesen. Als Eva als Verurteilte das Gerichtsgebäude verläßt, steht er vor der Tür und bittet sie in seinen Wagen.
Kritik (-g., Film Kurier #079, 04/04/1931):
Das Thema von Paul Langenscheidts Roman interessiert: Die Tochter eines reichen Verlegers gibt sich einem Manne, von dem sie annimmt, er sei ihr Verlobter, hin, ohne zu wissen, daß ihr Vater wenige Stunden vorher den in seinem Betriebe Beschäftigten wegen Unterschlagung entlassen mußte. Das Mädchen sagt sich wegen dieser Lüge von dem Geliebten los – einige Monate später geht sie mit ihm zu einem angeblichen Arzt, der die Folgen beseitigt. Als der Vater von dem Verführer seiner Tochter mit der Drohung eines Skandals erpreßt wird, erstattet das Mädchen die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
Es ist eine Handlung mit starken dramatischen Momenten, die um so stärker wirken, als daß der Paragraph 218 augenblicklich im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion steht.
Die Manuskriptautoren W. Wassermann und W. Schlee haben den Stoff geschickt verarbeitet, ohne geschmackliche Entgleisungen, mit Herausarbeitung des Wesentlichen. Sie haben das verständliche Bestreben gehabt, den Stoff durch lustige Zwischenmomente aufzulockern, und gerade diese Stellen sind die wenigen Klippen des Filmes. Sie werden umschifft, aber man sollte nicht mit dem Feuer spielen.
Der Regisseur Edmund Heuberger arbeitet schlicht und gradlinig. Er versteht sein Metier, ihm fehlt die künstlerische Inspiration, aber er ist sich der Grenzen seines Könnens bewußt und vermeidet schwerwiegende Mißgriffe. Der starke Stoff ist die Hauptstütze des Films. Ein Parallelfall: Wenn es um wichtige und interessante Dinge geht, stört uns handfestes Zeitungsdeutsch gar nicht, wir verzichten – vielleicht ganz gern – auf stilistische Feinheiten. So ist es mit diesem Film. Er spricht die Sprache des Volkes, er banalisiert manchmal – wie in der Ueberspitzung der Wirtin-Rolle, in den Barszenen, in der Gestalt des komisch wirkenden Forschers – aber wir hören gefesselt zu.
Hinzu kommt, daß der Film in den entscheidenden Rollen gut und eindringlich gespielt ist. Grete Mosheim gibt unlyrisch und herb die Tragödie der leidenden Frau. Ihre Rolle hat unsere Sympathie, weil sie im Unglück Haltung bewahrt und dem Schicksal entgegentritt. Das gefällt uns besser als ein unmotivierter Fenstersturz . . .
Eduard von Winterstein ist gleichfalls erfreulich unpathetisch als Vater und Chef. Harry Hardt läßt die Schurken rolle glaubhaft erscheinen, sein Spiel greift nicht gerade tief, aber das stört in diesem Falle nicht.
Hilde Hildebrandt sorgt als tippendes Flittchen für Sex Appeal. Die Regie droht ihr ein paarmal gefährlich zu werden. Sonst sind noch zu erwähnen Ferdinand von Alten, Lotte Spira, Anna Müller-Lincke – dickauftragend – Ida Ferry, Hedwig Wangel. Harry Nestor und Bernhard Goetzke.
Den eingefügten „Schlager“ hätte man sich schenken können.
Willy Hameisters Photographie ist sachlich, die St.-Moritz-Aufnahmen sind sehr schön. W. A. Herrmann und W. Günther bauten mit gutem Geschmack. M. Kagelmanns Ton ist schlackenfrei.
Die Vorspann-Schlange feiert in diesem Film fröhliche Auferstehung. Wer wirft das Scheusal in die Wolfsschlucht?
Das Publikum nahm diesen Gustav Althoff-Film mit starkem Interesse und freundlichem Beifall auf. Er dürfte überall sein Publikum finden.