Girls in Uniform

Originaltitel: Mädchen in Uniform. Jugenddrama 1931; 91 min.; Regie: Leontine Sagan; Darsteller: Dorothea Wieck, Hertha Thiele, Emilia Unda, Hedwig Schlichter, Ellen Schwanneke; Deutsche Filmgemeinschaft-Tobis-Klangfilm.

Ehemalige deutsche Residenzstadt Ein Stiftpensionat, hinter dessen Mauern der Geist der Wilhelminischen Epoche weiterlebt, adelige Mädchen mit wenig Essen und viel Drill zu Soldatenmüllern erzogen werden . . . Manuela, früh verwaist, schließt sich – ob es Liebe zum gleichen Geschlecht bleibt unausgesprochen.

Zusammenfassung
In einem norddeutschen Mädchenstift, in dem soldatische Disziplin und ein verknöchertes Erziehungssystem geübt werden, ist die junge Lehrerin, Fräulein v. Bernburg, die einzige im Lehrkörper, die den Schülerinnen nicht die kalte Strenge der Respektsperson, sondern menschliches Verständnis und Liebe entgegenbringt. Natürlich ist sie der erklärte Liebling der Mädchen, und eines Tages bringt die kleine Manuela, die sensibelste und empfindsamste der Schülerinnen, ihren Enthusiasmus so überschwenglich zum Ausdruck, daß ihr diese ideale Schwärmerei als perverse Verirrung gedeutet und sie von den übrigen Mädchen isoliert wird. In ihrer Verzweiflung begeht Manuela einen Selbstmordversuch, wird jedoch im letzten Augenblick gerettet.

Kritik (Lotte H. Eisner, Film Kurier #279, 11/28/1931):
Ihren ersten Film bringt die Deutsche Film-Gemeinschaft heraus und es offenbart sich, daß jenes Wort von der Gemeinschaft, oft mißbraucht, seinen Sinn gefunden hat.
Arbeit des Kollektivs – in des Räderwerkes Getriebe hat jeder sein Teil getan.
Fugenlos erweist sich die Form. Ein Werk aus einem Guß ist erstanden, da alle gläubig zurücktreten hinter der Schöpfung: Carl Froelich und seine Helfer, vom Willen zur Gemeinsamkeit erfüllt.

Das fast Unglaubliche, hier wirds Ereignis: ein Film, in dem nur Frauen agieren, packt, weil dieser Film alle angeht, weil er ein menschliches Thema sozial ausschöpft, unsentimental, über private Belange hinaus.
Es geht um Menschentum, um Hintergründe eines Systems. Vergangene Welt? Gestern und heute ist sie; wieder droht sie aufzustehen, zu überrennen, was gesunde Jugenderziehung einer neueren Zeit zu schaffen sucht.
Gleichgültig dabei, daß es Kindertränen von edlem Blut sind – (unwildenbruchgemäß werden sie ja gefaßt). Handgreiflicher ist die Tragik des vierten Standes aufzuweisen; doch an die Besprisornis und Kumpels reiht sich auf ihre Art die armer Herde blaublütiger Zwangserzogenen an.
Das Scheuen junger Adelsmädchen tut sich auf, von Christa Winsloe-Hatvany nach ihrem Bühnenwerk mit einem jungen Berliner Journalisten, F. D. Andam nennt er sich, hier gezeichnet: in Anstaltskittel mit den Sträflingsstreifen sind sie gesteckt, eine erbts von der anderen, diese Hülle der Jungfrauen. Im Stechschritt müssen sie zur Andacht wandern, jeden Augenblick paradegedrillt wie ihre Brüder, die Kadetten.
Junge Geschöpfe, hungrig, blutarm und von ersten Sehnsüchten behaftet, bleiben sie wehrlos jener Tradition ausgeliefert, die von des Krieges Stahlbad lebt und für neue schwere Zeiten Heldenmütter zu zücht(ig)en vermeint.
Große Worte gibt man ihnen von Selbstaufopferung und eiserner Zucht für knurrende Mägen, kein Schritt geschieht unbespitzelt: so sieht dieser Weg ins Leben aus unter dem Schatten der Garnisonstadt. Die Robusten, sie halten es aus, die Sensibleren gehen drauf, so will es die Artwahl mit dem Zuchtbesen.
Die unausbleiblichen Folgen der Internatsenge erweisen sich: die eine sucht die andere, aus Zusammenleiden wird Zusammenlieben in der Zeit des erwachenden Triebes. Pubertätswirren oder Gefühl zum gleichen Geschlecht – der Film läßt das offen, und das ist gut so, Imponderabilien werden nicht zerstört, dürfen im Reiche der Zwischentöne verbleiben.
Denn nicht grau in grau malt auch sonst dieser Film: das ist seine Stärke, daß er mehr tut als anzuklagen.
Da sind die Intermezzi, herausgeboren aus ihrem Milieu; die Mädelheimlichkeiten vom versteckten Filmstarbild im Schrank, klein kulinarische SOS-Rufe nach Haus zu den Fleischtöpfen und Landwürsten der Gutsfrauenmütter: Wortfetzen im Pensionats-Jargon, Konfidenzen mit jenem, wenn ich mal Kinder habe des kleinen Weibchens; heiter sehen die Froelich-Leute das, bringen den Bildwitz zur rechten Zeit in des Internats Gleichförmigkeit kommt der echte Ton.

Zweckvoll bleibt jede dieser Episoden, die Milieumalerei wird bewußt Stimulanz für den Vorgang: einverbunden ist jede Szene der anderen, unter Leontine Sagans Regie und Carl Froelichs leitender Hand; beide kennen sie kein Beiwerk, aus dem nicht für der Handlung Verlauf Neues zu entwickeln wäre.
Aufblendung und Schnitt werden mehr als formgebender Faktor, der geistige Gehalt bestimmt hier, setzt die Akzente ein; zwischen den Zeilen ließt sich der (immer organische) Teillauf des Geschehens, selbstverständlich enthüllt sich ein Daseinsbild, unnötig hommentiert zu werden.
Das Einzelmoment mündet ein in das Allgemeingültige des großen Vorwurfs. Nicht die Typisierung um des Privatschemas willen, sucht Froelich auf. Wie über die Gefühle des Individum hinaus alles auf den Generalnenner Menschentum gebracht wird, so wird der Vorgang hinausgehoben in die Sphäre ewiger Werte.
Carl Froelichs Gesinnung zum künstlerischen Gehalt, sein Wille zur vollendeten Form, dringt überall durch.
Auch dort noch, wo er den einzigen Kompromiß schließen muß, wo er der Tragödie Ende abbiegt, zum versöhnlichen Ausgang, den er optisch feuilletonistisch faßt.
Ein männlich herber Film sonst dieser Frauenfilm, bei dem aber dabei doch nichts verloren geht, von dem Aspekt der anderen Seite.
Wo der Sagas Frauentum, wo Froelichs Formkraft den Anschlag gibt, bleibt müßig zu fragen.
Wie man bei dieser Schöpfung kaum herauslösen kann, was die Helfer am Werk gaben: Reimar Kuntze und Franz Weihmayr, die Kameraleute, Fritz Maurischat und Friedrich Winckler-Tannenberg, die Architekten, Karl Brodmerkel, der Tonmeister.
Die schwere Vision Alt-Potsdams schaffen sie, mit seinen ungeheuren Säulen, den Steinkolossen. (Nicht das freundlichere Sanssouci, sondern das nüchterne Stadtschloß ist’s, das sie bewußt zeigen.
Die kalte Notwendigkeit von Treppen, unbarmherzig in eine Systematik gezwängt in der Anordnung bringen sie. Der Aspekt von oben bedeutet mehr als die gute Einstellung, wird zum Symbol eines Vorgehens; wie es breite Treppenaufgänge gibt für die Lehr-Herrschaften und die Hintertreppe für die geduckten Jugendmassen.
Enge der Gänge, gezwungene Gepferchtheit kahler Schlafsäle, in grellem Kontrollicht, im Schatten letzter Heimlichkeiten erfühlt, geben sie wieder.

Weil diese Gemeinschaft es ernst meint, ist es kein Starfilm geworden. Die Darsteller reihen sich an, von Leontine Sagans einfühlender Dialogführung zur abgewogensten Sprechleitstung gebracht, im Gestus is ins Letzte diszipliniert, voll Lebensechtheit.
Alle sind sie zu nennen: Hedwig Schlichter, Lene Berdolt, Gertrud de Lalsky, Marte Hein, Lisi Scheerbach, Margory Bodker, Erika Mann, des Thomas’ Tochter, Else Ehser, Ilse Winter, Ellen Schwanneke, Charlotte Witthauer, Erika Margot Biebrach, Ilse Vigdor, Annemarie von Rochhausen, Barbara Pirk, Margarete Teschke, Dora Thalmer; Emilia Unda hart, ein Holzschnitt des Lebens.
Vor ihren Reihen vollzieht sich das Zueinanderspielen von Dorothea Wieck und Hertha Thiele.
Dorothea Wieck, Schauspielerin von Rang in dem Frankfurter Schauspielhaus und im Stummfilm, damals noch nicht in ihrem wahren Format erkannt, kann in ihrer ersten Tonfilmrolle ihr Gestaltungs-Können zeigen.
Der Gestalt der Lehrenden aus Liebe gibt sie Leben, Beseeltheit. Das schöngemeißelte klare Antlitz, die edle Herbheit ihrer Diktion, ihre beherrschten Gesten, die hier der Rolle Resonnanz geben, bedeutet sie die Produktion von Wertfilmen einen wichtigen Gewinn.
Trotz der Bühnen Verpflichtung sollte die auf geistige Accente eingestellte Künstlerin dem Tonfilm für weitere Aufgaben gewonnen: werden, ein Gesicht von so ausschlaggebender Eigenart wird man nicht mehr missen dürfen.
Hertha Thiele, auchagaeufs  . heh,Hk [illegible] eigene Wege gehend zu einer persönlichen Form. Labil, weich bis zur Zerflossenheit, bildet sie die in Wirrungen Verstrickte, kleine leidende Kreatur, willenlos allen Eindrücken hingegeben.

Seltsamer Premierenanblick – zum Schluß verbeugt sich die weißgekleidete Mädchenreihe, in schwarz heben sich die anderen ab.
Doch der Beifall, der sie, Carl Froelich, die Sagan immer wieder vor den Vorhang ruft, ist nicht an der Freude dieses Anblicks erfacht.
Er ist Dankesschuld für diejenigen, die es gewagt haben, einen Film von Thema aus zu schaffen.
Der Problemfilm, das erwies sich wieder darf nicht, weil einzelne Filme dieser Art nicht anschlugen, begraben werden. Er lebt, ist gegenwärtig, das Bekennen zu ihm hat gestern der Deutschen Film-Gemeinschaft den Erfolg gebracht.

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