Her Majesty the Barmaid

Originaltitel: Ihre Majestät die Liebe. Lustspiel 1931; 102 min.; Regie: Joe May; Darsteller: Käthe von Nagy, Francis Lederer, Otto Wallburg, Gretl Theimer, Adele Sandrock, Alexandra Schmitt, S. Z. Sakall, Ralph Arthur Roberts, Kurt Gerron, Walter Steinbeck, Tibor Halmay, Ferdinand von Alten; May-Tobis-Klangfilm.

Ein junger Mann, Fabrikant, verlobt sich mit einem Barmädel. Sein Bruder verspricht ihm einen Generaldirektorposten, wenn er auf die Heirat verzichtet, macht ihn wankend. Nun heiratet sie ein Lebemann aus Protest. Dieser muß aber sofort nach der Trauung zugunsten des anderen zurücktreten.

Zusammenfassung
Dieser Film ist ein Lied auf eines jener kleinen Mädchen, die in der Bar täglich von Glanz, Lebensfreude, Reichtum umgeben sind, die aber selbst mit Reichtum, Glück und Liebe nur scherzen – und von ihnen träumen können.
Lia hat sich in den eleganten jungen Fred von Wehingen verliebt. Ihr Herz schlägt ihr bis in den Hals hinauf, als sie jetzt mit ihm einen schmeichelnden Tango tanzt. Sie ist wie im Rausch, sie kann es nicht fassen: gestern hat ihr Fred lachend in harmlosem Scherz gesagt: „Ja, – heiraten kann ich Sie nicht!“ – Brutal klang das, aber er meinte es nicht so, für ihn war das ja nur eine Selbstverständlichkeit. Aber heute, – heute will er sich mit ihr verloben? Sie, das kleine Barmädel, soll tatsächlich seine Frau werden?
Mein Glück bist Du,
Meine Sehnsucht Du,
Geb’ Dir oft im Traum
Ein Rendezvous.
Tausend Küsse raubt mir dann heiß
Dein verliebter Mund,
Tausend Freuden schenkt mir ganz leis
Die verschwiegene Stund.
Leise und zärtlich spielt die Kapelle. Lia schmiegt sich enger in Freds Arme. Närrisch kann man werden vor Glück!
Lia ahnt nicht, welches Spiel Fred mit ihr treibt Für ihn ist die Verlobung nur ein Mittel, seine vornehme Verwandtschaft, vor allem seinen Bruder Othmar zu treffen. Einen Skandal will er provozieren, weil der Bruder ihn ausnutzt, ihn für sich arbeiten läßt und ihn jetzt an eine schon etwas gealterte Dame, Frau von Lingenfeld verheiraten will, um ihr Millionenvermögen für die Wellingen – Motoren-Fabrik nutzbar zu machen.
Freds Rache gelingt. Es gibt einen Riesenskandal, als er zum Jubiläumsfest der Fabrik ein Barmädel als seine Braut mitbringt Die ganze vornehme Gesellschaft ist wie gelähmt vor Entsetzen, da Lias Vater, ein früherer Artist, angeregt von vielem guten Kognak, mit Tellern und Pfannkuchen zu jonglieren beginnt.
Othmar hat nur einen Gedanken: die Ehre’ der Familie Wellingen zu retten. Fred werden alle Wünsche bewilligt, er erhält die Anstellung und das Gehalt eines Generaldirektors, nur muß er sich verpflichten, Lia nicht zu heiraten.
Fred unterschreibt den neuen Vertrag. Aber ihm tut das kleine Mädel leid, das ihn liebt. Er fühlt daß er ein leichtsinniges und häßliches Spiel mit ihr getrieben hat und er bringt es nicht übers Herz, sie auf rohe, kränkende Weise aus ihrem Glücksrausch zu reißen. Er erfindet eine Ausrede, um zunächst Zeit zu gewinnen.
Aber dann kommt die Stunde, in der Lia von dem Betrug des Geliebten erfährt. Zu spät erkennt jetzt Fred, was er an dem kleinen Mädchen verloren hat. Alle seine Versuche, sich Lia wieder zu nähern, mit ihr eine Aussprache herbeizuführen, scheitern. Lia fühlt sich im Innersten verletzt, sie kann es nicht glauben, daß Fred sie liebt.
Ihr ist jetzt alles gleich. Sie gibt dem Dringen des Barons Schwapsdorf nach, eines alten glühenden Verehrers, der sie seit langem mit Heiratsantrigen verfolgt. Aber acht Tage Bedenkzeit erbittet sie. Baron Schwapsdorf ist sofort einverstanden. „Bloß acht Tage? – Ich hatte mich auf viel länger gefaßt gemacht!“
Hat Lia im stillen gehofft, in dieser Zeit doch noch Fred wiederzugewinnen? Aber sie bleibt ihm gegenüber standhaft, sie weist ihn zurück. Fred muß die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen einsehen, und verreist, – um zu vergessen. So fliehen zwei Menschen voreinander, die sich liebhaben.
Wie aber „Ihre Majestät die Liebe“ schließlich doch noch über alle Hindernisse siegt und Lia und Fred wieder zusammenführt, – darüber berichtet dieser Film.

Kritik (E. J., Film Kurier #008, 01/10/1931):
Wissen Sie was ein ideales Drehbuch ist? ein mit dem großen Los begnadeter Regisseur? – ein in seiner Art vollkommener Tonfilm?
(Wissen Sie –) „ideal“ – „begnadet“ – „vollkommen?“ – (Nein? Können sich’s nicht mehr vorstellen?) Dann sehen Sie sich diesen deutschen Tonfilm dreimal an, viermal. Sie werden zustimmen, wie es gestern das Publikum entschied: mit fröhlichstem Dank für die zwei leichten Stunden.
Sie sind in schweren Arbeits- und Ateliertagen geboren, mit nicht geringer finanzieller Anstrengung.
Sie haben Joe May einen Ueber-Lubitsch-Erfolg gebracht.
Für die westliche Film-Zivilisation ist ja „Ernst Lubitsch“ der Superlativ des Erreichbaren. Joe May hat diese Ruhmesbasis erweitert. S. M. der Riesen-Monstre-Erfolg rückt den Joe-May-Thronsessel in die einsame Film-Ruhmeshalle dieser Saison. Joe kann lachen, – und alle, die zu ihm hielten.
Er hat sein bestes Lustspiel geschaffen.

Vor allem: es ist ein Drehbuch-Erfolg.
Die Branche braucht sich nicht lange den verdutzten Kopf tu zerkratzen. Das lästerliche Drehbuch gab May die Unterlage seiner Regie-Entfaltung. (Für solche Drehbuch-Arbeit ist Autoren-Tantieme fällig? Längst.)
Was denn doch die Theater-Routine dem Film-Bräuchlichen überlegen ist! R. Bernauer und R. Oesterreicher, bescheren der Sprechbühne brauchbare, nachhaltige Lustspiele in Serien. – Heiterkeit der friedlichst-bürererlichsten Mitte; Mond von schwarz-weiß-rot-gold; allen zur Freude – und wie die Bühne diese erfrischenden Kassenversorger und Schauspielerfreunde braucht –!
Ihr Film-Manuskript formte aus demselben Knetgummi die Geschichte des Barmädels, die wie im „Garten Eden“ gegen das reiche Getue rebelliert und vor der Schein-Verlobung nach allerhand zerbrochenem Geschirr davonläuft (auch der angejahrte freundliche Drüberweghelfer ist wieder da.
– aber was hat das Drehbuch aus dieser kleinen Geschichte vom Mädel gemacht, das doch ihren jungen Generaldirektor mit dem 10 000-Mark-Monatssalär bekommt.
Welches Drehbuch! Bisher war man froh, der Film-Gestaltung geschickte Gliederung, eingenietete Szenenverbindung, geglückten Schnitt, Kontraste von Bild und Ton, belebte Kamera nachrühmen zu können. Hier hat man sich auf die Grund-Rechte, auf die wirkliche Verfassung des Neu-Filmischen besonnen. Alle Gewalt geht vom Optischen aus, ober sie bedient sich des Wortes ebenso. Die Bild-Pointe tritt dominierend neben den Dialog.
Die Könner dieses Films beherrschen eben beides: den Film-Verlauf mit seinen reinen Bild-zu-Bild-Beziehungen, mimisch-pantomimisch wie in den heitersten Buster-Keaton-Filmen – und den einfallsvollen Zweckdialog.
Bedeutsam, daß als wesentlicher Autor des Drehbuchs Adolf Lantz bezeichnet ist. Viel wird auf sein Konto – X zu setzen sein. Sein Spezifikum scheint, was Joe May im Schlachtfeld-Drama des 1. Teils der „letzten Kompagnie“ so überwältigend erfühlte, jetzt eben ganz bewußt als überaus bereicherte Darstellungs-Form für ihn ausgebildet zu haben.
Wer das trifft, beherrscht den Tonfilm. Wesentlich ist ja nicht, daß die „Kamera beweglich“ ist sondern daß sie Dinge, Bilder, Menschen in eilige, sich blitzartig entwickelnde Beziehung bringt. So machts dieser Film. Wir haben viele sorgsame Szenen in Ton-Filmen neben-, über- und durcheinander komponieren sehen, hier ist Film-Verlauf und jede Film-Situation in kleine, fließende Vorgänge zerlegt. Unerschöpflich, in unaufhörlicher Steigerung. Nein, der Faden reißt nicht einmal ab!
Sonst: war Telephongespräch Verbindung mit einem zweiten Sprecher. Hier: typisch, diesen ungetüftelte und doch wohlüberlegte Detail, selbst Telephon-Gespräche werden Handlungs-Erlebnisse, zwei Dienstboten, die eich korrigieren, ein mysteriöser Herr im dunklen Bett, den das Auge erst entpuppen muß – usw.
Man erwähnt diese Kleinigkeiten, um begreiflich zu machen, auf welchem Niveau geistiger Formbeherrschung der Film in seinen großen Teilen steht.
Gewiß – die „Wunderbar” hat man schon so glitzernd gesehen (diskrete Schlagermusik (Walter Jurmann; Orchesterleitung: W. Schmidt-Gentner) und parodistischen Musikwitz, namentlich von R. W. Heymann, mindestens ebenso wirksam entfesseln hören. (Wobei hier die zwanglose ungestellte Art des Schlagereinsingens wohltuend berührt) . . . aber dann … da gibts zwei feindliche Brüder im Büro mit „Briefverkehr“ – wie das gruppiert und dirigiert wird! – und eine General-Versammlung mit dem Aktienbesitz en familie. Das amüsanteste, was man an G.-V. erleben kann! Welches Zuspielen, Drumrum-Agieren. Statt „nackter Handlung“ stur- und eingleisig geführtem Dialog: fünf, sechs Handlungsdrähte, – und ohne Uebertüftelung oder Dehnung zusammen gebracht.
Da sind Episoden zwischengelegt – wie der kleine Pikkolo und die Sektflasche. Alle mit Entschiedenheit zu einer sicheren Pointe geführt.
Da gibts eine Rosen-Strauß-Episode, gepflückt aus dem lustigsten Treibhaus der Film-Groteske – er fliegt immer wieder aus dem Fenster. Tücke der Situation. Wie das Publikum da Feuer fängt.
Die Lust an der Bild-Antithese hat ihre Parallele in der Dialog-Führung, die sanfte Paradoxe und Refrains liebt, kleine Sketche (auf dem Standesamt!) baut, die nie unfein werden, manchen wirklichen Scherz einflechten – – und dem Darsteller auch in der kleinsten Charge die volle Wirkungschance geben.

Da zeigt sich ja der ganze May: wie er in einer leicht parodierenden Realität den Schauspieler ohne einen Drücker zu wenig oder zu viel ausleben läßt. Er hat die Besten genommen – aber sie wirkten noch nie so gut wie unter ihm.
Nach dem konventionellen ersten Teil wird die triumphale Burleske des zweiten Teil durch Szöke Szakall in eine ganz tolle Stimmung gebracht. Er mimt den Störenfried in der guten Gesellschaft; mit allen Artistentricks der Mohrenkopfgeschosse und Tellerjonglierkunst. Sein Vis-à-vis die Sandrock.
Welches Komiker-Duell da für Minuten. Ein Kino-Weltbeben. Und Otto Wallburg (von einer neuen Seite) als halbintriganter, dünkelhafter Fabrikchef. der sich blamiert fühlt . . . Drei Typen, die jede für sich den Lacherfolg bestreiten könnten.
Der große Endsieg über die Happy end-Klippen ist Ralph A. Roberts anvertraut.
Wer eine Gelächter-Statistik führt, wird ihm die höchste Kino-Lufterschütterung registrieren müssen. Er darf elegant und ein bißchen vertrottelt sein, seine unfehlbare Mischung – und erlebt auf der Landstraße die lustigsten Tragödien.
Das Liebespaar: Käthe von Nagy und Franz Lederer. Wie May die „stumme“ Nagy in der „Durchgängerin“ außerordentlich steigerte, führt er sie auch jetzt wieder vorwärts.
Sie ist strenger, ernster, weiblicher geworden, wie schon im „Anderen“.
An dieser anderen Nagy mit ihrer leichten Ungarnmelancholie versüßt May nichts. Welche mimische Ausdruckskraft und Gefühlsechtheit sie beherrscht, beweist ihre Glückstränenszene. Instinkt und Virtuosentum, vielversprechend. Sie wird noch weiter kommen.
Lederer: der bestechende Tangotänzer, der gut angezogene junge Mann, seine etwas schwankende Rolle biegt er sympathisch gerade.
In jeder Einstellung Mays die gerundete Kraft eines vollwertigen Darstellers! Gretl Theimer mit Tibor von Halmay, beide voller Tanzlust und Körperfrische, bringen Ulkakrobatik vom Treppenabsatz bis zum Kronenleuchter, an dem sie – Gymnastik treiben. Alexandra Schmitt betrachtet sie vergnüglich als moderne Urgreisin. Walter Steinbeck, ein nicht gelangweilter Oberer-Zehntausend; es gilt noch eine Serie von Darstellern im Film zu entdecken. Von Alten bis Ziegler. Von A bis Z, vortrefflich.

„Technik“, die Störungszentrale des Filmfriedens stößt diesmal nicht auf – sie ist in die freundliche Märchenstimmung aufgelöst.
Walter Tjaden zeigt den Klangfilmton mit vorteilhafter Stimmenechtheit.
Otto Kanturek setzt Venedig so präzise ein wie die deutsche Dorfteichlandschaft oder die mit ausgesuchter Lichtstimmung bedachten Innenräume.
Daß er mit der Kamera nur so umherquirlt, bedarf bei seiner Rührigkeit kaum der Erwähnung.
Andrej Andrejew und Erich Kettelhut statteten aus, halten Maß zwischen modernisierender Realität des Fabrikunternehmens und dem Kleinbürgerheim in der Müllerstraße.

Man quittiert: nicht wie Szakall hier mit Schelmentrick das Fünfmarkstück zum Groschen wandelt, entläßt dieser Film das Publikum geprellt, – umgekehrt.. für einen Tonfilm schenkt er die Heiterkeit von einem guten Dutzend Filme (–und nicht, wie des Film stürmisch belachter Schluß-Witz „nach Breslau“ sondern nach dem Welt-Erfolg zielt dieses Werk Joe Mays.
S. M. das Lachen ladet ein.

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