My Leopold

Originaltitel: Mein Leopold. Operette 1931; 101 min.; Regie: Hans Steinhoff; Darsteller: Max Adalbert, Harald Paulsen, Gustav Fröhlich, Camilla Spira, Lucie Englisch, Paul Henckels, Ida Wüst, Hermann Thimig, Alfred Beierle, Elfriede Borodin, Hilde Hildebrand, Rolf Drucker; Majestic-Orplid-Lignose-Breusing.

Schuhmacher Weigelt ruiniert sich für seinen Sohn, treibt die Tochter wegen ihrer Heirat mit dem Werkführer aus dem Hause. Sie gelangt durch Sparsamkeit wieder zu Reichtum, während der Vater darbt und sich erst nach der Besserung des Sohnes mit seiner Familie versöhnt.

Zusammenfassung
„Gottlieb Weigelt, Schuhmachermeister“, steht in großen goldenen Lettern über dem Geschäft. Die Werkstatt hinter dem Laden beschäftigt zwölf Gesellen. Das stattliche, gutgehaltene Miethaus, In dem Laden und Werkstatt liegen, gehört gleichfalls Herrn Gottlieb Weigelt. – Er hat es im Laufe eines langen arbeitsreichen Lebens zu etwas gebracht, Laden und Werkstatt sind 30 000 Mark mitgeben, wenn sie einmal heiraten will, und sein Sohn . . . . . . . . .
. . . . . . sein – Sohn Leopold soll einmal etwas Besseres werden. Jetzt ist Leopold bereits Kammergerichtsreferendar und berechtigt – wie der alte Weigelt jedem erzählt – zu den schönsten Hoffnungen. – Tatsächlich treibt sich der Kammergerichtsreferendar Dr. Leopold Weigelt aber mehr in lustiger Gesellschaft herum, als er auf dem Amt tu sehen ist. Und schon haben sich dem eleganten hübschen Nichtstuer, der immer das Geld mit vollen Händen hinauswirft, eine Reihe verhängnisvoller Gestalten attachiert. – Auch der Geldverleiher Mielisch, dem man manches dunkle Geschäft nachsagt, ist oft in Leopolds Gesellschaft zu sehen und hilft ihm gern mal. – An seinem 25. Geburtstage hat Leopold im Alten Ballhaus die Tänzerin Rosita kennengelernt. Die sinnlose Verschwendungssucht dieser Dame wird Leopold bald gefährlich. – Aber wozu gibt es den gefälligen Herrn Mielisch, der immer neues Geld zur Verfügung stellte, der sich allerdings Jetzt, als die Summen begannen anzuschwellen, Wechsel geben läßt. – Inzwischen hat sich der alte Weigelt mit sämtlichen Mietern seines Hauses verkracht. Den Korbmacher Müller, der hinten auf dem Hof einen Schuppen bewohnt, will er exmittieren testen, weil Leopold einen Stell für sein Reitpferd braucht. – Aber vor Gericht wird der alte Weigeli mit seiner Klage abgewiesen, wes er umsoweniger verstehen kenn, als der Richter Jener Amtsrichter Zemikow ist, der im Weigeltschen Hause mit Freu und zwei Töchtern als Mieter wohnt. – Er setzt sich hin und schreibt dem Amtsrichter einen sacksiedegroben Brief. – Bei Zemikows wirkt dieser Brief wie eine Bombe, denn man weiß, daß die ältere Tochter Marie so gut wie verlobt mit Leopold ist. – Nichts kann Weigelt von dem Glauben an seinen Sohn abbringen. – Seinen braven Werkführer Starke, der ihm die Wahrheit Über Leopold ins Gesicht sagt, weist er zur Tür hinaus. Und als Klara, Weigelts Tochter, die mit Starke heimlich verlobt ist die Partei ihres Zukünftigen ergreift, trennt er sich auch von seiner Tochter. – Dem alten Mann bleibt nur noch eins . . . sein Leopold! – Immer mehr Geld zieht er aus seinem Geschäft, immer starker gerat er in Schulden . . . aber selbst die größte Aufopferung des Alten genügt dem Sohn nicht. Immer neue Wechsel schreibt er aus, und schließlich fälscht er – von Mielisch In die Enge getrieben – die Unterschrift seines Vaters. – An Jenem verhängnisvollen Tage, als der alte Weigelt sein Geschäft versteigern lassen muß, wird von Mielisch der falsche Wechsel präsentiert. – Leopold, der nirgends mehr Rettung sieht, flieht bei Nacht und Nebel aus dem Vaterhause. – Mehr getroffen durch die Flucht seines Sohnes als durch Not und Armut zieht Weigelt In einen armseligen Keller und versucht, sein Brot mühselig als Flickschuster zu verdienen. – Dem alten, einsamen Mann kommt von einer Seite Hilfe, von der er sie nie erwartet hat. Die Tochter des Amtsrichters Zernikow, von denen Emmy einen populär gewordenen Komponisten geheiratet hat, während Marie Immer noch auf Leopold wartet, sind es, die den alten Weigelt Ober die schwerste Zelt hinwegbringen.
Wenn Marie den Alten in seinem Keller besucht, sprechen sie beide nur von dem verschollenen Leopold. Leopold Ist inzwischen immer weiter heruntergekommen.
Als Landstreicher in Hamburg gelandet, findet er endlich eine Stütze in einem Tippelbruder, mit dem er gemeinsam auf die Walze geht. – Schließlich landen die beiden als Arbeiter in einer Maschinenfabrik. – Nur einem Mitglied der Familie Weigelt geht es gut… Klara! Sie hat Starke geheiratet, und das Geschäft, das die beiden gegründet haben, floriert. Es gelingt Ihr auch, ihren Mann mit ihrem Vater auszusöhnen. Ober das Schicksal Leopolds herrscht völliges Dunkel. Keiner ahnt, daß es Leopold inzwischen gelungen Ist. es in Hamburg zu einer angesehenen Stellung zu bringen. – Er Ist nach langen arbeitsreichen Jahren in die Maschinenfabrik als Teilhaber eingetreten und sucht nun nach seinem Vater, um wiedergutzumachen, was er an ihm gesündigt hat. – Der alte Weigelt weiß nicht recht, welchen Grund Starke hat, ihn auf eine Geschäftsreise nach Hamburg mitzunehmen. – Der Schwiegersohn hat ihm nur gesagt, daß er seinen fachmännischen Rat bei der Übernahme von Maschinen, die der Schuhreparatur dienen sollen, dringend benötige. – Als Weigelt die Halle der Maschinenfabrik in Hamburg betritt, kommt ihm ein Mann in weißem Arbeitskittel entgegen . . sein Leopold! – Der unerschütterliche Glaube des Vaters an seinen Sohn hat gesiegt.

Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #297, 12/19/1931):
In Stummfilmzeiten gab es bei den Theaterbesitzern eine auf Erfahrung gestützte Regel: Das Geschäft ist richtig, wenn die Leute im Zuschauerraum verstohlen zu den Taschentüchern greifen.
Beim Tonfilm haben wir es nun jahrelang nur mit dem Lachen versucht. Mit, aber auch ohne Erfolg. Wenn die Produzenten versuchten, sentimental zu werden, ergriff das Publikum nicht das Taschentuch, sondern den Hausschlüssel oder die Flucht.
Die Majestic-Orplid-Produktion hat das Kunststück fertig gebracht, die Besucher bei einem Tonfilm zum Heulen zu bringen. Und wenn schon das Berliner Premierenpublikum, das zur Hälfte aus „Branche“ besteht und für Gefühlsduselei nicht überempfänglich ist, verstohlen die Tränen zerquetscht, dann wird die Wirkung beim Durchschnittspublikum noch weit stärker sein.
Nun wird in diesem Film natürlich nicht egalweg Rührung fabriziert. Im Gegenteil, die Besucher haben ausgiebig Gelegenheit zum Lachen. Aber zwischendurch, wenn der alte Schuster Weigelt für seine Affenliebe so übel belohnt wird, geht es uns mächtig an die Nieren. Man lächelt dann unter Tränen über ein paar lustige Szenen und wird dann wieder vom Schicksal des alten Mannes ergriffen. Sehr geschickt macht das der Autor Hans Brennert. Das ist einmal ein richtig gebautes Filmmanuskript, mit logischem Zusammenhang und geschickter Steigerung und richtig herausgearbeiteten Höhepunkten. Der Autor weiß am Schluß noch, was er am Anfang wollte, er wird nicht knallig und greift nicht zur Phrase, sondern überlegt den Aufbau jeder noch so kleinen Szene. Der Film – basierend auf dem Volksstück von L’Arronge – spielt in der Jetztzeit, aber sie ist von einem Hauch alter Bürgerbehäbigkeit durchweht. Das Publikum hat viel Ursache zum Nachdenken, über Kindererziehung und menschlichen Uebermut, über den Untergang des Handwerks durch Aufkommen der Maschinen und einiges mehr.
Der Regisseur Hans Steinhoff hat mit diesem Film seine bisher beste Leistung gegeben. Unter seinen Händen erhalten die Gedanken des Manuskriptes in idealer Weise ihre Verwirklichung. Das Bestreben des Autors, alle die Gefühlsmomente des Bühnenwerkes in den neuen Rahmen hinüberzuretten, wird aufs glücklichste erfaßt und ausgeführt. Das Publikum wird zum Miterleben veranlaßt, das ist das wichtige. Der Kontakt zwischen Leinwand und Parkett, den wir bei so vielen Tonfilmen, besonders bei den lärmenden, reißerischen Possen, oft vermißten, ist da. Dieser Film wirkt zuerst einmal durch seine Handlung, dann durch die Regie und die Darsteller. Hier ist nicht ein Nichts glänzend herausgeputzt worden.
Steinhoff scheint durch den Stoff gleichsam zu Einfällen inspiriert worden zu sein. Er erfindet da Einstellungen, Dialog-Nuancen, schlaglichtartige Details, die dem ganzen Werk eine sympathische Frische geben. Es schien, als merke des Publikum dieses Ringen um neuartigen Ausdruck, dieses Streben zu eigenem Stil. Es lohnte mit restlosem Mitgehen.
Da ist beispielsweise eine Gerichtsszene. Weigelt klagt gegen einen armen Korbflechter auf Räumung, weil er dessen Behausung zu einem Pferdestall für Leopold umbauen will. Auch der Amtsrichter ist sein Mieter. Weigelt trumpft auf im Vollgefühl seiner Vermieterwürde. Verwechselt den beklagten Korbmacher mit einem Angeklagten, den Zivilprozeß mit dem Strafprozeß. Wird fuchswild, als man es wagt, ihn abzuweisen und schreibt dem Richter einen Kündigungsbrief, dessen gravierendstes Moment das Wort „achtungsvoll“ statt „hochachtungsvoll“ ist. Worüber sich der Richter auch prompt ärgert.
Ein Beispiel dafür, wie Autor und Regisseur der Volksseele auf den Grund gesehen haben.
Ein auserlesenes Ensemble wird in würdigen Rollen eingesetzt. Max Adalbert spielt den alten Weigelt, diesen selbstbewußten Emporkömmling. Er ist vernarrt in seinen Leopold, aber sonnt sich auch gern in dem Wohlleben seines Sohnes. „Nun gerade“ ist sein Wahlspruch, er, der kleine Schuster, will der Welt zeigen, was eine Harke ist.
Manch ein Reichgewordener findet Vergnügen daran, im Tiergarten zu reiten. Er kann sich nicht mehr aufblähen als der alte Weigelt, wenn er seinen Sohn reiten sieht. Elternliebe ist meist verkappter Eltern-Egoismus.
Adalbert spielt sich bravourös durch alle Stationen seiner Rolle. Er ist wirklich ein bemitleidenswerter armer Teufel, wenn er in einem Kellerloch schuftet, um den gefälschten Wechsel seines Sohnes einzulösen. Und wir gönnen ihm die warme Tiergartensonne ebenso wie die Strahlen des happy ends.
Leopold ist Harald Paulsen. Verzogener, geschniegelter Jüngling, dann Vagabund und endlich fleißiger Arbeiter. Wir sehen in diesen Tagen viele fallen, und die wenigsten werden wohl wieder hinaufkommen. Paulsen, quicker, frischer, netter Junge, schafft es. Ein bißchen Optimismus für unsere bescheidene Zeit.
Dann die Tochter, Camilla Spira, Aschenputtel neben dem Bruder, fraulich und lieb. Sie kommt zu was, zu einem so strebsamen und tüchtigen Mann wie Gustav Fröhlich, der sein Schuhmachermetier aus dem ff versteht, zu einem niedlichen Jungen namens Rolf Drucker, zu einer netten Speisezimmereinrichtung, sogar mit Standuhr.
Fröhlich ganz unstarmäßig mit Brille, ein ehrsamer Bürger, wie ihn Brüning liebt.
Die lange Liste geht weiter: Elfriede Borodin, geduldig wartende Verlobte des leichtsinnigen Leopold, unerschütterlich im Glauben an ihn. Lucie Englisch, resolutes Schwesterchen, nennt alle Katzen beim richtigen Namen und gabelt sich selbst ihren Mann. Paul Henckels, hundertprozentig korrekter Richter, unterzahlt wie seine Kollegen, er muß um sein standesgemäßes Dasein ebenso kämpfen wie der Arbeitslose um seinen Bissen Brot. Die Gattin ist Ida Wüst, prächtig wie immer.
Hilde Hildebrandt gibt das obligate tanzende Luderchen. Beierle ist diesmal kein Kommissar, sondern ein Wucherer, Hermann Thimig ein sympathischer Komponist, wohl ein paar Jahrzehnte zurückdatiert. Vicky Werkmeister, Eugen Burg, Gerhard Damman, Aenne Görling, Kurt Lilien, Anna Müller-Lincke, Heinz Sarnow, Julius Szoereghi, sie sind alle mit von der Partie und alle am richtigen Platz.
Franz Schroedter baute stoffgemäß, siehe da, es geht auch ohne Verstiegenheiten, Willy Goldberger schuf klare Bilder und Franz Schröder einen schlackenfreien Ton.
Das Musikalische besorgte Leo Ascher, Johannes Brandt schrieb gute Texte für die einschmeichelnde Musik.
Dem Produktionsleiter Georg M. Jacoby gebührt ein Anerkennungstelegramm der Reichsverbandsdelegierten. Wenn alle unsere Filme so durchgearbeitet wären wie dieser, es ginge der deutschen Filmindustrie besser.
Es gab starken, ehrlichen Beifall für die Schöpfer dieses Films, mit dem kein deutscher Theaterbesitzer eine Enttäuschung erleben dürfte.

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