
Originaltitel: Meine Frau, die Hochstaplerin. Ehekomödie 1931; 91 min.; Regie: Kurt Gerron; Darsteller: Käthe von Nagy, Heinz Rühmann, Fritz Grünbaum, Maly Delschaft, Alfred Abel, Hermann Vallentin, Theo Lingen, Hans Wassmann, Fritz Alberti, Hubert von Meyerinck; Ufa-Klangfilm.
Eine Bankbeamtenfrau will ihren Mann hochbringen. Mietet mit versetztem Schmuck ein teures Hotelapartement, knüpft Verbindungen mit Millionären und Schiebern an. Obwohl diese Tätigkeit dem Mann den Posten kostet, gelingt zuletzt ein großes Geschäft, winkt ihm ein Direktorposten.
Zusammenfassung
Zum Glück gehören zwei, mein Kind,
Und das bist Du und ich.
Wenn’s hoch kommt, sind es drei, mein Kind,
Der Mond und Du und ich.
Unter diesem Motto hat die reizende übermütige dunkeläugige Jutta den zwar begabten. Jedoch etwas nüchtern sparsamen Bankbeamten Peter Bergmann geheiratet. Aber das Glück leidet unter dem ewigen Geldmangel, immer sparen und sparen, der schnöde Mammon fehlt an allen Ecken, und Jutta wäre doch so gern bei allem mit dabei – – ihr Lebenshunger ist ebenso stark wie ihre Gerissenheit – sie wird jetzt einfach die Sache selbst in die Hand nehmen, denn bis Peter glücklich mal Prokurist wird, ist sie alt und grau. Also los! Zunächst wird sie von dem Ausflug in das einfache Sommerlokal mit Peter nicht zu Fuß zurückkehren sondern per Auto, nicht etwa Taxe, nein – elegantes Luxusauto. Ehe der entsetzte Peter es verhindern kann, hat sie einem hochfeinen Wagen zugewinkt. In dem ein einzelner älterer Herr sitzt. Wenn eine so hübsche Frau winkt, dann, halt man, denkt Herr Marty, Würstchen en gros. Und gleich darauf sitzen „Direktor“ Peter Bergmann und Frau von der Landkreditbank, denen ihr Wagen gestohlen wurde, bei Marty, der sich eine Ehre daraus macht, so vornehme Herrschaften nach Hause das heißt ins Hotel Imperial zu fahren, denn Bergmann kommt ja aus Konstanstinopel hat noch keine passende Wohnung in Berlin gefunden. Ein kleiner Abendimbiß, zu dem Marty bei sich einlädt, wird von Julia nicht abgeschlagen, trotzdem Peter bei all dem Geflunker seiner Frau Blut schwitzt. Marty hat dabei bestimmte Absichten. Dieser hereingeschneite Bankdirektor kann ihm gewiß den Kredit verschaffen, den die berühmten Marty-Würstchen-Werke gerade dringend brauchen. Diese Bergmanns muß er sich warmhalten, gleich morgen will er ins Imperial kommen zu einer Konferenz. Julia vertröstet ihn für einige Tage, um Zeit zu gewinnen, ein passendes 110.– Mark pro Tag. Einige Schmuck- und andere Stücke wandern ins Leihhaus. Es trifft sich besonders gut, daß Peters Gehalt ab nächstem Ersten gerade um 50.– Mark gekürzt worden ist.
Nur mühsam gelingt es Jutta, den guten Peter vor einem Tobsuchtsanfall zu bewehren und in die neue Wohnung im Imperial zu schleppen. Es dauert nicht lange, und Marty läßt sich melden, wird deutlicher mit seinen Kreditvorschlägen. Peter eilt entsetzt fort, ihm stehen die Haare zu Berge, das ist ja Hochstaplerei, was Jutta macht!
In diesem kritischen Stadium taucht Silbermann auf, der Mann, der alles weiß, jeden kennt und von jedem alles weiß. Schon hat seine Spürnase den Direktor Bergmann aus Konstantinopel entdeckt und wittert ein Geschäft. Er begrüßt Jutta als eine alte Bekannte aus Konstantinopel (wo beide nie waren) und zeigt ihr alles, was im Imperial aus und ein geht. Dort die elegante Dame beispielweise ist die Ileana, die große Sängerin, mit ihrem Manager, und da der Herr ist ihr Mann, Mr. Knast, der Mostrichkönig von Amerika, der immer hinter seiner Frau herreist, die sich ständig weigert, ihn zu empfangen, weil er ihr das öffentliche Auftreten verboten hat. Nun will er sich versöhnen, aber sie will nicht.
Jutta hat genau zugehört, und ihr kommt eine Idee. Wenn sie die Ileana dazu bringt, in einer Gesellschaft zu singen, die Jutta gibt und zu der sie Knast einlädt, wird Knast der Mostrichkönig aus Dankbarkeit den Kredit für Marty-Würstchen geben, denn was liegt näher als Würstchen mit Mostrich – – – Der arme Peter ist inzwischen von seiner Bank gekündigt worden. Schlimmer kann’s nicht mehr kommen!
Aber nach Überwindung der größten Schwierigkeiten, wie die Starlaunen der Ileana nach Umstimmung Peters, der allmählich Jutta für verrückt hält und mit Irrenwärtern anrückt, glückt im letzten, allerletzten Moment der kühne Plan. Ileana, von Juttas Worten besiegt und milde gestimmt erscheint doch noch. Der versöhnte Knast kauft von jetzt ab jedes Jahr fest 10 Millionen Marty-Würstchen, Peter wird Mitdirektor der Marty-Werke, Jutta, die Würstchen so gewandt mit Mostrich kombiniert hat, bekommt ihr Auto und wird Frau Direktor und, was schließlich doch die Hauptsache ist: Silbermann bekommt seine Provision.
Kritik (-ger., Film Kurier #220, 09/19/1931):
Das kommt vor, ein so lebensverliebtes Dämchen muß Autobus fahren, sehnt sich nach dem Eigen-Auto, muß Stullen essen und will zum Edendiner, erkor zum Gatten den kleinen Bankangestellten und möchte ihn nun als großen General sehen, mit vielen, vielen Tausendmarkscheinen im Monat.
Wovon so junge Mädels, junge Frauen träumen – – dies erfüllen unsere deutschen Wunschtraumfilme gern.
Man hat da ein Genre der „Aufstiegsfilme“, kreiert, sie tanzen zu leichter Musik zwischen der Zeiten Härte und der Phantasien Vergnügen Mensch rücke auf, werde prominent, arriviere. Hochstapeln wir alle nicht? Ein paar zaghafte Griffe „daneben“. Kniffe, kühnere Schritte und ein sündiges Tänzchen zum Glück, zum volleren Glücke hin. (Wir stapeln alle ein paar Schritte mit, alte Evas, alte Adams.) Wie würden wir sonst alle so aus dem Kino-häuschen geraten.
Es wird uns in diesem reizenden Ufafilm ganz entzückend vorgemacht. Auf, ins Grand-Hotel, vorher die letzten Klamotten versetzt und dann – die Chance aufgestöbert . . . .
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Wie wird uns denn? Hören wir doch jeden Tag: Viel Arbeit und kein Geld, keinen Haushalt und doch Abzahlungsraten . . ., Gehaltskürzung . . ., Abbau, Leihhaus, Wirtschaftskrise, Gerichtsvollzieher, Kredite, Pumpen . . . traurige Worte aus dem Alltag der besseren Leute, die nicht Proleten sein wollen, Lebenshungrige, die unbefriedigt bleiben . . . ein paar Takte Lüge, einen halben Tag Schwindel . . .
Wie wird uns denn? Hier wird ja mit einem Male eine Art Zeitkomödie eingeschmuggelt, die ihre volle Berechtigung hat, die ihre überraschende Wirkung tut.
Drei Autoren haben die besten Ideen gehabt, Ernst Wolff, Friedrich Zeckendorf, Ph. L. Mayring. Wieder gelang der Ufa ein Wurf.
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Im reichen Ufa-Filmrepertoire überraschen in dieser Saison Filme, die sich, Uraufführung auf Uraufführung, von einer besonderen Seite zeigen. Kein Schablonenfabrizieren draußen in Babelsberg, den üblen, lauen Begriff des „Mittelfilms“ kennt man heute dort nicht mehr. Jeder Film bisher eine Spezialität.
Man denke an „Seitensprung“, die Schünzel-Inszenierung.
Man prüfe daraufhin das neu Werk gerecht: zwei Filme, der sich mehr voneinander, unterscheiden als zwei Theaterinszenierungen in Berlin.
Grund: Die Produktion holt sich für jedes Werk einen besonderen Stab individueller Mitarbeiter.
Diesmal scheint ein auffällig schablone-feindliches, nach neuem verlangendes Kollektiv tätig gewesen. Die Gruppe um Kurt Gerron kann stolz sein. (Es ist eine Bruno Duday-Produktion, mit den Kameraleuten Schüfftan, Puth Bau: Sohnle u. Erdmann. Ton: W. Tjaden.)
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Viel Theatergeist erfüllt die Inszenierung, aber im besten Sinne. Dabei ist wahrzunehmen, ob durch den schöpferischen Zufall, ob durch Ueberlebung erzielt, bleibt sich gleich, daß Autoren und Inszenierer mit nicht alltäglichem Temperament die für den Tonfilm so wichtige Frage der Szenenverbindung, Handlungsgruppierung. Dialogvernietung von Szene zu Szene lösen. Sie motivieren klug, sie vernieten geschickt.
Die Inszenierung ist ungehemmt, greift zu, wo sie Einfälle findet – dadurch wirkt sie frischer, sie mißt nicht mit dem Lineal, sondern – da bewährt sich der Theatermann Kurt Gerron – läßt jede Wendung, jede Stimmung allein durch den Schauspieler tragen. Sobald, solange der Schauspieler wirkt, dauert die Szene, Gerrons ausgezeichnetes Ensemble hat deshalb nicht einen Darsteller-Leerlauf.
Präzise wird jeder eingestzt, die Type gleich da, sofort verständlich, mal ein Nervenarzt, mal eine Modekreatur. Der Schauspieler treibt den Film – dabei verwendet Gerron nicht den parodistischen Operettenstil, er liebt den normalen Menschen, wie er durchs Leben bummelt, bummelt er durch den Film.
Und ein Verdienst: – Aus einem Komiker macht er keinen Clown. So kann sich Fritz Grünbaum, der kleine jüdische Komiker, zu einem ganz unglaublichen Vordererfolg durchspielen, ohne daß er penetrant und forciert wirkt. Er gehört in dieses Leben, dieser Agent Silbermann, den Talmud für alle Lebenslagen im Herzen, jeder Satz ein Schlager, eine Lachpointe, über die sich das Publikum des Uraufführungstheaters die Hände wundklatschte. Alfred Abel, Maly Delschaft, Theo Lingen, Fritz Alberti, Hermann Vallentin, jeder in natürlicher Lebenssphäre.
Käthe von Nagy – die Frau, der man alles glaubt, die Sehnsucht und den Schwindel. Man vertraue ihr die größten Aufgaben; sie hat Tiefe, den edlen dunklen lang der Frau.
Ihr Partner. Heinz Rühmann, der gute Junge zum Liebhaben. Spaß, daß sie den in die Tasche steckt, den wehrlosen Jungen, den kleinen Zweig im Wind. Riesiger Sympathie-Erfolg für beide, diese Ehestapelei fürs Doppelglück, fürs Doppelbettchen.
Die Musik von Willy Kollo erfüllt nur Gebrauchszwecke, sie liegt ein wenig fremd dazwischen, trotzdem sie recht melodiös klingt, aber man merkt, es gibt eben doch auch einen Tonfilmstil, der das plötzliche vom Leben ins Singen-Fallen unnötig macht.
Wunschtraum-Film, Aufstiegs-Film – eine kleine Frau landet im Garten Eden: die so glücklich beherrschte neue Produktion landet auch das Publikum, das fröhlich mitstapelt, im Glücksgarten.
Beifall über Beifall.
Mit Vergnügen stellt man fest: Ufa-Leih bringt Reißer auf Reißer und die Theaterbesitzer reißen sich darum.