Originaltitel: Arm wie eine Kirchenmaus. Komödie 1931; 96 min.; Regie: Richard Oswald; Darsteller: Grete Mosheim, Anton Edthofer, Hans Thimig, Fritz Grünbaum, Paul Hörbiger, Paul Morgan, Charlotte Ander, Trude Hesterberg; D. L. S.-Tobis-Klangfilm.
Eine Stenotypistin, in größter Not, bringt einen Bank-präsidenten dazu, sie als Sekretärin zu engagieren. Energisches Arbeiten, Fleiß, Ausdauer. Schließlich wird sie seine Frau.
Zusammenfassung
Der Generaldirektor der Wiener Universalbank. Baron Thomas v. Ullrich, kommt aus Amerika, wo er Vorverhandlungen über den Abschluß eines großen Oelvertrages geführt hat wieder nach Wien und will in seine verschlafene Wiener Bank amerikanisches Tempo bringen. Er kommt überraschend. Seinen Sohn Franz muß man bei irgendeiner seiner Freundinnen suchen, und der alte Verwaltungsrat Graf Thalheim, dessen Arbeit an der Bank darin besieht daß er täglich einmal vorbei geht, begrübt den Heimgekehrten aufs herzlichste.
An diesem Tag herrscht große Aufregung unter dem ganzen Personal der Bank, und deshalb gelingt es Susi Sachs, trotzdem sich ihr auf Schritt und Tritt Hindernisse in den Weg stellen, unbemerkt bis zum Zimmer des Präsidenten vorzudringen. Und plötzlich steht sie vor dem Chef des Hauses und erklärt ihm einfach, daß sie von ihm eine Stellung haben möchte. Sie sei Stenotypistin, spreche perfekt englisch und französisch und habe ein Anrecht darauf, ein anständiges Stück Brot zu verdienen. Ihr Wille zur Arbeit und ihr lebhaftes, intensives Wesen gefallen dem Baron, und als sich nun Susi sogar an die leere Schreibmaschine setzt und in richtig n amerikanischen Tempo sein Diktat aufnimmt, da ist sie der Anstellung gewiß, zumal der Baron eben seine Privatsekretärin entlassen hat, weil sie zwar mit allen weiblichen Reizen ausgestattet, aber für den Arbeitsplan des Barons untauglich gewesen ist. Und Susi stellt die ganze Bank auf den Kopf und deckt alle mit ihrem Arbeitsfieber an.
Als der Oelvertrag in Paris getätigt werden soll, nimmt der Baron selbstverständlich Susi mit, aber auch seiner Buchhalter, den alten Schünzl, der schon bei seinem Vater in der Bank gedient hat, seinen Kammerdiener Quapil, seinen Sohn und den Verwaltungsrat. In Paris wird der Vertrag unterschrieben, und dank der außerordentlichen Arbeitskraft Susis klappt alles wunderbar. Nur eins stört Susi, nämlich das Auftauchen der früheren Privatsekretärin Olly, die sich in dem gleichen Hotel wie der Baron und auf der gleichen Etage einquartiert hat. Denn als sie von ihrem Chef den stillen Abschied bekommen hatte, hat er ihr gesagt, daß sie ihn mal gelegentlich daran erinnern soll, daß sie ihm als Frau gefallen hätte.
Als nun Olly den Baron hier in Paris sprachen will, erklärt ihr Susi, daß der Baron für sie nicht zu sprechen sei. Auf die eindringlichen Erkundigungen des Barons hin, warum Susi ihn denn vor Olly verleugnet hätte, zeigt Susi ihm eine Liste, auf der lauter junge Damen stehen, die sic abgewiesen hatte. Sie beruft sich darauf, daß der Baron ihr doch aufgetragen habe, alle lästigen Besucher von ihm fernzuhalten.
Der Baron ist empört. Jetzt versteht er, warum keine seiner alten Pariser Freundinnen ihn bei seinem jetzigen Pariser Aufenthalt angerufen hat, und befiehlt Susi, einen Blumenstrauß zu bestellen und diesen auf dem Zimmer Ollys abzugeben.
Diese Szene spielt, nachdem der große Oelvertrag abgeschlossen ist, und der Baron Susi dankbar erklärt, daß sie an diesem Abend das Pariser große Nachtleben kennen lernen soll. Er wird sie mit dem Grafen Thalheim und seinem Sohn auf den Bummel schicken. Da er aber gesellschaftlichen Anschluß brauche nach der großen Arbeitsleistung, so sei er eben entschlossen, ein kleines Abenteuer zu bestehen, und Susi erkennt, daß dazu ihre Vorgängerin ausersehen ist. Aber sie durchkreuzt die Pläne des Barons, weigert sich, die Blumen zu besorgen, und telephoniert Olly, die mit dem Baron verabredet ist, kurzerhand ab. Statt dessen bestellt sie dem Baron alle älteren Herren, die den Baron geschäftlich sprechen wollen, zu einem Souper. Und als sie nun mit Thalheim und Franz auf den Bummel geht, als der Buchhalter Schünzl und Quapil gleichfalls sich ins Pariser Nachtleben stürzen, bleibt dem Baron nichts anderes übrig, als die langwellige Gesellschaft seiner Geschäftsfreunde über sich ergehen zu lassen. – Susi sieht Paris nur mit geteiltem Interesse, denn ihre Gedanken sind bei ihrem Chef. Schünzl aber gerät mit Quapil, der vergibt, Paris genau zu kennen, in ein zweideutiges Haus, ohne zu merken, wo er sich befindet, und da Quapil keine Ahnung von der französischen Sprache hat, geraten sie beide in eine große Bedrängnis, weil Schünzl die Zeche nicht zahlen kann.
Als der Baron aber die langweiligen Reden über sich hat ergehen lassen und endlich allein bleibt, da sehnt er sich nach Susi, weil er erkannt hat, daß sie auch als Frau ihn besagt hat. Und als sie nun in der Nacht zurückkehrt da entläßt er sie aus seinen Diensten. Sie begreift nicht, was er mit ihr vorhat. Aengstlich vertraut sie sich dem alten Schünzl an, den sie aus dem Schlaf weckt, genau wie es eben der Baron getan hat. Sie verabschiedet sich von Franz, der sich in sie verliebt hat und der nun auch Schünzl aufweckt um ihm sein Herz auszuschütten, der aber rasch getröstet ist, als Oliv kommt, die Susi angerufen und herbestellt hat
Der Baron aber erwischt Susi, als sie heimlich ihre Koffer packt. Er bittet sie, für ihn noch einen Brief zu schreiben. Zum letzten Mal setzt sie sich an die Schreibmaschine; der Inhalt des ihr diktierten Briefes rechtfertigt alle Erwartungen des Lesers auf ein glückliches Ende dieses Films.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #261, 11/06/1931):
Wo man von diesem Film sprechen wird, werden die ersten Worte sein: Die Mosheim. Einen Lastwagen Lorbeerkränze her, wir haben einen neuen großen Tonfilmstar. (Bitter nötig haben wir ihn gehabt . . .).
Kleine Frage nebenbei: Warum ist eigentlich die Mosheim so spät in ihrem wahren Wesen für den Tonfilm entdeckt worden? Ach, wozu fragen, Richard Oswald hat wieder einmal den richtigen „Riecher“ gehabt, der Erfolg seines Stars ist nicht zu einem geringen Teil sein eigener.
Grete Mosheim spannt für die Rolle der kleinen stellungslosen Stenotypistin, die sich eine Stellung erkämpft und schließlich den Chef, Präsident und Baron dazu, heiratet, ihre ganze schauspielerische Wandlungsfähigkeit ein. Ihre Susi Sachs sieht in jeder Stimmung anders aus. Sie ist ein graues, zerknautschtes Dingelchen als hungernde Stellungssucherin, sie ist gestraffte, sachliche Energie bei der Arbeit, und sie wird schließlich ein wildentschlossenes, an keine Konsequenz denkendes verliebtes Mädel, wenn die Rivalin für das chefliche Herz auftaucht und aus dem Felde zu schlagen ist. Wir glauben der Mosheim alles, den Hunger, die wilde Freude über das Engagement, die Verbissenheit bei der Arbeit, den plötzlichen Affront, wenn das Herz dem Verstand durchgeht, die Freude am Champagner und den grauen Katzenjammer. Und wir gönnen ihr von Herzen das glückliche Finale dieses Films.
Als Handlungsgrundlage diente das erfolgreiche Theaterstück „Arm wie eine Kirchenmaus“ von Ladislaus Fodor. Felix Salten und Heinz Goldberg haben das Manuskript geschrieben. Es zeigt sich wieder einmal, daß man auch den verlockendsten Schlagworten mit kühlem Mißtrauen gegenübertreten soll. Gemeint ist das Schlagwort von der Gefahr des „verfilmten Theaters“. Es gibt Propheten, die die heiligsten Filmgüter in Gefahr sehen, wenn in einer Verfilmung ein paar Bühnenszenen im Original übernommen sind.
Demgegenüber sei mit aller Bescheidenheit die These vertreten, daß es in der Hauptsache darauf ankommt, daß die Szene und der ganze Film wirken, gleichgültig, mit welchen Mitteln die Wirkung erzielt wurde.
In diesem Film zeigt es sich, daß diejenigen Szenen die weitaus besten sind, die nahezu im Original dem Bühnenstück entnommen wurden. Als da sind der Rausschmiß der koketten Tipteuse und das Engagement der grauen Arbeitsbiene und die wichtigsten Szenen der Schlußakte. Diese Szenen sind gleichsam das feste Gerüst des Films. Was von den Autoren dazu getan wurde, ist zum Teil recht nett. So die Weanerruhe des Portiers, die Passagen durch die Büros, das Feilschen um ein Pariser Abendkleid und manches andere. Weniger gelungen sind die Abenteuer der würdigen Herren Quapil und Schünzl im nächtlichen Paris. Der Regisseur Richard Oswald vermag auch nicht unter Einsatz der charmanten Trude Hesterberg den Szenen Farbe und Tempo zu geben. Sie liegen als steiniges Geröll in der Mitte des Szenenflusses, man sollte sie energischer kürzen, wie manches Drumherum. Das Publikum wird dann in noch stärkerem Maße Kontakt zu der eigentlichen Handlung behalten.
Oswald erweist sich wieder einmal als starker Schauspieler-Regisseur, der sein Material zu behandeln versteht und auch die kleinste Figur mit sicherem Blick auf den rechten Platz stellt.
Neben der Bekanntschaft mit dem Star Grete Mosheim erfreut am meisten die Vorstellung von Anton Edthofer. Willkommen beim Tonfilm! Wir brauchen ja nicht nur Komiker, sondern auch Schauspieler. Auch solche wie Edthofer, die mit ein paar Gesten das Wesen eines Bankpräsidenten sicher umreißen.
Charlotte Ander, kokett bis in die Fußspitzen, ist der Mosheim nicht nur bei ihrem Chef, sondern auch beim Publikum eine gefährliche Rivalin. Die Ander war seit langem nicht so reizvoll und gelockert.
Starken Erfolg hat auch wieder Fritz Grünbaum. Ein Buchhalter mit goldenem Herzen, den das Parkett rasch liebgewinnt. Beifall für seine besinnlichen Betrachtungen über ungenutzte Chancen des Lebens.
Paul Hörbiger trottelt als Graf Sowieso amüsant durch die Gegend, ein Pendant zu Hans aus dem Mimengeschlecht der Thimigs, der mit lustigen Blödeleien die Lacher auf seiner Seite hat.
Paul Morgan gibt ein ulkiges Faktotum, auch die wirkungssichere Senta Söneland ist mit dabei.
Ein paar Außenaufnahmen hätte man einschneiden können, auf diese Weise wäre der Film der Bühne, was die Skizzierung des Lokalkolorits anbelangt, vorausgewesen.
Technisch ist der Film ungemein saubere Arbeit. Die Photographie von Walter Robert Lach ist ein Genuß. Franz Schroedter baute mit seiner persönlichen Note, ein paar Dekorationen sind etwas überladen. Hermann Birkhofers Tonleitung läßt jede Sprachnuance klar herauskommen.
Ralph Benatzky hat für den Film eine gefällige Musik geschrieben, die von Rolf Jacoby und Grete Walter geschickt arrangiert wurde.
Der Premierenerfolg war groß. Die Darsteller hatten wiederholt Applaus auf offener Szene, zum Schluß waren die unentwegt Applaudierenden kaum aus dem Saal herauszukriegen.