Shadows of the Underworld

Originaltitel: Schatten der Unterwelt. (Der Meisterdieb.) Abenteuerdrama 1931; 95 min.; Regie: Harry Piel; Darsteller: Harry Piel, Dary Holm, Elisabeth Pinajeff, Hans Junkermann, Carl Balhaus, Hans Behal, Carl Goetz; Ariel-Tobis-Klangfilm.

Während Spießbürger und die hohe Obrigkeit Sylvester feiern, geschieht ein Bankraub, den man einen Erfinder, dessen Apparat man benützte, anlastet. Er flieht mit einer Dame der Gesellschaft, die ihm nich gleichgültig, und rettet, die Spitzbuben entlarvend, ihr Vermögen. Dann erreicht er die rettende Grenze.

Zusammenfassung
Neujahrsnacht. In toller, ausgelassener Stimmung feiert die Großstadt den Beginn eines neuen Jahres. Ausgelassene Menschen auf den Straßen, in den Hotels, überall Freude und hoffnungsfrohe Stimmung. Zwei Menschen aber feiern dieses Fest in nicht gerade allgemein üblicher Art: Kriminalkommissar Braun, der von seinem verantwortungsvollen Dienst auch zu dieser Stunde im Polizeipräsidium festgehalten wird, und Harry West, ein Mann von nicht ganz durchsichtiger Existenz, der bei der schönen und von ihm sehr verehrten reichen Erbin Irene von Sheridan zu Besuch weilt. – Durch das Polizei-Präsidium schrillen plötzlich Alarmglocken. Es wird gemeldet, daß bei der Zentralbank ein verwegener Einbruch verübt, die Tresorkammer gesprengt, die Safes geöffnet und alles, was erreichbar, geraubt sei. Kommissar Braun und Inspektor Keller begeben sich sofort mit einem ganzen Stab von Beamten zum Tatort. Die Tresorkammer wird nach Spuren abgesucht, und sofort können die Beamten feststellen: Hier war eine ganz raffinierte Einbrecherbande am Werk, die mit aller Vorsicht gearbeitet hat. Und doch, eine Spur wird gefunden. Zwischen Stahlkassetten, Papieren, zwischen all den Gegenständen, die die Einbrecher nicht mitgenommen haben, findet sich eine weiße Aster. Für Inspektor Keller steht es fest, daß nur Harry West der Täter sein könne. Kein anderer Einbrecher wäre je in der Lage gewesen, in einer so verblüffend kurzen Zeit, wie sie in diesem Falle für den Einbruch zur Verfügung stand, die starke Tresorpanzertür zu sprengen. Es ist im Polizeipräsidium bekannt, daß nur Harry Wests Erfindung den Einbruch möglich gemacht hat, und für seine Teilnahme spricht auch die gefundene weiße Aster, die der Gentlemanverbrecher immer zu tragen pflegt, – Harry West, immer noch bei Irene, wird plötzlich ans Telefon gerufen; sein Freund Jonny ist am Apparat und teilt ihm mit, daß etwas Furchtbares geschehen sei. Mehr kann Harry nicht erfahren, denn plötzlich ist das Gespräch unterbrochen. Harry stürzt davon. In der Wohnung Jonnys stellt er fest, daß seine Erfindung, der Schnellschmelzapparat, geraut: und Jonny spurlos verschwunden sei. Während er mit Jonnys Vater noch spricht, erscheint plötzlich Kriminalinspektor Keller, um ihn, der des Einbruchs so dringend verdächtig ist, zu verhaften. Nur durch einen raffinierten Trick gelingt es Hany West, den Polizeibeamten zu entwischen, und kurze Zeit darauf ist er schon in einer Bar, in der nicht sehr vertrauenswürdige Menschen verkehren. Da ist die schöne Kokotte Yvette, die in den Geheimgängen hinter dem Bartisch anscheinend sehr gut Bescheid weiß, der Mixer, der nicht nur die Gäste, sondern auch eine Geheimklingel bedient, ein Mensch mit tätowierter Brust, der auf den seltsamen Namen „Langfinger“ hört. Da gibt es Fernseher und geheimnisvoll eingebaute Mikrophone. Und noch eine berüchtigte Persönlichkeit ist da, ein gewisser Appoloni. Harry versucht, von Yvette zu erfahren, wo die Banditen Jonny festhalten. Für ihn liegt der Fall klar: man hat den Einbruch mit seiner Erfindung durchgeführt und man wird nun versuchen, ihm die Sache in die Schuhe zu schieben. Darum ist er auch sofort in die Höhle des Löwes gegangen, um die Sache aufzuklären, der Polizei kann er das nicht überlassen. Plötzlich fallt durch die Wand ein Schuß. Wie auf Kommando wirbelt alles durcheinander. Fensterscheiben klirren, Jonny liegt plötzlich verwundet vor ihm. Yvette ist entschlüpft. In dem Bruchteil einer Sekunde hat Harry Jonny an sich gerissen und ist mit ihm durch das Fenster auf und davon gegangen, keinen Augenblick zu spät. – Während die Polizei noch eifrig mit der Verfolgung der Spuren Harry Wests beschäftigt ist, fährt Harry am nächsten Tage mit Irene im Expreßzug nach der Schweiz. Aber schon ist die Polizei auf seinen Spuren. Die Grenzwache ist verständigt. Während die Pässe der Reisenden kontrolliert werden, während die Beamten von Abteil zu Abteil gehen, entwischt Harry mit knapper Not aus dem Zug, verfolgt von der Meute der Grenzwachen und der Kriminalbeamten. – Indessen ist Irene in St Moritz, dem mondänen Winterkurort, eingetroffen. Hier trifft sie mit Berry zusammen, dem Direktor der Zentral-Bank, der ihr eröffnet daß ihr gesamtes Vermögen, das in einem der Safes lag, beim Einbruch gestohlen worden sei. Alle Einwände, die Irene erhebt, prallen an dem eisigen Lächeln Berrys ab. Irene beschuldigt ihn, an diesem Einbruch beteiligt zu sein, der nur inszeniert worden sei, um ihr Vermögen zu stehlen, – Berry lächelt ihr ins Gesicht. Doch plötzlich bekommen seine Züge einen anderen Ausdruck, denn Harry West steht unvermittelt vor ihm und macht der Szene mit der Bemerkung ein Ende, daß er ihn in einer Stunde unter vier Augen zu sprechen wünsche. – In Berrys Villa scheint es nicht ganz geheuer zuzugehen, denn da gibt es eine merkwürdige Einrichtung, eine Falltür, durch die man ganz unvermittelt in einen besonders gesicherten Kellerraum befördert werden kann. Wenn hier zum Schluß nicht Harry West, sondern Berry und seine Helfershelfer hineinfliegen, so ist das nur der Umsicht zu verdanken, mit der Harry West seinem Gegner gegenüberstand. – Noch einmal spricht er Irene auf wenige Sekunden. Er wird sie später einmal wiedersehen. Jetzt muß er schnell fort, denn schon ist die Polizei hinter ihm her. Wenn er auch mit diesem Einbruch nichts zu tun hat, er muß fliehen, denn er ist Harry West, der verwegene Abenteurer.

Kritik (-ger., Film Kurier #098, 04/28/1931):
Diesem Film hat man mit Recht das größte Lichtspielhaus Berlins geöffnet; einem wirbeligen, verwegenen Kino-Stück der schätzenswerten, beliebten Piel-Klasse, der seinen ganzen Stab einsetzt und sein ganzes Können. Ein Wurf, an dem nichts zu mäkeln ist.

Piel hat heute keinen Konkurrenten mehr seit Fairbanks zu Shakespeare stolperte, anstatt weiter Lassos und Florette zu schwingen.
Piel hielt seinen Standard – – und seine Haltung.
Er dringt jetzt nur noch mehr durch als früher, er verfeinerte auch seine eigenen Mittel, und die Terra-Herren Scotonis waren guten Geistes, als sie Piel für diesen Film verpflichteten, der zu den berechtigsten Publikumserfolgen gehört. Die Uraufführung verlief aufs vergnüglichste.
Piel verfügt über viele Trümpfe: Kraft und Humor, Einfälle und Formlinie, Temperament und Ausgeglichenheit. Viel auf einmal. Daß er mit Henrik Galeen zusammen kam, frischte ihn noch mehr auf. Zwei Erfahrene, die noch unverbraucht.

Man tat Henrik Galeen unrecht, als man ihn wegen seiner Londoner (unfreiwilligen) Pensionszeit kritisierte. Denn er beweist, daß er – genannt ist auch Viktor Klein als Produktionsleiter – die richtige Mischung des Kriminalfilms mit der Verbrecher-Romantik versteht, in der die edle Liebe ebensowenig fehlen darf wie die Düpierung der hohen Obrigkeit.
Galeen nimmt es mit einem halben Dutzend „Nachwuchs“-Eleven auf. Er hat Handgelenk; wieder mal kein dramaturgischer Dilettant, kein Krampfmacher.
Allerdings bringt Piel selbst für seine Ideal-Schablone alles mit.
Piel zaubert immer: er täuscht einen 600 000 Mark-Film auch bei der Hälfte Kosten vor. Wieviel steckt in so einem Film! Piel ist ein Kalkulationsgenie. Nicht auszudenken, wenn man ihm einmal die Mittel einer Großproduktion bewilligte! Er würde ausgewachsene Ben Hurs en gros in die Welt setzen. Ein Atelier-Potenter, ein Mordskerl.
Jetzt auch ein sehr bedachter und mikrophosicherer Sprecher, der die Pose läßt und – wie selten dieser Fall – im Sprechfilm noch eindringlicher und natürlicher wirkt als im Stummfilm. Er hat aus seinem ersten Film gelernt, was zu lernen war.
Und so verspürte das Publikum in dem fangen Film kaum eine Lange.
Der Psychologe wird konstatieren, daß solch ein ganz unpsychologischer Piel-Märchenfilm Wunschträume der Massen befriedigt: vom ewigen Sieg des Stärkeren über tausend Gefahren. Denn ach, so ist das Leben nicht: Daß einer über Balkons springt und die gemütlichste Schweizer Alpenpolizei schonungsvoll hinter vermeintlichen Verbrechern herskit. Kein Balkonfenster steht offen, wenn die Unschuld entfleucht: Aber im Piel-Dasein ist’s herrlich, da kann man aus D-Zügen durch die Hintertür ins Glück und die Freiheit entwischen.

Kein Lob kann hoch genug sein für die dramaturgische Einteilung, die Dialog-Verbindung mit Bild-Reizen (Kamera Ewald Daub) die Dialog-Leitung Erich Schönfelders und Harry Piels Regie.
Mit Max Ehrlichs witziger Conference beginnt’s, er trägt fröhliche Silvester-Reminiszenzen in den Film. Dann die Unterwelt-Schatten dagegen, Bankeinbruch, Schuß in der Nacht – Auftritt des klugen Kriminalkommissars. den Hans Junkermann mit feinsten Mitteln leicht unterstreichender Komikerkunst durchführt.
An Erfindungen haben die Unterweltler in ihrer Kakadu-Bar wirklich nicht gespart, die Ring-Vereine aller Welt werden vor Neid erblassen. Ueberall im Film wird betriebvolles Leben packend gezeigt: ob Natur, ob Verbrecher-Komödie, ob Piels volkstümliche, mit gesund-proletarischer Robustheit gespielten Sensationen und Salonszenen – – es bleibt fesselnd, moussierend und amüsierend.
Sonderlacher für Berlin: der Schwyzer-Dialekt.
Alle Darsteller am Platze, die blonde Dary Holm, die körper-schöne Elisabeth Pinajeff mit sehr vervollkommnetem Deutsch, Eugen Rex, Karl Götz, Bohal, Baihaus, Wartan, Ledebour.
Heiterste Stimmung, Zwischenbeifall, Endapplaus. Alle vor dem Vorhang. Der Kritiker klatscht mit, zumal auch die Tonwiedergabe (Klangfilm) viele Feinheiten der Tonaufnahme (Métain) wiedergibt, bis auf ein paar zu tief liegende Szenen.
Im Vorprogramm die Stambul-Aufnahmen Von Curt Courant. Besonderer Stil von Bau-Aufnahmen, bei dem die Atmosphäre für Courant mehr gilt als das Bau-Detail. Schöne Bilder. Schrödters Musik handwerklich sehr achtbar, mit vielen Anklängen ins Ohr gehend. Tonlich kam die Wiedergabe dieser Musik zu sehr aus dem „hohlen Faß“, die Tiefe klang nicht voll genug.

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