Originaltitel: „. . . und das ist die Hauptsache!?“ (Eine tolle Ballnacht.) Ehekomödie 1931; 74 min.; Regie: Joe May; Darsteller: Nora Gregor, Harry Liedtke, Ursula Grabley, Robert Thoeren, Otto Wallburg, Ferdinand Hart, Fritz Odemar, Jakob Tiedtke, Julius Falkenstein; May-Tobis-Klangfilm.
Ein Ehemann, acht Jahre glücklich verheiratet, schlittert in ein Abenteuer mit einer Kunstgewerblerin hinein. Seine Frau will ihn nun ebenfalls betrügen, fällt einem Hochstapler in die Hände, der sie beinahe ausplündert. Dann Versöhnung.
Zusammenfassung
Karneval – – Durch die Ballsäle wort das ausgelassene Treiben kostümierter Menschen, die im Trubel der Faschingsnacht Sorgen und Trübsal des Alltags vergessen wollen. – Werner und Renée Roettlinck stehen dem hemmungslos fröhlichen Maskentreiben etwas fremd gegenüber. Doch Renée spürt eine Spannung in ihrem Manne, deren Grund ihr erst klar wird, als er ihr gesteht, daß er die Ballkarten anonym zugeschickt erhalten hat. Und tatsächlich hat er nicht die leiseste Ahnung, wer ihn auf den Bali gelockt hat. Aber während Renée innerlich nicht zur Umstellung ihrer Gefühlswelt auf wenige Stunden bereit ist, hat Werner die Lust am Abenteuer gepackt. Der Brief mit den Karten war für ihn wie ein Ruf des Lebens, eine Aufforderung, jung zu sein, den Ernst seines Berufes und die ruhige Gleichmäßigkeit seiner Ehe für einige Stunden mit der Frische und Leichtigkeit einer Faschingsnacht zu vertauschen. – Pixi, eine junge, übermütige Kunstgewerblerin, hat Roettlinck die Karten zugeschickt. Sie macht sofort seine Bekanntschaft und bezaubert ihn durch ihr originelles Wesen und ihre luftige Art. Werner ist sichtlich verstimmt, als er in seinem Flirt mit Pixi von seiner Frau gestört wird. Renée kann sich nicht von ihren Hemmungen freimachen, die Berührungen der Männer, die mit ihr getanzt haben, flößen ihr körperliches Unbehagen ein. Sie fühlt sich vereinsamt, mitten im Lärm des Festes. Werner hält ihr vor, daß man doch nicht auf einen Kostümball geht, um einander zu kontrollieren, oder abseits der allgemeinen Fröhlichkeit und Ausgelassenheit zu stehen. Da überwindet sich Renée und entläßt ihn: er soll sich für diese Ballnacht völlig frei fühlen – mit Pixi. – Aber auch auf Renée harrt ein Abenteuer. Ein eleganter junger Mann versteht es, ihre Bekanntschaft zu machen und sie mit dem Scharm des vollendeten Kavaliers zu bezaubern. – Erst wehrt sie sich gegen das Gefühl sofortiger Sympathie, dann überwindet sie ihre Scheu – bald bringt der Tanz die beiden in richtige Faschings-Stimmung. Immer berückender wird der Reiz des Abenteuers für Renée, immer mehr fasziniert sie der Flirt des jungen Mannes, der sich ihr als Fürst von Dernburg-Karlstadt vorstellt. Sie fühlt die Wirkung ihrer Schönheit auf den Mann und genießt dieses Gefühl in echter Weiblichkeit. – Da plötzlich sieht sie im Vorübergehen, wie ihr Mann im Vestibül vor Pixi kniet, ihr in die Ueberschuhe hilft und wie beide Arm in Arm das Fest verlassen. Eine unsagbare Traurigkeit durchzuckt sie, – aber dann rafft sie sich mit aller Energie zusammen, zwingt sich zur Ausgelassenheit, fälscht ihre wahren Gefühle ins Bacchantische um. Sie will fort von hier – fort vom Menschengewühl – Irgendwohin! Der Fürst selbst, schon vom Abenteuer ergriffen, in Rente sichtlich verliebt, zögert noch. Aber Rente drängt zum Aufbruch – und die beiden verlassen Arm in Arm das Fest Wie vorhin Roettlinck und Pixi – Bittrich, der Diener, ist dem Fürsten ins Hotel vorausgeeilt Er schließt die Tür zum Appartement auf – im selben Moment verschwindet ein Mann aus dem Salon, der dort im Licht einer Taschenlampe hantiert hat – Renée kommt mit dem Fürsten. Der von Bittrich bestellte Imbiß mit dem Sekt steht bereit Rente ist entschlossen, den Rest der Faschingsnacht Wer zu verbringen. – Roettlinck ist indessen mit Pixi in ihrer entzückenden Atelierwohnung gelandet. Pixi läßt alle ihre Drollerie und ihr Temperament auf ihn los, und Roettlinck ist entzückt von ihrer schnippischen Fröhlichkeit und Verliebtheit. Plötzlich fällt ihm ein, daß er völlig vergessen hat, zu Hause anzurufen und für Rente den Wagen zu bestellen, wie sie ihn gebeten hat. Er telefoniert nach Hause – erfährt aber, daß Renée noch nicht zurück ist. – Roettlinck ist ernüchtert und bestürzt, jäh aus der Faschingsstimmung gerissen. Die Lust am Abenteuer ist ihm vergangen, starke Unruhe bemächtigt sich seiner. Pixi erkennt, wie nahe Roettlinck der Zwischenfall geht, sie fühlt, daß ihre leichte Art vielleicht schweres Unheil angerichtet hat. – Inzwischen ist es dem Fürsten nicht gelungen, Renée zu erobern. Nach einem jähen Stimmungsaufschwung werden ihre Hemmungen wieder stärker und stärker. Sie will den Fürsten verlassen – findet aber die Tür versperrt.
Im Schlafzimmer sitzt der Diener des Fürsten und lauscht mit unwilliger Miene auf die Vorgänge im Nebenraum. Im gegenüberliegenden Hotelzimmer aber sitzt der Mann mit der Taschenlampe mit zwei anderen Herren – auf der Lauer. Der Moment, in dem er den Zweck seiner Anwesenheit erreichen kann, scheint noch nicht gekommen. Das Eingreifen dieser Männer bringt die abenteuerliche Faschingsnacht zum Abschluß, die für Renée und Werner beinahe zum Verhängnis geworden wäre.
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #082, 04/09/1931):
Der Film setzt ein mit Jazzwirbel, Massenlärm und Kameratrick, Kostümfest. Keine Talmidekoration mit zwei Ecken, in denen sich ein paar Komparsen tummeln. Sondern ein wirkliches Fest, von dem man glaubt, daß es von Tausenden besucht ist, dessen Stimmung elektrisiert, bei dem man gleich mitmachen möchte, mit einem großen Sprung auf die Leinwand.
Joe Mays Regie gibt in den ersten drei Akten in der Handhabung der Massen, in der Ausnutzung des Festes für seine Handlung eine ganz große Leistung, die bisher wohl kaum beim Tonfilm erreicht wurde. Es war um der Wirkung dieser Szenen willen notwendig, die Premiere ein paar Wochen zu verschieben: Es hat sich gelohnt. Die Sprache der Hauptdarsteller und die Musik und das Geräusch im Hintergrund stehen jetzt in rechtem Verhältnis zueinander.
Man müßte sich diese Kostümfest-Szenen ein paar Mal ansehen, um alle technischen Feinheiten und Regiekniffe auszukosten. Es ist wie große Musik, die man erst beim dritten Mal richtig in sich aufnehmen kann.
Und dann gibt es in diesem Film ein Mädel, sie heißt Ursula Grabley. Dieser Pixi befiehlt nicht nur die Rolle Temperament, sondern er hat auch welches. Sie ist so eine Mischung von der Brooks und der Aalten, aber doch etwas Eigenes. Körperlich wie mimisch gleich beweglich. Man glaubt durch sie dem Autor jeden Einfall. Joe May hat wieder einmal eine große Entdeckung gemacht. Das Material ist noch etwas roh, es wird mit der Zeit Schliff kriegen und letzte Nuancierung erhalten, aber es ist gutes, brauchbares Material.
Nun zur Handlung, ersonnen von Richard Duschinsky, verarbeitet von Adolf Lantz. Ein sieben Jahre glücklich verheiratetes Ehepaar besucht ein Kostümfest. Weil eine verlebte Kunstgewerblerin anonym Karten schickte. Die Kleine hat sich ihn nach fünf Szenen gekauert und die Gattin ist bereit, sich um jeden Preis zu revanchieren. Sie fällt Gaunern in die Hände, sie wandelt hart am Abgrund der ehelichen Treue, aber sie wird durch ein gutes Geschick vor der Tragödie bewahrt. Zuhause warten die Kleine und der Gatte auf sie, auch bei ihnen ist nichts „passiert“, die Sorge um die Frau hat ihn bewogen, den freigiebig dargebotenen Eva-Apfel im letzten Moment zurückzuweisen.
Der Stoff ist gut, voller Einfälle und Möglichkeiten, er ist in den ersten zwei Dritteln des Films glänzend angelegt und ausgearbeitet.
Man konnte das Ganze als Komödie aufziehen, als Komödie bis zum letzten Meter. Der Weg wäre ein wenig ausgetreten gewesen, aber für einen so aus Eigenem schöpfen den Künstler wie Joe May durchaus gangbar. Man hatte den Stoff ernst nehmen können, als Beweis für die Schicksalsverbundenheit zweier Menschen, die im Moment, da sie auseinandergehen, erkennen, wie sehr sie sich lieben.
Joe May wählt ein Mittelding zwischen beiden Spielarten. Ihn hat ohne Zweifel das Lustspielhafte des Stoffes mehr gepackt als das Nachdenkliche: er wollte, daß das Publikum lacht, über den komischen Otto Wallburg, über Julius Falkenstein als Wotan, über den charmanten Witz der Ursula Grabley. Wenn man bedenkt, wie schwer es gerade beim Tonfilm ist, das Publikum, das eben aus vollem Halse lachte, zur nötigen Andacht für Besinnlicher umzustimmen, dann muß man zugeben, daß die gefundene Lösung volle Anerkennung verdient. Joe May hat die sich selbst bereiteten Schwierigkeiten letzten Endes überwunden – die Frage ist, ob die Schwierigkeiten überhaupt notwendig waren.
Man stutzt zum ersten Mal, als mitten im Festtrubel Nora Gregor eine Eifersuchtsszene spielt, die um mehrere Nuancen zu leidenschaftlich, zu verinnerlicht, zu sehr großes Theater ist. Nora Gregor spielt das bezaubernd, mit Tränen in der Stimme, mit dem Willen zu bitterer Entsagung. Aber man ist auf diese eindringlichen Mary-Dugan-Gesten nicht vorbereitet.
Die Szenen der Entlarvung des prinzlichen Hochstaplers sind eine Kleinigkeit zu lang, man sollte sie kürzen und wird vieles gewinnen. Der Schluß, an dem sichtlich viel herumexperimentiert wurde, wirkt matt. Der Film ist nicht zu Ende gedacht, man erwartet als Besucher noch irgendetwas.
Aber der Gesamteindruck ist, wie schon beim ersten Film der May-Produktion: Hier wird nicht nur „saubere Arbeit“ geleistet, sondern hier sind auch Künstler am Werk, eigenwillige Künstler, die die Schablone hassen, die Neues versuchen, denen ein nicht ganz gelungenes Experiment lieber ist als eine glatte Nachahmung. Der deutsche Tonfilm braucht Leute wie Joe May, ja, er kann überhaupt für die Dauer nur existieren, wenn es mindestens ein Dutzend Künstler seines Schlages gibt. Nur so kann der deutsche Tonfilm vor Versicherung geschützt werden.
Ueber die Darsteller ist schon einiges gesagt. Die Grabley hat den größten Erfolg. Nora Gregor schöpft aus der Vollkraft ihres Bühnenkönnens, sie ist von dem auch sonst brillanten Kameramann Kanturek hervorragend photographiert. Nora Gregor ist zurzeit die beste Verkörperung weiblicher Spiel-Kultur im Tonfilm.
Harry Liedtke beweist, daß ihm bei der Beurteilung seines Tonfilm-Könnens viel Unrecht getan wurde. Er hat für eine Rolle wie diese vom Stummfilm her die wirksame Haltung, seine Sprache ist nicht ohne Charme, man glaubt ihm die Freude am Herumflirten ebenso wie den ehemaligen Hauptmann und amtierenden Generaldirektor.
Jakob Tiedtke ist ausgezeichnet als eigenwilliger Diener mit Feldwebelgesten, aber seine zu breit ausgesponnene Rolle wirtet in den entscheidenden Szenen des Films retardierend, Joe May hat sich von Tiedtkes Können verführen lassen.
Robert Thoeren, gut aussehend und von glatter Liebenswürdigkeit, spielt zusammen mit dem robusten Ferdinand Hart das Verbrecherpaar.
Das Technische des Films ist hervorragend. Kantureks Photographie, Huntes Bauten, Tjadens Tonleitung sind Weltstandard. Th. Varady lieferte nette Kostümentwürfe.
Besondere Erwähnung verdient die gepflegte Sprache der Dialoge.
Das Publikum ging an den lustigen Stellen begeistert mit, es wurde von der Spannung der mit Wallacemitteln inszenierten Entlarvungsszenen gepackt und applaudierte zum Schluß stark, als sich die Darsteller auf der Bühne verbeugten.
Das Deutsche Lichtspielsyndikat liefert seinen Kunden mit diesem Film zum Abschluß der Saison ein Werk, das weit über dem Durchschnitt steht, und das eine solche Fülle des Sehens- und Hörenswerten enthält, das es jedem Publikum gefallen müßte.