
Originaltitel: Der Hochtourist. Posse 1931; 86 min.; Regie: Alfred Zeisler; Darsteller: Otto Wallburg, Erika Glässner, Trude Berliner, Eugen Rex, Theo Schall, Max Ehrlich, Maria Matray, Wolfgang Zilzer; Ufa-Klangfilm.
Ein Stadtrat ist häufig auf Abwegen, während seine Frau ihn im Hochgebirge glaubt. Als sie seine, aus einem Gebirgsroman abgeschriebenen, Reisebriefe veröffentlicht, hat der Arme außer seiner Familie noch den Autor des Buches auf dem Halse. Da dieser sich jedoch in die Stadtratstochter verliebt, endet alles noch glimpflich.
Zusammenfassung
Der Stadtrat Theodor Mylius ist Besitzer eines dicken Bauchs, einer ehrgeizigen Frau, einer hübschen Tochter namens Alice, Vorgesetzter eines Biebers und in Aussicht genommener Schwiegervater eines Alligators. Bieber ist das treue Bürofaktotum, der stillschweigende Verbündete des behenden, korpulenten alten Sünders Mylius gegen die – ach so gestrenge Gattin, und der Alligator ist der reiche, junge Lederfabrikant, der nur leider der hübschen Alice so gar nicht imponiert; da gefällt ihr Hanns Mertens, ein überraschend eintreffender Jugendfreund des Alligators, viel besser, und das beruht auf Gegenseitigkeit – es ist außerdem immer so gewesen, daß Hanns dem etwas dämlichen Alligator seine weiblichen Eroberungen wieder ausspannte.
Papa Mylius, trotz seines Bauchs ein geübter Seitenspringer, hat sich ein geradezu geniales System ausgedacht, um dem Gehegt der Ehe zu entfliehen. Nur der treue Bieber weiß, wo der mit allem Rüstzeug des Hochtouristen so oft in seine geliebten Berge flüchtende dicke Sünder in Wirklichkeit hinfährt. Bieber weiß auch, daß die begeisterten brieflichen Schilderungen der Wunder der Schneeberge wörtlich aus einem Gebirgsroman abgeschrieben sind und daß das Hochgebirge dieses Touristen aus einer Dachwohnung in München besteht, wo in angeregtem Künstlerkreise, bei Wein und Sekt – sicherlich kein Edelweiß gesucht und gefunden wird.
Wieder einmal geht es hoch her oben auf dem Dach. Diesmal ist die reizende Lore Heller da, eine junge Schauspielerin, deren Schönheit den dicken Sadtrat aus Würzburg in Begeisterung versetzt. Und auch Lorchen fängt Feuer, denn sie hat Ehrgeiz, und Mylius hat sich als Theaterintendant aus Würzburg vor gestellt und will sie gleich engagieren, Dem Intendanten Blumenreich aus Breslau, der auch mitfeiert, kommt zwar der Kollege aus Würzburg etwas sonderbar vor, aber der Alkohol verhindert jede Aufklärung, schließlich ruhen die beiden Theatergewaltigen Seite an Seite in einer Hängematte und träumen von Lore Heller, die, in einen Koffer verpackt, sanft eingeschlummert ist.
Aber nun geschieht etwas Furchtbares! Frau Mylius wollte ihrem Mann eine ganz besondere Geburtstagsüberraschung bescheren und hat seine Briefe aus dem Hochgebirge drucken lassen, sie will sie ihm selbst an Ort und Stelle, am Busen der erhabenen Mutter Natur überreichen. Bieber ist entsetzt, er versucht, ihr den Plan auszureden, aber da wird Frau Mylius ängstlich und mißtrauisch. Warum soll sie nicht zu ihrem Dicken? Ist ihm etwas zugestoßen? Dann muß sie erst recht hin und den kühnen Bergsteiger pflegen! Kurz und gut, sie wird reisen, und Alice wird sie begleiten. Die wäre viel lieber in Würzburg geblieben, wo Hanns Mertens ist, aber die Mutter spricht ein Machtwort. Bieber kann nichts anderes tun, als schleunigst mit dem nächsten Zug nach München zu fahren, um den Stadtrat zu warnen, der noch immer sanft an der Seite Blumenreichs den Schlaf des Sünders schläft. Aber Bieber rüttelt ihn auf. Es ist keine Zeit zu verlieren. Schnell in die Bergsteigerkluft und hinauf ins Gebirge nach dem lieblichen Bergnest, von dem immer die begeisterten Briefe kamen, die ein gefälliger Wirt im Auftrage des Stadtrats abschickte. Der Hochtourist kommt auch noch zur rechten Zeit vor der Gattin an und entflieht gleich weiter in eine benachbarte Almhütte. Aber seine Verfolger stellen ihn doch. Einmal die Gattin mit der Tochter, dann Blumenreich mit Lore, die beide Lunte gerochen haben, und schließlich Hanns Mertens, der festgestellt hat, daß das Buch des Stadtrats wörtlich aus seinem Hochgebirgsroman abgeschrieben ist. Für alle diese Untaten soll der alte Sünder nun bezahlen, und zwar mit der Hand seiner Tochter. Hanns treibt den Dicken immer mehr in die Enge, und schließlich, an einer steilen Schnee wand am Seil hängend, kapituliert der falsche Bergsteiger, und Alice bekommt ihren Hanns. Da Lore Heller in Blumenreich einen neuen Mäzen gefunden hat, ist auch sie versöhnt, und der Hochtourist kann seinen Geburtstag feiern im Kreise der Familie und inmitten seiner „geliebten Berge”.
Berg Heil!
Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #279, 11/28/1931):
Die Moral aus diesem Film: Man schwindele nicht, und wenn schon, dann mit mehr Geschick als der Herr Stadtrat Mylius in diesem Film. Sonst, kann man in die ekligsten Situationen kommen. Wenn man, um von der holden Gattin Urlaub zu bekommen, waghalsige Exkursionen ins Hochgebirge vortäuscht, sich aber in Wirklichkeit bei dem lockeren Künstlervölkchen Münchens amüsiert, dann achte man streng darauf, ob nicht etwa die Frau Gemahlin die Reiseberichte, die man aus irgendeinem Alpenbuche im Büro abgeschrieben hat, in Buchform herausgibt und man dann plötzlich vor aller Oeffentlichkeit als Held der Berge dasteht.
Wenn man einer hübschen Schauspielerin in München vorflunkert, man sei Intendant in Würzburg und werde sie engagieren, vergewissere man sich vorher, ob nicht etwa einer anwesend ist, der den Intendanten persönlich kennt und den Schwindel durchschaut.
Herr Stadtrat Mylius gerät in sehr peinliche Situationen, als ihn in München die Nachricht trifft, daß ihm seine Familie nach Oetz nachreisen will. Er muß plötzlich in das Land seiner papiernen Heldentaten, er muß mittels diverser Zehnschillingsscheine die Einwohner bestechen, ihn als langjährigen treuen Besucher anzusehen. Aber auch die Gegenseite ist nicht faul: Er wird gezwungen, eine schwierige Gipfelbesteigung vorzunehmen. Und wenn nicht zufällig der Bergführer in seine Tochter verknallt wäre, wer weiß, ob der gute Mylius zum Schluß so heldenhaft vor seiner staunenden Gattin dastände.
Wenn man erfährt, daß die Hauptrolle dieses Films von Otto Wallburg dargestellt wird, so kann man sich vorstellen, daß es erhebliches Gelächter im Parkett gibt. Der rundliche Otto als tyrannisierter Ehemann, als forscher Don Juan auf den Dächern von Schwabing, als unfreiwilliger Bergfex, hängend an schroffen Eiswänden, niederbrechend unter der gewaltigen Last der alpinen Phantasie-Ausrüstung. Otto blubbert und schiebt sich durch die peinlichsten Situationen, er redet die Opposition in Grund und Boden, er benutzt jeden Strohhalm zur Rettung. Ein kräftiges Berg Heil! dem lustigen Otto.
Verfaßt wurde das amüsante Geschehen von I. von Cube und Paul Frank nach einem Schwank von Kraatz und Neal. Die Autoren haben handfeste Unterhaltungsware gezimmert. Der Regisseur Alfred Zeisler ist mit einer Ambition an diesen Film herangegangen, die sich als entscheidend beweist: Die große Konkurrenz der Schwerenöterfilme gewinnt er mit Längen durch die Verpflichtung des Darstellers Natur. Alle Herrlichkeiten der Alpen im allgemeinen und des Oetztals im besonderen werden vor dem Zuschauer ausgebreitet. (Man faßt den kühnen Entschluß, sich doch einmal für die Zugverbindungon nach Oetz zu interessieren. Vieleicht, daß im nächsten Sommer . . .) Die Kameraleute Konstantin Tschet und Bernhard Wentzel haben verführerisch mit ihrer Kamera gearbeitet. Nicht nur die Gipfel und die Gletscher wurden auf das Zelluloid gezaubert sondern auch die herrliche Frische einer Almwiese, der stille Zauber eines einsamen Bergdorfes.
Zeisler mixt die richtige Mischung: Ehekrieg, Bohème-Stimmung, Berge. Und siehe, so wurde aus vielen Zutaten ein großer Filmerfolg.
Die Besetzung ist ausgezeichnet. Ueber Wallburg ist das zu Rühmende schon gesagt. Die Gläßner bringt sich nachdrücklich in Erinnerung, so etwas Klaftiges wie die Frau Stadtrat Mylius findet man im deutschen Film nicht alle Tage. Eugen Rex als vielbelachtes Faktotum Bieber beweist, daß er ein sehr brauchbarer Komiker ist und daß nicht die geringste Ursache für unsere Produzenten besteht, ihre Besetzungslisten stets nur mit überprominenten Namen zu füllen.
Maria Solveg und Theo Shall sind ein Liebespaar, wie es im Filmbuche steht. Trude Berliner bringt die richtige Portion Koßheit für das zu mimende Luderchen mit. Max Ehrlich treibt allerhaod lustigen Unfug, Wolfgang Zilzer blödelt erfolgreich.
W. A. Hermann und Herbert Lippschitz bauten mit gutem Geschmack, ihre Dächer sind zum Runterfallen echt. Otto Stransky schrieb die Musik, mit Texten von Ruth Feiner. Hans Otto Borgmann leitete das Musikalische, Dr. Goldbaum den schlackenfreien Ton.
Die Ufa hat ihre Erfolgsserie mit einem neuen Treffer fortgesetzt. Am Theater-besitzer-Toto ergibt sich für diese Saison die Gewißheit: Wer Ufa abschloß, hat richtig getippt.