Originaltitel: Die Nacht ohne Pause. Posse 1931; 84 min.; Regie: Andrew Marton, Franz Wenzler; Darsteller: Sig Arno, Camilla Horn, Max Adalbert, Paul Richter, Ilse Korseck, Ida Wüst, Willy Stettner; Universal-Tobis-Klangfilm.
Ein Bonbonsfabrikant möchte Tochter und Kompagnon verheiraten, will diesen ihr interessant machen, indem er ihm ein verflossenes Verhältnis mit einer Filmdiva an dichtet. Als jene auf Gastspiel in das Städtchen kommt, werden die beiden Sünder nach Stunden der Qual von ihr pardonniert.
Zusammenfassung
Julius Seipold, Inhaber einer Bonbonfabrik in einer – kleinen Stadt im Osten Deutschlands, hat sich von seiner Frau verabschiedet, um wieder einmal einer „Aufsichtsratssitzung“ beizuwohnen.
Diese Sitzungen haben die Eigentümlichkeit, immer bis zum nächsten Morgen zu dauern, und so hat Seipoid die wohlmeinende Mahnung auf den Weg bekommen, heute ausnahmsweise früher nach Hause zu kommen, da morgen Gertie, die einzige Tochter, aus der Stadt zurückkommt, in der sie ein Jahr lang in Pension war, um „Bildung“ zu lernen.
Güte Vorsätze sind bei einer Aufsichtsratssitzung schnell vergessen, und es ist schon sehr früh oder spät, als Seipoid endlich nach Hause kommt Er hat sich natürlich in der „Aufsichtsratssitzung“ mit der Tänzerin Marietta amüsiert.
Der Droschkenkutscher, der die beiden nach Hause gebracht hat, findet in der Droschke die Tasche der Tänzerin und liefert sie als ehrlicher Mann bei Seipolds ab. Natürlich bekommt Frau Seipoid die Tasche zu Cie sicht, und es kommt zu einem großen Familienkrach, der glücklicherweise durch die Ankunft der Tochter Gertie unterbrochen wird.
Gertie ist in der Stadt ein mondänes Mädchen geworden Sie ist nicht mit dem Zug zurückgekommen, sondern mit dem Auto eines befreundeten Herm. Frau Seipold ist von dein jungen; eleganten Mann entzückt, weniger dagegen Julius Seipold, denn er hat mit Gertie besondere Pläne und der elegante junge Mann scheint seine Pläne durchkreuzen zu wollen.
Seipoid geht aufs Ganze: Max Stieglitz, sein langjähriger Prokurist, soll sein Schwiegersohn werden. Er entspricht zwar im Aeußeren und in seiner Handlungsweise nicht dem Geschmack Gerties, die nur einen Mann „mit Vergangenheit” haben Seipold macht aus Stieglitz in kürzester Zeit einen neuen Menschen, Schnurrbart runter, neuen Anzug an, neuen Kragen und einen neuen Schlips, dazu noch eine kleine Schiebung mit dem Photo eines Filmstars, und „der Mann mit der Vergangenheit” ist da!
Diese kleine Schiebung mit dem Photo soll den beiden zum Verhängnis werden. Seibold hat ein Photo des Filmstars Lena Larbo gekauft und eine „innige Widmung” auf das Photo gesetzt. Bald weiß die ganze Stadt, daß Max Stieglitz mit Letta Larbo befreundet gewesen sein muß, daß er also ganz anders ist, als er aussieht. Stieglitz, durch den Nimbus, der ihn umschwebt, geehrt, ist wirklich in diesen Tagen eleganter und gewandter geworden. Die ganze Stadt beneidet Genie um ihren Verlobten. Die Hochzeit ist schon angesetzt, als plötzlich ein Ereignis hereinbricht, daß alle Berechnungen Seipolds über den Haufen zu werfen droht – – :
Im einzigen Kino des Ortes spielt man den neuesten Film mit Letta Larbo in der Hauptrolle, die Diva soll persönlich zur Premiere erscheinen. Das Unglück ist da!
Am Tage der Premiere trifft die berühmte Filmdiva mit ihrem Regisseur und Verlobten Riemann in dem kleinen Städtchen ein. Ahes steht Kopf Riemann ist furchtbar. Durch einen unglücklichen Zufall erfährt er von dem Bild Lettas mit der verfänglichen Widmung im Hause des „Wüstlings” Max Stieglitz. Es kommt zu einer furchtbaren Elfersuchtszene. Letta, die sich wirklich keiner Schuld bewußt ist, will der Sache auf den Grund gehen.
Sie hat bald heraus, wie Stieglitz zu dem Bild gekommen ist. Da die aber endgültig ihren Verlobten von seiner Eifersucht heilen will, spielt He wirklich die Rolle der früheren Geliebten Stieglitz’. Zum maßlosen Erstaunen des ehrbaren Prokuristen.
Die Verlobung mit Gertie scheint in die Brüche zu gehen. Aber im letzten Augenblick klärt sich die Sache auf, und Gertie ist froh, einen braven, biederen Mann zu bekommen, der noch keine „Vergangenheit” hat.
Kritik (-ger., Film Kurier #300, 12/23/1931):
Der Titel sagt wenig, er klingt nach Harry Piel; zum Ueberdruß beginnt der Film mit der allnächtlichen Possenabenteuern eines fremd gehenden Spießerleins, den man mit einer recht rundlichen Portion im Arm, im üblichen Atelierbargetriebe aufblenden sieht.
Das schmachtende nachempfundene Tangolied dazu (wer will das noch hören), Max Adalbert in Nachtnöten (man kennt das schon) – – er kommt von seiner „Nichte“ nicht los und die „Aufsichtsratssitzung“ hat sich schon bis zwei Uhr nachts ausgedehnt, – was wird sein Muttchen (Ida Wüst) dazu sagen?
Mit Schrecken bemerkt man Siegfried Arno in wilder Maske, alles andere als komisch, Nachtruhe haltend . . . aber mit einem Mal geht die Posse in witzigere Gleise, steigert sich, hält durch, wird ein lauter Erfolg. B. Lüthge und Willy Prager zeichnen nicht umsonst als Autoren. Posse ohne Pause.
Ein Mann mit Vorleben wird gesucht Adalbert ist der rechte Schwiegervater, um seinem Kompagnon ein Verhältnis mit einem Filmstar anzudichten, damit er ihn für seine Tochter als „interessanten“ Freier schmackhaft macht
Es gelingt. Arno, erst mit Räuberbart ein unsauberer Bonbonlutscher, wird, verjüngt und aufgebügelt der Stolz der Stadt, weil er angeblich mit Letta Larbo (du merkst auch gleich!) ein Verhältnis gehabt. Ein Bild mit (gefälschter) Widmung soll das beweisen. Natürlich kommt der Filmstar in die Stadt auf Kinogastspiel, die Verwechslungsposse kann beginnen. Das Durcheinander wird in belebten Szenen ausgelassen durchgeführt. Das Ensemble, geleitet von Franz Wenzler und Marton, erweist sich anstellig.
Ehe die Produktionsleitung (Joe Pasternak) den beliebten und geglückten Ausflug in die Filmbranche unternimmt, für deren Schwächen im Atelier seine Leute Blick haben, wird in den Koffern des Herrn Granowski gewühlt – Kleinstadtmontage über ein Gerücht, ganz wie in Ostend, gezeigt, sehr nett gemacht an sich, gehört in diesen Film wie Eisenstein zur Schlagsahnenschlacht bewährter Klamaukpossen. So gern man dem Schwank Ehrgeiz nachrühmt – das heißt denn doch Raffkegeschmack; mit einem Mal in Modernitäten zu schwelgen, wo sie nicht hingehören!
Desto gelungener die Kinoszenen im Kino, der stumme Film, der fidel auf Garbo parodiert wird. Man hat mit reichen Mitteln inszeniert, der Film hält sich nicht in engen drei üblichen Zimmerwänden mit Nebenappartements auf.
Der Regie gelingt es, Adalbert auch in der Posse von der lustigsten Seite zu zeigen, aus seinem dürftigen Klichee zu bringen, er drängt sich nicht zu derb improvisierend vor, man bringt ihn in Tempo. Arno hat keinen leichten Stand neben ihm.
Zwei sympathische junge Frauen in den Hauptrollen. Camilla Horn, die so reizvoll aussieht, hier als Filmstar gewollt oder ungewollt filmdof spricht – (bei der Horn wie bei der Eggerth: sie sollten sehr viel lernen, ehe sie neue Rollen übernehmen) –. Ilse Korseck sehr natürlich geworden, nicht der übliche süße Typ.
Bewährte Erfolgshelfer: die Wüst, der man alles glaubt, wenn sie spricht. Annemarie Haase, klassischer Dienstbotenpfiffikus. Willkommen auch Paul Richter als eifersüchtiger Filmregisseur und Willy Stettner, der sogar einmal natürlich sein darf. Zahllose Typen sehr gut und ungezwungen. (Regie!) Viel Jugend, Jungens, Mädels dabei.
Die Kinobesitzer sehen einen glücklichen Kollegen auf der Leinwand, verkörpert durch Walter Steiner. Das Publikum schlägt sich um die Kinokasse – wenigstens auf der Leinwand. Da die Musik (Stransky) dezent bleibt, der Ton gut (Erich Lange) die Photographie passabel (Karl Vash) wird auch vor der Leinwand in jedem Kino ein recht befriedigtes Publikum sitzen.
Viel Beifall in der Uraufführung.