Originaltitel: Der Schlemihl. (Der Pechvogel.) Musikalische Groteske 1931; 88 min.; Regie: Max Nosseck; Darsteller: Curt Bois, La Jana, Hubert von Meyerinck, Grigori Chmara, Max Ehrlich, Henry Bender, Hans Albert Schlettow; Mikrophon-Biograph-Tobis-Klangfilm.
Ein hoffnungsvoller junger Mann ohne Geld wird mit einem excentrischen Reisenden verwechselt, kommt, ohne es zu wollen, unter dessen Namen in Gesellschaft, schließlich in dessen Haus. Da der Andere ein Doppelleben als polizeigesuchter Gauner führt und ein amerikanischer Gangster zur Abwicklung gemeinsamer Geschäfte auf Besuch kommt, wirds recht toll.
Zusammenfassung
Hartwig ist Verkäufer in einem Möbelgeschäft. Der Anblick einer schönen Frau, die die Möbelausstellung besucht, bringt ihn derart außer Rand und Band, daß er allerhand Unfug anstellt. und auf der Stelle entlassen wird. Auf der Straße schlendernd, wird er von einem Auto erfaßt und mitgeschleift. Der Chauffeur hat Mitleid mit dem Unglücksmenschen und nimmt ihn ein Stück Weges mit. Als das Auto stehen bleibt und Hartwig aussteigen soll, befindet sich der Wagen zufällig vor einem vornehmen Etablissement, dessen Fortier dem vermeintlichen Gast dienstbeflissen aus dem Auto hilft und ihn gegen seinen Willen in das Lokal führt. Dort begegnet Hartwig der schönen Frau wieder und wird von einem ihrer Begleiter für einen reichen Baron gehalten, dessen Bekanntschaft er einmal in Baden-Baden machte. Aus dieser Verwechslung entsteht eine Kette tragikomischer Abenteuer für Hartwig, denn der besagte Baron ist in Wahrheit ein berüchtigter Hochstapler, und Hartwig wird nun in dessen Angelegenheiten verwickelt. Nach einer tollen Berg- und Talfahrt, zwischen Glück und Pech, landet, er schließlich wieder dort, von wo er gekommen: auf der Straße.
Kritik (-e-, Film Kurier #279, 11/28/1931):
Nun spricht also auch Curt Bois in einem Spezialfilm – kann er eines ausgedehnten Films Mittelpunkt und Träger sein?
Er hat die Star-Prüfung mit Auszeichnung bestanden – denn er erreicht was er kopiert – und er kopiert kräftig.
Seiner Behendigkeit hat es die amerikanische Groteske angetan, die in diesem Flm eine fröhliche Auferstehung erlebt.
Warum soll es nicht erlaubt sein, erprobte Tricks zu widerholen, abzugucken, was bei Buster Keaton und bei den hundert ungenannten Erfindern der amerikanischen Bildwitze so frappierte und fesselte – zumal, wenn es auf so mitreißende, komische Art wie hier geschieht?
Wir sahen viele straucheln, die das amerikanische Tempo in die deutsche Groteske bringen wollten: Hans Rameau, der Autor, Max Nossek, der Regisseur, Curt Bois, der Darsteller, haben den richtigen Griff dafür. Sie unterscheiden sich von vielen Atelier-Routiniers durch ihre Frische – das Publikum spürt es auch; hoch gingen die Gelächterwogen.
★
– und Curt Bois hat für sein Komiker-Debut nicht die Mittel eines Pallenberg gehabt, desto höher bleibt sein Erfolg zu werten.
Man kennt diese Buster-Keaton-Gestalt, die für einen anderen genommen wird, aus der Armseligkeit plötzlich ins Glück überwechselt, weil man ihn verwechselte.
So geschiehts auch dem Jüngelchen, der bei Herrn Blümchen als männliches Mannequin dient und herausfliegt – und ins Glück fliegt.
Entzückende Reihe der Gags und Witze, die Rameau eingefallen sind: Bois wird von einem Chauffeur im Luxusauto (weil der Chauffeur ein guter Kerl), mtten im strömenden Regen abgesetzt vor einem Luxus-Restaurant – doch siehe, er bleibt trocken, kein Tröpfchen näßt ihn, warum, warum? Da reckt der große Arm des Hausportiers den Regenschirm ins Bild und der kleine Bois wird in einem Luxuslokal freundlich aufgenommen. Dort glaubt ein russischer Lebemann, ihn als einen Freund und Sonderling wiederzuerkennen, der Schlemihl wird wider Willen nicht zum Zechpreller, gerät in eine prachtvolle Villa – und hier (ein guter Einfall, eine gute Steigerung) findet man angeblich sein Tagebuch, das klar ausweist: Der wirkliche Schlemihl sei ein verkappter Raubmörder.
Ja, er erhält sogar noch Besuch von seinem Kollegen aus Chicago . . . urkomische Verwechslungs-Szenen.
Bois, an dem man die Grazie schätzt, den leichten Ton, die tänzerische Art – (wohltuend abstechend von Max Hansens getarntem Tenortum), glaubt man beides: Die Schüchternheit des gedrückten, vom Leben etwas zerknautschten jungen Mannes aus der Jettchen-Gebert-Welt – und die unfreiwillige Kühnheit die ihn vor den Augen einer schönen Frau zum Löwen macht. Sein Schlemihl mit dem guten Herzen findet sich schnell zurecht, auch wenn er Böses tun soll.
Wird Bois diesen Schlemihl-Typ weiterspielen? Wird er die hier so geglückte amerikanische Art weiter fortsetzen? Vielleicht war er von dem Publikumserfolg seines Debüts – überrascht?
Am lustigsten tobt sich der Film in der Verbrecher-Villa aus. Menschen stehen da plötzlich hinter Gittern. Falltüren springen auf, Drehwände verschlingen Dich – sehr amüsant. Beweis auch, daß Max Nosseck viel kann. Photographie und Bauten ansprechend. Sehr gute Musik Mischa Spolianskys, gespielt von der Lewis-Ruth-Band. Umsichtige Produktionsleitung Viktor Skutetzkys (— den vollbefriedigendeil Schluß eines deutschen heiteren Films bringt auch er nicht zusammen.).
Noch eine deutliche Talentprobe der Regie:
Eine farbige Gesellschaftsszene im Russenlokal – dort erscheint Grigori Chmara, lebensvoll, nobel, sorgenlos – ein Mensch mit ein paar Worten vor uns. Daneben gestellt: Hubert von Meyerinck als versnobter Baron – bringt jede Pointe sicher. Dazu das schöne Abbild der La Jana, eine Augenweide – ungeziert auch im Dialog Diese Szenen haben Atmosphäre.
Weiter im Ensemble: Adalbert v. Schlettow, Alexandra Molino.
Die tolle Karikatur eines Professors: Max Ehrlich mit dem Vollbart des Weihnachtsmannes, – ein Brüderchen der Männer im Bart aus Chaplins Filmen.
Viel Gelächter, viel Beifall bei der Uraufführung und das ist verdient.
Dieser Biograph-Film weicht von der üblichen Posse ab. Seine Bildwitze, die Situationskomik, die grotesk-parodistische Note und der besondere Schauspieler-Artist Bois bieten genug Publikumsanreiz. Ein für alle Beteiligten ermunternder Erfolg.