Their True Colors

Originaltitel: Der wahre Jakob. (Das Mädchen vom Variété.) Schwank 1931; 82 min.; Regie: Hans Steinhoff; Darsteller: Ralph Arthur Roberts, Anny Ahlers, Felix Bressart, Margot Walter, Hansi Arnstaedt, Paul Henckels, Julius Falkenstein, Harry Halm, Viktor de Kowa, Anna Müller-Lincke, Vicky Werckmeister; Lothar Stark-Tobis-Klangfilm.

Ein Provinzonkel kommt zum Sittlichkeitskongress nach Berlin und sucht bei einer Revuetänzerin Ärgernis. Nach seiner Heimkehr stellt die traute Gattin sie ihm als die verheimlichte Stieftochter vor. Da ihr x-mal abgewiesener und endlich erhörter Verehrer auf dem Fuße folgt und auch des Tugendapostels Tochter aus erster Ehe aus dem Pensionat hinausgeflogen und übersiedelt nach Berlin, wo in allem der „Wahre Jakob“ zum Vorschein kam.

Zusammenfassung
Der „Verein zur Hebung der Sittlichkeit und Stärkung der öffentlichen Moral“ beherrscht mit seinen strengen Statuten das geistige und gesellschaftliche Leben der typischen Kleinstadt Pleißenbach an der Pleiße. – Als Hochburg bürgerlicher Moral gilt das Haus des Stadtrat Struwe. Weine Korrektheit und Ehrbarkeit wird nur noch übertroffen von dem maßlos pedantischen und völlig vertrockneten Erbonkel Spülpnagel, der im gleichen Hause wohnt. – Frau Mila, Struwes zweite Frau, eine scharmante und gutaussehende Vierzigerin, findet sich nur notgedrungen in die engherzige und verstaubte Atmosphäre ihrer Umgebung. Unter dem Druck dieser Verhältnisse hat Frau Mila ihrem Manne erzählt, daß ihre Tochter aus erster Ehe in Kanada lebe. – In Wirklichkeit ist Yvette eine gefeierte Tänzerin besten Rufes, die im Varieté der Hauptstadt mit großem Erfolg auftritt. James Ellison, ein sympathischer junger Engländer, liebt sie aufrichtig und hält alle anderen Verehrer von ihr fern, wobei er mit dem alten Lebemann Graf Birckstädt öfters zusammengerät. – Als ein internationaler Kongreß der Sittlichkeitsvereine stattfindet, entsendet die Pleißenbacher Ortsgruppe den Stadtrat Struwe und den Kassierer Böcklein als ihre würdigsten Vertreter in die große Stadt. – Vor der Abreise zeigte Mila Struwe ihrem Manne nicht unabsichtlich das Bild der Tänzerin Yvette, der sich über die leichte Bekleidung der Dame so entrüstete, daß Mila jetzt weniger denn je den Mut fand, ihm zu gestehen, daß das ihre Tochter sei. – Struwe aber hatte das Bild so gut gefallen, daß er die Tänzerin aufsuchte, unter dem Vorwand, ihr „die Meinung zu sagen“. Yvette ist natürlich entzückt, als sie auf diese Weise ihrem muckerischen Stiefvater gegenübersteht und sie beschließt, ihm einen gehörigen Denkzettel zu geben. Es ist ihr ein Leichtes, Struwe in sich verliebt zu machen und unter ihrem scharmanten Einfluß erwacht in dem Stadtrat Lebenslust und Lebensfreude. Er erkennt, wie falsch und verlogen seine bisher verteidigten Prinzipien in dieser Ubertreibung sind. – Das geforderte Küßchen verspricht ihm Yvette für später. – Frau Mila, die inzwischen heimlich zu Yvette gereist ist, verfolgt mit Entzücken die Bekehrung ihres Mannes und hat Mühe, den eifersüchtigen James für die paar Stunden fernzuhalten. – So ist es kein Wunder, daß der Stadtrat den Sittlichkeitskongreß versäumte. Er tröstete sich damit, daß Böcklein ihn würdig vertreten würde. – Aber der brave Böcklein wurde das Opfer einer schlecht funktionierenden Lichtanlage und dieser kleine Irrtum ließ ihn – anstatt in die Versammlung – in ein Amüsierlokal geraten. – Die dort tätigen Elfen schienen nur auf den „Onkel aus Pleißenbach“ gewartet zu haben. So gut aufgenommen, brachte Herr Böcklein begreiflicherweise nicht die Energie auf, diese heitere Atmosphäre mit dem langweiligen Kongreß zu vertauschen.

Der Geheimrat hört am Radio mit Entsetzen, daß der Kongreß von Rowdies mit Stinkbomben gesprengt worden ist. Als Struwe und Böcklein mit schweren Köpfen und leichten Herzens in ihr heimatliches Nest zurückkehren, befinden sich die Ahnungslosen dem alten Herrn gegenüber, der über die Bombenaffäre genau Bericht haben will, in einer peinlichen Lage. – Zudem hat sich noch ein kleiner Familienskandal entwickelt. Lotte, Struwes lebenslustige Tochter aus erster Ehe, war aus dem Pensionat „Cäcilienstift“ herausgeflogen, als die Vorsteherin dahinter kam, daß Lottes abendliche Pfeiduetts mit dem Studenten Fred das Signal ihr Mondenschein Rendezvous an der Parkmauer waren. – Die geheimrätliche und väterliche Entrüstung ist in vollem Gange, als noch die Tänzerin Yvette, fesch und strahlend, in Pleißenbach eintrifft und den Stadtrat Struwe überschwänglich begrüßt. Dem entsetzten Geheimrat erklärt sie, sie sei die Tochter Struwes und käme eben aus Kanada. Lotte findet in ihrer Stiefschwester einen Bundesgenossen für ihre Liebe zu Fred. – Nur einer windet sich in tausend Qualen. Fassungslos steht der Stadtrat der ungeheuerlichen Dreistigkeit der Tänzerin gegenüber, die durch keine Bitten und Drohungen geneigt ist, abzureisen und das ganze Haus durcheinander bringt. – Als endlich Frau Mila von ihrer Reise zurückkehrt, erwartet der vollständig gebrochene Struwe den unausbleiblichen Skandal. Jedoch – mit den Worten „Mein Kind! Mein liebes Kind!“ eilt Frau Struwe auf die Tänzerin zu. – Der durch die vorgegangenen Aufregungen schon schwach gewordene Stadtrat erleidet durch diesen Vorfall begreiflicherweise eine kleine Bewußtseinstrübung und hält sich an den „Emir von Afghanistan“. – Nur schwer ertragt die Aufklärung über die dann aber auch alle glücklich und froh sind, umsomehr, als Lotte sich ihren Fred ertrotzt hat und Yvette endlich dem treuen James Ellison ihr Jawort gibt. – Am glücklichsten aber ist Mila wohl über die Wandlung ihres Mannes, der erkennen muß, daß Lebensfreude nicht gleichbedeutend mit Leichtsinn ist, und bei dem unter kleinlichen Vorurteilen und engherzigen Anschauungen der „Wahre Jakob“ zum Vorschein kam.

Kritik (-ger., Film Kurier #064, 03/17/1931):
Jakob, Stadtrat und Sittlichkeitsverteidiger des Moralklubs von Pleißenbach (an der Pfleiße) hat an Sumpf „Berlin“ sein Vergnügen und das Publikum kann sich an Arnold’ und Bachs Bühnenschwank (von Wassermann und Schlee durch flotte Assoziationsszenentechnik tonfilmisch verwandelt) zwiefach ergötzen: an der Moralheuchelei und an der entfesselten Großstadt.
Es lebt die alte Verwechslungsposse mit falscher, echter Tochter, die der Stiefvater zur Geliebten möchte, mit der seligen Exzellenz, die im falschen Augenblick auf Freiersfüßen geht und zur unrechten Stunde herausgeworfen wird, mit dem treuherzigen Feinkomiker endlich, dem das Leben wie die Posse auf die Füße tritt, und dem der werte Herr Bressart mit seiner allerwertesten Ernsthaftigkeit, die unserer sterbensheiteren deutschen Welt mehr verwurzelt ist als etwa Chaplin oder Buster Keaton so viel menschlich-heiteren Wert einimpft.
Eine Stunde Gelächter: Mit Bressart, R. A. Roberts, dem falschen Jakob, Julius Falkenstein, Paul Henckels und Vicky Werckmeister wird sie geboren. Die komischen Situationen des Drehbuchs werden von der Regie – Hans Steinhoff – tempobeflissen zusammen gerafft.
Hier mag auch Franz Schroedters überreiche fast parodistische Raumaufputzung ihren Zweck erfüllen – guter Ton (Grimm), diskrete Musik (Arthur Guttmann, Hans J. Salter . . .), gute Einzelheiten, die unter Potoks Produktionsleitung alte ofterprobte Wirkungen aufs neue hervorkitzeln.
Die Schauspieler sind der Film: Ralph A. Roberts als der mit allen pointensicheren Komikertricks dick auftragende Atelier-Routinier, den Bressart mit jedem halbhingenusselten Wort aussticht. Ihre Verlegenheitsszenen, wenn sie nicht wissen, was sich auf dem Liga-Kongreß für mysteriöse Bombenzwischenfälle ereigneten, ist ein köstliches Schauspielerstück. Roberts spendiert als Spezialität ein paar Lippenschnalzer, über die das Publikum aus dem Häuschen gerät.
Das gefällige Ensemble bilden noch Anni Ahlers, die hier schon filmgemäßer, gelöster wirkt, aber noch mehr mimische Konzentration lernen muß, Margot Walter, Hansi Arnstädt, Harry Halm, Victor de Kowa (das Deklamieren gewöhne er sich ab), Anna Müller-Lincke, Wilhelm Diegelmann und dann die vielen kleinen Mädchen, die ach, auch die stärkste Männertugend nicht nur von Pleißenburg. sondern in jedem Kino des Reiches zum Wanken bringen können.
Freundlichster, anhaltender Beifall. Lachstürme.

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