Wanted for Murder

Originaltitel: Täter gesucht. Kriminaldrama 1931; 74 min.; Regie: Carl Heinz Wolff; Darsteller: Gerda Maurus, Karl Ludwig Diehl, Paul Henckels, Wanda Rotha, Rosa Valetti, Harry Hardt, Friedrich Kayßler, Fritz Odemar, Harry Frank; C. H. Wolff Prod.-Tobis-Klangfilm.

Ein Redakteur, der gegen den Indizienbeweis agitiert, gerät in ein Netz von Zufällen, wird als Mörder des Vaters seiner Verlobten verurteilt. Er weiß, daß der Tote – sein Gesicht war unkenntlich – in Wirklichkeit dessen Diener ist. Der angeblich Tote bleibt aber verschwunden, der Diener soll in Amerika gelandet sein. Spät erst kommt die Aufklärung: Ersterer erlitt einen Unfall; den Paß des Toten benützte ein anderer.

Zusammenfassung
Vera Lychner ist die einzige Tochter ihres reichen Vaters. Der alte Herr hängt mit großer Liebe an ihr. Nur ein Umstand berührt ihn sehr schmerzlich. Vera besitzt eine starke Zuneigung zu dem Redakteur Dr. Gregor, den Lychner als unerwünschten Lebensgefährten seines Kindes ansieht, denn Dr. Gregor ist in viel agitatorische Aktionen verwickelt und als Vorkämpfer für die Abschaffung der Todesstrafe vielfach angefeindet. –
Als Vera eines Abends das Arbeitszimmer ihres Vaters betritt, erleidet Lychner einen Schwächeanfall infolge seines alten Herzleidens. Vera versucht zu telephonieren, aber die Leitung ist gestört. Sie ruft nach dem Diener, aber er kommt nicht. Sie sucht nach ihm . . . und findet den Lakaien in einem nur matt erleuchteten Zimmer des Obergeschosses, wo er eben den hinter einem Gemälde verborgenen Wandtresor geöffnet hat. Vera starrt den Diener Dorner entsetzt an. Es kommt zu einer scharfen, aber gedämpft geführten Kontroverse, – denn es muß jeder Eklat vermieden werden, um dem Vater die Aufregung zu ersparen. Und so erledigt Vera die Angelegenheit knapp und scharf: Dorner wird um seine sofortige Entlassung bitten, diesen Wunsch mit dringenden Familiengründen erklären – und dann bis genau zehn Uhr abends die bereits früher entwendeten recht bedeutenden Summen zurückschaffen. Falls er das nicht befolgte: Strafanzeige – Verhaftung – Zuchthaus . . . Vera geht abends zu einem Vortrag. Lychner, der sich inzwischen etwas erholt hat, argwöhnt, daß seine Tochter eine Zusammenkunft mit Dr. Gregor plane, – und erklärt plötzlich, ihr in den Vortrag tilgen zu wollen. Vera lächelt undurchsichtig.
Der Diener Dörner ist inzwischen zu seiner Geliebten geeilt. Er will ihren Rat, ihre Hilfe haben. Und . . . will das Geld zurückverlangen, das er ihr gab – aus dem Eigentum bei Lychner. Das Geld hat sie nicht mehr. Sie rät zur Flucht. Erkundigt sich nach Dornes Paß und läßt ihn sich geben . . . um ihn aufzubewahren. Dorner weiß auch keinen anderen Rat . . . Flucht . . . aber mit der Geliebten.
Vera und ihr Vater lauschen einem Vortrag, der sich mit dem Problem des Indizienbeweises beschäftigt. Der Redner spricht klar, sachlich – und doch mit der ganzen Wärme tiefster seelischer Überzeugtheit. Lychner selbst applaudiert ihm ebenso herzlich wie das ganze Publikum. Und dann fragt er Vera, wer denn eigentlich der Redner ist. Und Vera sagt ihm beglückt den Namen: Dr. Gregor. Jetzt gewinnt Lychner starken Kontakt zu dem jungen Mann. Er will ihn kennenlernen und läßt ihn noch für denselben Abend in Sein Haus bitten. Vera will die Unterhaltung der beiden Männer nicht irritieren und begibt sich zu einer Freundin. Lychner erwartet in seinem Heim Dr. Gregor.
Dorner hat sein Zeugnis bekommen. Es geht immer näher an zehn Uhr heran. Flucht – oder das Geld! – Aber seine Geliebte lehnt nun auch die gemeinsame Flucht ab. Und sagt ihm dann die Wahrheit: nicht nur das entwendete Geld, sondern auch den Paß von Dorner besitzt sie nicht mehr – denn sie hat beides – ihrem Mann gegeben, der wegen sehr schwerer Straftaten flüchten muß. So sieht Dorner alles zusammenbrechen um sich her. Er geht völlig zerbrochen zurück in die Villa Lychner. Und beginnt sich im Arbeitszimmer Lychners zu betrinken. Dr. Gregor trifft bei Lychner ein. Die beiden Herren beginnen eine Unterhaltung. Da . . . ein Schuß kracht. Sie suchen von Zimmer zu Zimmer . . . und finden dann Dorner tot am Boden liegend. Der Diener hat sich mitten ins Gesicht geschossen – und vorher offenbar Flüssigkeit in den Pistolenlauf getan, denn sein Antlitz ist bis zur völligen Unkenntlichkeit zerstört. Dr. Gregor will Hilfe herbeiholen – aber Lychner vermag den Anblick des Toten nicht zu ertragen. So geht er, um die Polizei zu alarmieren, und Dr. Gregor bleibt bei dem Selbstmörder. Er nimmt die tödliche Waffe an sich, um sie für die Polizei sicherzustellen. . . .
Lychner eilt aus dem Hause. Er will nach der nächsten Fernsprechstelle, da sein Anschluß noch immer gestört ist. Er hastet über die Straße – ein Hupensignal – zu spät! Von einem Kraftwagen erfaßt, wird er zu Boden gerissen.
Die Bewohnerin eines der Lychnerschen Villa gegenüberliegenden Hauses hat den Schuß gehört und die Polizei bereits alarmiert. Als die Kriminalbeamten in der Villa eintreffen, finden sie den Selbstmörder – und neben diesem Dr. Gregor. Und nun ersteht aus der Einstellung der Strafverfolger gegen den die Justiz stets schärfstens kritisierenden Redakteur ein durch kleine Indizien immer stärker und stärker anwachsender Verdacht. Die Mordwaffe wird in Dr. Gregors Tasche gefunden. Seine Handschuhe . . . und dann eine plausible Motivierung: Lychner wollte dem Redakteur doch nicht seine Tochter geben . . . Denn das ist der Kernpunkt der Situation: der Diener Dorner wird in dem Schlafmantel Lychners und in dessen Kleidern und Wäsche, – (die ihm sein Herr früher geschenkt hatte . . .) –, aufgefunden – und als Lychner agnosziert! So gilt der Tote nicht mehr als Selbstmörder, – nicht mehr als der Diener Donner – sondern als der von Dr. Gregor ermordete Millionär, der beiseite geschafft werden mußte, weil er der Eheschließung Dr. Gregors mit Vera Lychner im Wege stand. Vergeblich die Beteuerungen Dr. Gregors, seine Vernunfteinwände. Die Justizmaschine hat zu arbeiten begonnen . . .
Der Diener Dorner wird nicht gefunden, – Lychner liegt in einem Krankenhaus – und meldet sich nicht: denn er will die Probe aufs Exempel machen. Er will den Beweis erbringen, daß Indizien nicht für Todesurteile ausreichen dürfen. Und da er der Tat mehr Wirkung zutraut als dem Vortrag, so verbirgt er sich unter fremdem Namen und läßt die Justizmaschine die falsche Fährte weiter verarbeiten. Nur Vera schreibt er den wahren Sachverhalt – um ihr und Dr. Gregor die innere Ruhe wiederzugeben. Aber dieser Brief erreicht Vera nicht, da sie die Villa kurz nach der Schreckensnacht verläßt. Und so wird aus dem Spiel die Tragödie . . . Vera droht unter dem Kampf zusammenzubrechen – denn sie ahnt seine Hoffnungslosigkeit – und Dr. Gregor muß sich auf das Todesurteil vorbereiten. Denn nun sprechen alle Indizien gegen ihn.
Vera allein kämpft trotz allem weiter. Und, gemeinsam mit dem Jungen Verteidiger von Dr. Gregor, findet sie den Weg zu Dorners Geliebten. Und verwickelt diese in Widersprüche. Und – da schon das Messer gegen Vera gezückt wird, gewinnt sie den Kampf: die Gegnerin gibt zu, daß der Diener Dorner sich selbst gerichtet hat – daß unter dem Namen Dorner, mit dessem Paß, ihr eigener Mann entwichen ist. Aber die Staatsanwaltschaft pariert auch diesen Schlag, der eine sichere Grundlage für das Wiederaufnahmeverfahren abgeben sollte: sie entwirrtet das Geständnis mit der Feststellung, daß jener Dorner in Amerika inzwischen verstorben ist, – und daß alles ein abgekartetes Spiel sei, um Dr. Gregors Kopf zu retten. Und der Staatsanwalt spricht den schweren Satz: „Nur ein Beweis könnte Dr. Gregor retten. Wann der ermordete Lychner für ihn Zeugenschaft ablegen könnte. Aber . . . das ist leider nicht mehr möglich. Denn Lychner fiel von Gregors Hand!“ Und da wird die Tür zum Zimmer des Staatsanwalts geöffnet. Und an der Schwelle steht – Lychner. Er ist tief erschüttert. Und sieht den Anwalt des Staates lange an: „Wissen Sie auch, Herr Staatsanwalt, daß Sie beinahe einen Unschuldigen wirklich hinrichten ließen?!“ Und der Staatsanwalt wird bei diesen Worten mitfühlender Mensch: „Sie haben mir eine Niederlage beigebracht – aber Sie brachten mir auch die Wahrheit. Und . . . auf die Wahrheit kommt es an! Nur auf die Wahrheit!“
Dr. Gregor wird rehabilitiert. Die Indizien zerflattern zu nichts. Und die Extrablätter verkünden: „Dr. Gregor in Freiheit! . . . Dr. Gregor unschuldig!“ Und die Erkenntnis ist erwacht und erbracht: „Indizien sind kein Schuldbeweis!“

Kritik (-ger., Film Kurier #061, 03/13/1931):
Der Indizienbeweis gegen die überschätzten Filmschreiber Katscher und Eis (die zu ihrer Verübung noch eines Romans von Frank Arnau bedurften) schließt sich fast lückenlos, sie formten einen Film gegen den Film, aber nicht gegen die Justiz und den Indizienbeweis. Wie deprimierend wirkt eine so ahnungslose, stumpfe, dilettieren Film-Intelligenz.
Die freundlichere „Lücke“ in der sonst zur Plattheit und Langeweile verurteilten Affäre: eine Szene mit Rosa Valetti und dem (billigen) Effekt der Blendlaterne, die eine Wohnung unheimlich beleuchtet, dann noch ein paar Vagabundensprüche des humorigen Ernst Benner. Der Rest ist Geistesarmut.
Bei der 9-Uhr-VorstelIung (die der Schreiber dieser Anmerkungen hörte) fehlte ein sinfonischer Prolog von Bernhard Homola, fehlte die Bar-Einlage von Gade-Wilerzynski. Lebhafter Beifall von Zufriedenen übertönte den Widerspruch.

Reizvoll war die Aufgabe schon, Verstrickung eines Unschuldigen komödienhaft und doch tragisch zu enthüllen, die Tücke der Zufälle und Unentrinnbarkeiten ihn besiegen zu lassen, uns sehenden Auges zu Zeugen von Justizirrtümern zu machen. Dafür Autoren gesucht!

Carl Heinz Wolff gibt sich alle Mühe, das Drehbuch durch sein Ensemble überspielen zu lassen. Dabei ein Besetzungsunglück: da wirft eine auf den Namen Rotter gehorchende Mimin durch Lippengeflatter umknautschte Redereien auf die Leinwand, die Karikatur ist erreicht. Auch Karl Ludwig Diehl muß sich übertragisch gebärden.
Zwei Darsteller entwickelt die Regie, ohne sie zu verfälschen: Gerda Maurus. Bestrickend ihr herzlicher Ton, sammetweich im Lautsprecher, aus der sympathischen Klanglage einer sonoren Frauenstimme: fesselnd anzusehen mit ihren Maurus-Bäckchen und dem festen Blick.
Unbegreiflich von den Filmleuten, ihr nicht eine Aufgabe zu bieten, an der sie Fähigkeit beweisen kann.
Neben ihr Harry Hardt – der einzige noch, der von der jüngeren Generation in diesem Film nicht übertreibt, während Odemar und H. Frank freundlich provinzlern, damit’s auch der Portier vor dem Kino hört, wie dramatisch es zugeht.
Gute Typen: Jul. E. Herrmann, Kayßler, Henckels.
Technisch hat C. H. Wolff durch W. A. Hermanns und A. Günthers Bauten, die Kameraarbeit von Muschner und Hansen, den Ton-Abhörer W. Rühland für befriedigendes Niveau gesorgt.
Aber der Cutter!

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