
Originaltitel: Wer nimmt die Liebe ernst… Komödie 1931; 91 min.; Regie: Erich Engel; Darsteller: Max Hansen, Jenny Jugo Willy Schur, Otto Wallburg; Terra-Tobis-Klangfilm.
Ein Gelegenheitsverdiener und -dieb bringt ein Mädel um sein Logis. Die Kleine zieht zu ihm, erringt später einen ansehnlichen Schönheitspreis, wird dem Geliebten ehrliche Arbeit schmackhaft machen.
Zusammenfassung
Max und Jakob sind Vagabunden der Großstadt. Wenn sie nichts zu essen haben, ‚finden‘ sie beim Obsthändler ein paar Äpfel, und wenn sie Geld brauchen, stehlen sie Hunde. Und die bringen sie dann den Besitzern zurück und verlangen Finderlohn. Das ist ein recht einträgliches Geschäft, solange die Polizei nichts merkt. – Aber die Polizei merkt etwas. Die Polizei pfeift, Max wird eingekreist, jetzt ist er in der Falle. Es scheint keinen Ausweg mehr zu geben. – Dort ist ein Kellerfenster nur angelehnt. Max springt hinein. Das Zimmer scheint leer. Max wirft sein Jackett in die Ecke, springt ins Bett. Eine Mädchenstimme kreischt. – Das Zimmer war doch nicht leer! Ein bildhübsches junges Mädchen hat im Bett geschlafen. Ilse – Sie wirft sich hastig einen Mantel um. – „Ich hole die Polizei!“ – Im nächsten Moment steht ein aufgeregter Polizist in der Tür und erkundigt sich, ob vielleicht ein Mann durchs Fenster hereingesprungen sei. – Ilse zögert mit der Antwort. Max liegt im Bett und stellt sich schlafend. Jetzt tut er ihr leid: „Nein, hier sei kein Mann durchs Fenster hereingesprungen!“ Mißtrauisch sieht der Polizist auf das Bett: „Wer ist denn das da?“ – „Das ist mein Freund. Der schläft schon die ganze Nacht hier. . .“ sagt Ilse. Der Polizist dankt und geht, aber Ilses Wirtin . . . – Ilse wohnt nämlich möbliert, und ihre Wirtin hat an der Tür gelauscht. Sie ist empört. Ilse muß sofort das Haus verlassen! Seit vierzehn Tagen keine Miete bezahlen, aber die ganze Nacht einen Kerl im Bett . . . – Nun bleibt Ilse nichts weiter übrig, als mit zu Max zu gehen. – Spät abends kommen sie in Maxens Wohnung an. Ilse besieht darauf, daß Max die Nacht über spazieren geht und sie allein – In der Tür trifft er mit dem Polzisten zusammen, der gekommen ist, um ihn zu verhaften. Wegen der Hunde. – Da gibt ihm Ilse einen Kuß. Sie wird auf ihn warten. – Max sitzt drei Tage. – Im Gefängnis lernt er einen dicken Mann kennen, der immer hungrig ist. Max gibt ihm gern etwas von seinem Brot ab, und sie schlichen Freundschaft für immer. – Aber als sie entlassen werden, ist die Freundschaft ,für immer‘ schon zu Ende. Bruno ist reich und elegant, er läßt Max einfach stehen. – Max rast nach Haus, er fliegt Ilse um den Hals und küßt sie. Jetzt sind sie endlich allein, kein Polizist der Welt wird sie mehr stören. – Dafür aber Jacob. – Jacob befindet sich nämlich eben wieder auf der Flucht vor der Polizei. Er hat einen neuen Trick erfunden: Er hat sich von einem guten Bekannten, der Kontrolleur im Lunapark ist die Dienstmütze geliehen und damit allerlei Streiche ausgeführt. – Die Kriminalpolizei hat das Haus umstellt, an Flucht ist nicht zu denken. Dazu kommt daß Jacobs Freund um drei Uhr die Mütze braucht. – Max muß sie ihm hinbringen, und Ilse geht mit. – Im Lunapark ist Hochbetrieb. – Heute findet die Wahl der Schönheitskönigin statt. – Zwei Herren sprechen Ilse an. Sie könne tausend Mark verdienen und Schönheitskönigin werden. – Ilse wird zur Schönheitskönigin ausgerufen. Max ist selig, er will zu ihr, um sie in die Arme zu schließen. Aber sie wird von Photographen, Autogrammjägern und Reportern derartig umlagert, daß es unmöglich ist heranzukommen. Erst am Abend, als im groben Festsaal des Hotels Atlas die Feierlichkeiten zu Ehren der Schönheitskönigin stattfinden, versucht er es nochmal. Er wird nicht vorgelassen. Da verlangt er wenigstens einen der Herren Veranstalter zu sprechen. Im nächsten Augenblick steht Bruno vor ihm. – Und Bruno gibt ihm zu verstehen, daß er ruhig nach Hause gehen kann, daß die Sache mit Ilse jetzt sowieso zu Ende sein muß, da Ilse vor einer großen Karriere steht . . . – Spät nachts, müde und traurig kommt Max nach Haus. Verzweifelt wirft er sich aufs Bett. Da: Der Schrei einer Mädchenstimme. Ilse liegt schon im Bett. Sie ist ausgekniffen von den feinen Leuten. Jetzt bleibt sie bei ihm. Für immer.
Kritik (Lotte H. Eisner, Film Kurier #228, 09/29/1931):
Erich Engel, der Theaterregisseur aus dem Brecht-Kreis, hat herübergefunden zum Film und er hat das mit einer glücklichen charmanten Art getan, unbelastet von dem Drum und Dran der Theatertradition.
Er bringt sich dabei sein Gutes mit, wo er es findet; vom Theater her hat er die Lust am Dialogführen. Und weil er schon in seinen Inszenierungen die neue Form der Regie gekannt hat, Bühnenszenen filmisch aufzuteilen, so gelingt ihm der Schritt von der Bühne zum Filmatelier mühelos und als sei das ganz selbstverständlich.
★
Großen Beifall gibt es für ihn – der deutsche Film, der ihn gebrauchen kann, ist um einen einfallsfreudigen Filmregilleur reicher geworden.
Es bezaubert die Leichtigkeit, mit der Engel einsetzt. Da holt er sich so seine Dinge heran, die er braucht, mit scheinbarer Nonchalance, mit jenem saloppen Dreh, den schon sein Filmtitel: „Wer nimmt die Liebe ernst . . .“ aufweist.
Mit Knock-about-Momenten und Galgenvogelfreundschaften spielt Engel; die alten Clownerien von U. S. A. bekommen bei ihm einen Sinn, werden unauffällig eingebaut in den Vorgang. Er läßt seine Leute entlanggehen und sich eins pfeifen und schon ist ein Lied da, das Wilhelm Groß in gleicher Zufallsfreudigkeit einsetzen läßt.
Sein Autor H. Kosterlitz unterbaut ihm die Geschichte vom Hundedieb und Gelegenheitsarbeiter, dessen Mädel Schönheitskönigin wird und es geht ohne die üblichen Sentimentspassagen ab; er spitzt ihm den Dialogwitz zu, heiter gelangt er von einem Wortgeplänkel zum anderen, er sucht nicht krampfhaft das bon mot, die Situation ergibt den Einfall von selbst.
Und Engel, der schöpferische Dialogführer, der schon dem „Karamasoff“-Film sprachlich zur Wirkung verhalf, nimmt diesen Dialog auf, – jede Nuance vibriert, jede Betonung gewinnt ihre Bedeutung.
Hansen, der liebenswürdige Routinier, wird schlicht und selbstverständlich bei ihm, er bekommt jenen köstlichen Nebenbei-Ton in der leicht augsburgischen Färbung von Brecht-Typen, jenes unmerklich mit Pausen Auflockern und den saloppen gezogenen Timbre der Stimme.
Das Wunder der Sprechführung geschieht: auch Jenny Jugo kann sprechen bei Engel, er entdeckt eine ungeahnte Modulationsfähigkeit bei ihr, eine Scala von Zwischentönen und läßt sie mit einem reizvollen Zaudern und ganz weicher Betonung reden. (Kleine Lehre dieses Films, daß man über haupt nicht mehr ohne den Dialogführer mit Fingerspitzengefühl auskommen kann.)
Dem Wortwitz spielt der Bildeinfall zu, es gibt keinen Leerlauf mit Curt Courant an der Kamera, der das Fluktuierende aufsucht im Luna-Park-Getriebe und in der Ganovenkammer.
Dabei arbeiten die Engel-Leute nicht mit sogenanntem markanten Milieu, es kommt ihnen nicht auf die bis ins kleinste ausgetüfftelte Dekoration an, sie ist eben da (von Heinrich Richter erbaut), unauffällig wie alles übrige und sich glücklich einfügend.
Diebs-Szenen der Straße, mit Humor gesehen, Tratschszenen zwischen Tür und Angel am Treppengeländer eingefangen, die Welt der kleinen Leute mit ihrem Sonntagsvergnügen auf dem Rummelplatz – da ergibt sich alles von selbst, das Leben, Lieben, Abschiednehmen und Wiederfinden.
Und wenn es mitunter anders zu kommen scheint, wird rasch abgestoppt, allenfalls kann Hansen einmal traurig durch die Gegend wandern, den Hut ins Genick, ein ferner Bruder von Chaplin.
Lunapark-Wahl und Schönheitsköniginvorstellung sieht man aus anderen Aspekten als sonst, leicht karikiert, mit einem virtuosen Schiebungschor garniert. Und selbst die Klippe des Schönheitskönigin-Empfanges im Hotel wird vergnüglich umkreist, wenn Hansen sich von der Fensterscheibe aus die feinen Leute betrachtet.
Dazwischen der Charm einer kleinen Liebesszene, in der das Ungesagte wirkt und das Wort zwischen den Zeilen lesen läßt; bei der das geht er, bleibt er – diskret abgewandelt wird. Hier bat Hansen eine kleine Solonummer, wie er das Radio andreht und sich selbst singen hören kann. Aber auch dabei besticht noch die subtile Art, mit der Engel vorgeht und ein naheliegendes Motiv für ein Filmoperettenintermezzo neu formt.
Abgewogen werden die Episodisten: Hedwig Wangel, Fischer-Köppe, Emil Morgan, Werner Pledath. Spielfroh: die Lewis-Ruth-Band unter musikalischer Leitung von Kurt Schröder.
Selbst eine Betrunkenenszene, von Willi Willi Schur gespielt, und ein paar Wallburg-Passagen, fallen nicht aus dem Rahmen. Es geht, sieht man einmal wieder auch, ganz ohne Klamauk und Bierhumor. – –
Und weil hier eins sich zum anderen fügt weil Regie, Kamera, Musik und alles übrige aufeinander abgestimmt ist, ist hier ein ganz entzückender Lustspielfilm entstanden, für den gestern wieder und wieder Beifall laut wurde.