
Originaltitel: Gitta entdeckt ihr Herz. (Das Lied der Puszta.) Musikalisches Lustspiel 1932; 98 min.; Regie: Carl Froelich. Darsteller: Gitta Alpar, Gustav Fröhlich, Tibor Halmay, Paul Kemp, Leonard Steckel, Oscar Sabo, Blandine Ebinger, Gerhard Damman; Froelich-Tobis-Klangfilm.
Ein ungarisches Dorfmädchen wird für eine Revue engagiert, kommt hoch. Verhilft einem jungen Komponisten, der sich mit seinem reichen Vater zerworfen, zum Erfolg, wird nach dem üblichen Mißverständnis seine Frau.
Zusammenfassung
Das Mädchen Gitta hat vor dem Primas wie eine Nachtigall gesungen. Auf dem Marktplatz in einem kleinen ungarischen Dorf. Nun ist sie von ihm für seine Revue engagiert worden und reist als Star des Ensembles von einer Weltstadt in die andere. Geliebt, geschätzt, verehrt und verwöhnt – Einmal – nach einer kleinen Auseinandersetzung mit dem Primas, brennt sie durch. Und lernt zufällig den jungen Komponisten Peter kennen, der sich in sie verliebt und ihretwegen das Haus seines Vaters verläßt. Während der Primas Gitta überall suchen läßt, und auf ihre „Ergreifung“ die höchsten Prämien aussetzt, übernachtet Peter mit Gitta bei seinem Freund Fred. – Am nächsten Morgen gehen Gitta und Peter zum Verleger, um ihm einen Schlager, den Peter komponiert hat, anzubieten. Der Verleger lehnt ab. Peter ist darüber verzweifelt, da beschließt Gitta zum Primas zurückzugehen und das Lied als Glanznummer ihrer nächsten Premiere zu singen. Sie verabschiedet sich von dem ahnungslosen Peter und fährt ins Theater. – Im Theater ist die Verwirrung auf dem Höhepunkt. Um die Premiere nicht absagen zu müssen, soll Ilona, die ewige zweite Besetzung, an Gittas Stelle auftreten. Vor Aufregung und Lampenfieber kann sie nicht einmal auf der Probe singen. Der Primas schimpft und flucht, nichts klappt, nichts geht in Ordnung – die Premiere wird ein Skandal ohne Gleichen sein! – Da erscheint Gitta. Schüchtern und unsicher kommt sie aus einem Bühnenwinkel hervor, wagt kaum den Kopf zu heben, möchte sich am liebsten wieder verstecken – aber schon ist sie von den Musikern entdeckt worden, die sie mit ungeheurem Jubel begrüßen. Auch der Primas ist glücklich, daß Gitta zurückgekommen ist und willigt gerne in ihren Wunsch, das Lied Peters in der Premiere singen zu dürfen. Sie beginnt sofort, die neue Nummer mit den Musikern zu studieren. Als Peter hört, daß die berühmte Gitta Farkas sein Lied singen wird, ist er sehr stolz und froh. Jetzt hat, er die langersehnte Karriere gemacht und kann sich mit seiner kleinen Gitta verloben. Abends im Theater. Gitta steht auf der Bühne und singt. Da öffnet sich eine Logentüre und Peter tritt ein. Ein Blick, er erkennt Gitta! Und nach vielen Mißverständnissen, die zwischen den beiden noch geklärt werden – sinken sie einander glücklich in die Arme.
Kritik (-ger., Film Kurier #081, 04/06/1932):
Der Tonfilm ist wieder einmal gerettet., – weil er schließlich nicht seiner „stummen” Effektmöglichkeiten wegen erfunden, ausgebaut, technisch vervollkommnet worden ist. Sondern der Menschenstimme wegen.
Die Alpar bestätigte es wieder einmal.
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Auch in noch zu erwartenden grundlegenden Theoriebüchern des Films (wer hustet da?) wird nicht zu bestreiten sein, daß der „Film” in seiner Reproduktionskunstmöglichkeiten nicht auf drei, vier „filmische” Grundformen zu bringen ist. Heute soll man weniger denn je, Filme nach Kapitelüberschriften von (an sich wertvollen) Theorienbüchern einordnen.
Man soll nicht fragen, was fehlt an einem Film, wo ging er fehl, sondern forschen, wo liegt sein Kraftzentrum, seine Wirkungszentrale.
Nur so entgeht der deutsche Film der Einzwängung durch den kritischen Zensor, (der ein nicht kleinerer Despot als der behördliche Zensor).
Daß im Alpar-Film die Alpar – mit allem privaten Drumherum der Ueber-Prominenz – Interessenmittelpunkt, ist selbstverständlich. Filmisch keineswegs selbstverständlich, wie sich ihre Stimme durchsetzt.
Die Reproduktion wird blühende Gegenwart.
Was man bei wertvollen Bühnen-Schauspielern, bei einem Sänger wie Tauber so einzigartig empfand und empfinden wird, – das Dokument der Stimme in vibrierender Wahrheit auch im kleinsten, fernsten Kunstkreis neu erstehen zu lassen, es wiederholt sich. Die Alpar für eine Mark. Die Sensation vor den Millionen.
Wichtig dabei, daß es sich hier bei der Alpar um einen allen optischen Forderungen wenig entgegenkommenden Typ handelt und um eine Stimme, die Bühnenraum braucht und für die verhaltene, konzentrierte Mikrophon-Flächen-Wirkung (siehe Hansen, Chevalier, Tauber oder die vielen Filmstarstimmchen) zu fleischlich, bunt, leidenschaftlich, plastisch ist. Trotzdem siegt diese Stimme.
Sie siegt damit über alle Theoretiker und nachdenkliche Herrn, die jetzt zugeben müssen, es kann ein Daradaradü, erlebt von Sängerin Gnaden, durch seinen melodischen Fluß . . . eine optische Montage-Passage ersetzen. Auch die bilderlose menschliche Stimme erreicht den aktuellen, brennenden Filmeindruck.
Der Gesang – trotz allem Nieder-Gebrüll und kritischen Zischen – ist einen Film-Macht. (Der Gesang der Alpar legitimiert wieder einmal die ganze Erfindung; siehe oben.)
Noch eine Besonderheit der Alpar-Stimme: Sie deckt sich mit der Persönlichkeit. Keine aufgepfropfte Kehlkopf-Fertigkeit auf einer verkürzten Isolden-Figur, kein erzogenes Bühnen-Gesangs-Pathos in Walküren-Ruhe. Wer so singt, soll so aussehen.
Auch ihr Temperament gehört dazu, auch ihre Ungezogenheiten (die der weise Regisseur schon beim ersten Film ihr untersagte).
Die Stimme bekommt es fertig, im einfachen Atelier-Heu ihre eigene Naturschönheit zu strahlen, ihr verspieltes Natürlichsein.
Die Stimme hat Charakter-Farbe. Sie kann Schlager bringen wie ein Broadway-Star, aber ein Broadway-Star kann nicht so viel Musik geben. Endlich wieder ein (verfilmtes) Original-Gesangs-Genie, keine Marlene-Dietrich-Imitation. (Sie spricht das liebe Kätchen von Nagy-Ungarisch.)
Dabei hat man – und das spricht zum Lob der musikalischen Berater, zum Besten auch des Komponisten Nikolaus Brodsky – Musik, Lieder, Schlager vorsichtig verwandt. Keine ermüdende Musterkarte ihres Könnens gegeben, sondern ihr eine Spielrolle anvertraut – und Brodsky schreibt lieber ein „undankbares” Stimmungslied als einen Gassenhauer. Allerhand Mut.
Die deutsche Laien-Kritik wird kaum begreifen, was das heißt: Zum erstenmal für einen hundertprozentigen Publikumsfilm den Star vor Kamera und Mikrophon stellen; mehr noch, einen ganzen Film darauf zuschneiden.
Es gelang – die Schneider- und Schneide-Kunst merkt man kaum. Kurt Courants Bildaufnahme beweist wieder ihre Könnerschaft. Bringt die Alpar halb-echt, halb-süß. Bezaubernd in einigen Blickmomenten – und keine Furcht, wenn die Gesichtslinie nicht dem Girl-Ideal entspricht. Ihre Stimme gibt Profil, ihr Ton hat das Gesicht.
Tonführer: Erich Lange, der schon Tauber betreute. Augezeichnete Bild- und Ton-Schnitter: Milde-Meißner und Hafenrichter.
Carl Froelich inszenierte. Er hat hinter der Alpar einen der sauberst konstruierten deutschen Gebrauchs-Filme aufgebaut, mathemathisch-sicher in jeder Pointe. Hier halfen auch die Autoren: Dr. Johannes Brandt und Erich Faber.
Gewiß: Die Handlung – das alte Märchen. Glücklich im Leben Arrivierte, die hier noch immer höher ins Glück trudeln. Himmelsfilm auf Erden. Aber diese Autoren haben mit ihrem Regisseur das Feingefühl für den Witz in jeder Situation. Sie dehnen ihre Szenen nicht (über ein paar Passagen läßt sich streiten), sie runden sie ab. Ihre Scherze sitzen locker, der Dialog ungezwungen, sie zeichnen sicher, sie haben Geschmack. Oft gesehenes Milieu hinter der Bühne, reiche Leute beim Tanz, Bohème-Völkchen in der Dachstube, sie schaffen es neu. Auf internationalem Standard.
Froelich führt auch den kleinsten Darsteller zu sich selbst. Mit einem Male jeder ein prominentes Talent: Spira als Verleger, Sarnow als Diener. Damman (wieder ganz vorn) echte Berliner Type. Sabo ganz entkrampft. Die Ebinger mit spitzem Ton. Halmay ohne Zappeln, Kemp Komiker-Typ des Gutmütigen.
Steckel – ein Kortner in Dur, mimisch, sprachlich die hervorstechendste Schauspieler-Leistung seit langem. Zu dieser idealen Kammerspiel-Besetzung: Gustav Fröhlich.
Aufgeräumt und ohne Pose. Lustig nicht schwer genommene Heiterkeit in ihm wie in allen.
Wie es im Song ohne Marlene, so geht es im Operettenstil endlich auch wieder ohne Clair und Thiele. Natürliche Bewegung, ursprüngliche Beweglichkeit in Tanzgruppen und Spaßketten um Beethoven-Büste und Brötchen-Damen, Bademädels.
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Noch einer unsichtbar – und doch unentbehrlicher Mithelfer: Der Inszenierer des Raums: Franz Schroedter. Macht eine Revue einmal ganz anders, mit glitzernden, bewegten Flächen. Neuartig. Auch in jeder -anderen Situation durch zeichnerische und dekorative Einfälle belegt, nicht überladen, liebenswürdig wie der Stil des Films.
Von dieser konsequenten, achtbaren Lösung der Gesamt-Film-Aufgabe: das Stimm-Dasein der blonden, durch Ehe-Vertrag mit dem Tonfilm nunmehr deutschen Sängerin. Heil, Heil, Heil.