Here’s Berlin

Originaltitel: Hallo Hallo! Hier spricht Berlin! (Allo Berlin ? Ici Paris !) Komödie 1932; 90 min.; Regie: Julien Duvivier. Darsteller: Wolfgang Klein, Josette Day, Karel Stepanek, Germaine Aussey, Hans Henninger, Charles Redgie, Georges Boulanger; R. K. O. Tobis-Klangfilm.

Ein Berliner Telephonist lernt seine Pariser Partnerin per Draht kennen, will sie übers Wochenende besuchen. Kommt durch eine List ihrer Kollegin mit dieser zusammen, während die Richtige wieder an seinen Kameraden gerät. Beiderseits Enttäuschung. In Berlin findet sich dann das rechte Pärchen.

Zusammenfassung
Im Hauptfernamt Berlin ist Erich, ein junger Telefonbeamter, mit der Abwicklung der Pariser Ferngespräche betraut. Hierbei kommt er in dienstliche Verbindung mit einer jungen Pariser Telefonistin, und so bleibt es nicht aus, daß trotz ausdrücklichem Verbot der beiderseitigen vorgesetzten Behörden das eine oder andere private Wort über den Draht hinweg miteinander gewechselt wird.
Allmählich wird es so Erichs sehnlichster Wunsch, einen kurzen Urlaub zu einem Abstecher nach Paris zu benutzen, um die unbekannte und ihm doch schon so nahestehende Kollegin Lily endlich kennenzulernen. Telefonisch wird das Rendezvous verabredet, demzufolge Erich auf dem Pariser Nordbahnhof eintreffen soll, wo Lily stehen wird mit Blumen in der linken und einer Zeitung in der rechten Hand.
Aber Erich kann seinen Urlaub nicht rechtzeitig antreten, und so setzt sich Max, der neben ihm am Schalterschrank arbeitet und alle Gespräche mit der kleinen Telefonistin angehört hat, auf die Eisenbahn und fährt nach Paris, um Erich bei seiner französischen Freundin zu vertreten.
Dort hat sich ebenfalls eine kleine Intrige angesponnen. Lilys Kollegin, ein leichtfertiges Persönchen, unterhält zärtliche Beziehungen zu dem Journalisten Dumont, was sie jedoch nicht hindert, auch nach anderen Männern ihre Fühler auszustrecken. Als sie nun erfährt, daß ihre Kollegin Lily den deutschen Kollegen Erich in Paris erwartet, bekommt sie Lust ihm gegenüber die Ersehnte zu spielen und ihn an Lilys Stelle auf dem Bahnhof abzufangen.
Erleichtert wird ihr dies dadurch, daß sie Erichs Anruf, er könne erst am Montag früh in Paris eintreffen, entgegennimmt und Lily die Bestellung nicht ausrichtet.
Sonntag morgen auf dem Pariser Nordbahnhof. Dem Berliner Zuge entsteigt Max, begleitet von seinem Freund, dem nicht gerade besonders gescheiten Buchhalter Karl. Und da steht auch schon Lily, der sich Max als der angekündigte Erich vorstellt. Lily ist etwas erstaunt, denn der Ankömmling entspricht gar nicht Erichs Bild, das dieser seiner Pariser Freundin geschickt hatte. Trotzdem wagt Lily nicht, einen Verdacht zu äußern, und Max hat nun wirklich das Vergnügen, mit Lily durch Paris zu bummeln und einen träumerisch schönen Abend auf dem Montmartre zu verleben. Aber sie zu erorbern, gelingt ihm doch nicht, und eine allzu stürmische Liebeserklärung veranlaßt sie sogar, ihn brüsk zu verabschieden.
Und Erich? Und Annette? Nun, diese hat inzwischen ihrem Freund Dumont etwas von einer Reise vorgeschwindelt, um ungestört ein paar Tage mit Erich allein zu sein, der nun endlich am Montag in Paris eintritt. Bei diesem Paar ist es nun genau umgekehrt wie bei Lily und Max. Obwohl Annette alle Register der weiblichen Verführungskunst zieht, gelingt es ihr nicht, Erich, der sich ganz andere Vorstellungen von der unbekannten Freundin gemacht hat, in ihren Bann zu ziehen. Als nun noch überraschend der eifersüchtige Dumont auftaucht, ist Erich so grenzenlos enttäuscht, daß er sofort die von ihm für Lily gehaltene Annette verläßt und nach Berlin zurückfährt.
Erich und Max sitzen nun wieder nebeneinander am Telefonschrank. Auch Lily hat ihren Dienst wieder aufgenommen. Aber die unerlaubt geführten Privatgespräche haben jetzt böse Folgen. Lily sowie Erich werden fristlos entlassen.
Doch Lily findet sofort eine neue Stelle als Sekretärin bei dem Journalisten Dumont, der sich von Annette getrennt hat und zur Berichterstattung über den Empfang des Präsidenten der Transozeanischen Republik nach Berlin fährt.
Auch Erich findet schnell neue Arbeit, und zwar als Telefonist im Hotel Adlon, wo man anläßlich des bevorstehenden Präsidenten-Empfanges alle Hände voll zu tun hat.
Als nun Lily mit ihrem neuen Chef ins Hotel Adlon kommt, will es der Zufall, daß sie aus nächster Nähe die Stimme des richtigen Erich vernimmt und sie zu erkennen glaubt. Und als Erich nach Beendigung der Feierlichkeiten für den exotischen Würdenträger das Hotel verläßt, folgt ihm Lily in Gesellschaft des gutmütigen Dumont, um schließlich in einem Tanzlokal im Zentrum der Stadt zu landen. Die Attraktion dieses Lokals sind Tischtelefone, die Lily Gelegenheit geben, endlich mit Erich, den sie nach seinem Photo wiedererkennt, in Verbindung zu treten. Jetzt erst erfährt Erich, welches Spiel sein Freund Max mit ihm getrieben hat. Und ein paar Minuten später ist dieser Spitzbube für seine Verräterei bereits knockout geboxt. Daß Erich und Lily ein glückliches Paar werden, hat er schließlich doch nicht verhindern können.

Kritik (Georg Herzberg, Film Kurier #065, 03/16/1932):
Die starke Publikumsresonanz, die dieser Film bei seiner gestrigen Premiere fand, ist aus vielen Gründen erfreulich. Man hat bei dieser deutsch-französischen Gemeinschaftsproduktion, ähnlich wie seinerzeit bei „Kameradschaft“, den Versuch gemacht, den Film für deutsche und französische Sprachgebiete gleichermaßen verständlich zu machen. Man hat eine Grundidee gewählt, die im Vergleich zu dem, was die meisten Filme der letzten Zeit in dieser Beziehung boten, als originell bezeichnet werden muß. Und man hat sie mit einer Frische und Freude am Werk entwickelt, die erfreulich abseits vom üblichen Filmbetrieb liegt.
Julien Duvivier hat das Manuskript zu diesem Film nach einer Filmnovelle von Ralf E. Vanloo geschrieben. In Berlin sitzen im Fernsprechamt zwei Telephonisten, und am anderen Ende der Strippe, in Paris, zwei Kolleginnen. Erich aus Berlin und Lily aus Paris verlieben sich auf 1000 Kilometer Distanz, so daß Erich entschlossen ist, seine Kontrahentin zu besuchen. Es gibt nun etliche Intrigen, Uly trifft in Paris Erichs Freund Max, und Erich Lilys Freundin Annette, in beiden Paaren gibt es Dissonanzen, Lily ist für Max zu zurückhaltend, und Annette zu kokett für Erich. Die Geschichte geht dann in Berlin weiter, anläßlich eines herrlich karikierten Potentaten-Empfanges im Adlon, und schließlich kriegt Erich seine Lily, Max seine Keile und Annette ihren verflossenen Freund.
Max und Erich sprechen natürlich deutsch, Uly und Annette französisch, jeder radebrecht etwas die Sprache des anderen, aber alle verstehen, um was es sich handelt, und auch das Publikum in Berlin und Paris, in Leipzig und Lyon wird auf Anhieb begreifen, was die Personen des Films zu einander sagen.
Nach diesem Film soll man nun keineswegs in Paris und Berlin daran geben, möglichst viele Filme „zweisprachig” zu drehen.
Für ein solches Vorgehen müssen gewisse Voraussetzungen da sein, die sich aus dem Milieu ergeben. Diese Vorbedingungen sind für den vorliegenden Film erfüllt.
Der Regisseur Julien Duvivier entwickelte den Film im Stile der französischen Tonfilmschule, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf. Das Hauptmoment dieses Stils ist, die Absichten von Autor und Regisseur durch verblüffend einfache Wendungen präzise auszudrücken. Man kann aus dem vorliegenden Film in bezug auf Regietechnik unerhört viel lernen. Duvivier arbeitet ganz unverkrampft, ganz ohne große Gesten.
Die Charaktere der vier Hauptpersonen werden uns genau geschildert. Die Stärke eines guten Romans gegenüber den meisten und gar nicht schlechten Filmen liegt doch darin, daß uns die Menschen im Buch nähergebracht werden. Der Autor kann da ganze Seiten darauf verwenden, das Wesen einer Person dem Leser so darzulegen, daß dieser für die weiteren Handlungen der einmal so gründlich vorgestellten Romanfigur Verständnis erhält.
Der Film vermeldet es zumeist, diese Sorgfalt für die einzelnen Personen aufzubringen. Die Folge ist, daß soviele Handlungen uns innerlich fremd bleiben, daß die Filmakteure wie Schachfiguren anmuten, die der Regisseur willkürlich schiebt, ohne daß der Zuschauer sich die Handlungen der Schauspieler erklären kann.
Daß es sehr wohl möglich ist, auch im Film Charaktere genau zu umreißen, wissen wir. Es geschieht aber selten, und es ist nicht leicht. Ueberdies besteht die Gefahr, daß der innere Aufbau eines Films durch allzu liebevolle Kleinmalerei leidet und das er schließlich zu lang wird. Dem Romanautor kommt es auf zwanzig Seiten nicht an, der Filmregisseur muß mit hundert Metern rechnen.
Duvivier versteht es, seine Menschen vorzustellen. Mit wenigen Metern, durch eine ganz kleine Episode, durch irgendein Detail, eine Geste, einen Blick. Der Zuschauer merkt es kaum, weshalb alle diese kurzen, amüsanten Kleinigkeiten eingestreut sind, er soll den Grund auch gar nicht merken, aber ihm kommen die Personen des Films plötzlich näher, er denkt sich in die Rolle von Erich und Lily hinein, es gibt Kontakt zwischen Leinwand und Parkett. Und das ist die Hauptsache.
Paris wird uns auch vorgestellt, während einer amüsanten Rundfahrt, Montmartrekabarett und Markthallentrubel. Und auch Berlin ist da, von Lutter und Wegener bis zum „Ball der schönen Frauen im Badetrikot“ irgendwo im Nordosten.
Der Schnitt ist zuweilen etwas wild und willkürlich. Ein paar ruhige Paris-Ansichten könnten da sein.
Die weiblichen Hauptrollen sind mit zwei Französinnen besetzt. Zwei Blondinen, die sich sehr ähneln. Man hätte diese Verwechslungsgefahr voraussehen sollen.
Josette Day heißt die eine, die stille, vom Glück träumende, die im Restaurant für alleinstehende Damen ißt und ungestümen Männern die kalte Schulter zeigt. Germaine Aussey ist die andere, die kesse, die macht, was ihr gefällt und in punkto Liebe durchaus aktiv vorgeht.
Der eine Berliner ist Wolfgang Klein, mit einem feinen, schmalen Gesicht, macht für Deutschland eine gute Figur. Karl Stepanek ist der falsche Freund, Type knorker Junge, kommt mit Kniehosen nach Paris und geht aufs ganze.
H. Henninger heißt ein anderer, begriffsstutziger, der wider Willen nach Paris verpflanzt wird und an der Seine so gar nichts anzufangen weiß. Ein sehr brauchbarer Schauspieler.
Der Geiger George Boulanger mimt den „transozeanischen“ Präsidenten. Kein Wort spricht er, mit Mitteln des stummen Films wird hier stärkste Wirkung erzielt.
Das Technische ist unter der Produktionsleitung von Frank Clifford internationaler Standard. Erich Czerwonski baute, Kuntze, Balasch und Brink photographierten, Lange und Bittmann besorgten den Ton. Wolfgang Loe Bagier zeichnet als Regie-Assistent.
Das Endergebnis dieser Gemeinschaftsproduktion ist höchst erfreulich. Richtig herausgebracht, wird dieser Film viel entschwundenes Kino-Interesse neu anfachen.

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