Originaltitel: Man braucht kein Geld. (Wir brauchen kein Geld.) Zeitsatire 1932; 95 min.; Regie: Carl Boese; Darsteller: Heinz Rühmann, Hans Moser, Hedy Lamarr, Kurt Gerron, Ida Wüst, Hans Junkermann, Paul Henckels; Allianz-Lignose-Breusing.
Eine Bank ist pleite, eine Familie ihr viel Gelb schuldig. Diese erwartet einen Amerikaonkel, der prompt aber ohne Gelb eintrifft. Trotzdem benützt ein Bankangestellter dessen Kredit um eine Industrie aus dem Boden zu stampfen, um deren Erhaltung willen man später notgedrungen das Märchen vom Reichtum des Amerikaners aufrechterhalten muß.
Zusammenfassung
Kennen Sie Goditzkirchen? Nein? Die Bank des kleinen Städtchens Groditzkirchen steht vor dem Konkurs, weil die Ölbohrungen des Kaufmannes Brandt vor der Stadt nicht erfolgreich sind. Allerdings hat der Bankdirektor sein eigenes Geld rechtzeitig in die Schweiz gebracht. Die Familie Brandt selber ist ruiniert und hofft auf die Hilfe ihres Onkels Thomas Hoffmann, der es in Amerika zum Millionär gebracht haben soll. Daher beschließt die Familie den Onkel einzuladen. Der Bankdirektor meint, daß man den reichen Onkel nur erst da haben müsse, dann werde man schon weiter sehen. – Der Onkel nimmt die Einladung der Familie Brandt an. Er trifft in Goditzkirchen ein. Ein kleiner Angestellter der Bank, namens Schmidt, organisiert im Auftrage der Bank für sein eigenes Geld, seine letzten 500 Mark, den feierlichen Empfang des Onkels im Hause der Familie Brandt. Der Onkel ist noch nicht eine Stunde im Hause, da stellt es sich heraus, daß er keinen Pfennig Geld besitzt, bis auf ein Zehndollar-Goldstück, das ihm noch geblieben ist. Er war nie Millionär, er war immer ein armer Schlucker. Und nun geschieht Folgendes.
Der kleine Angestellte der Bank, Schmidt, verfällt auf die Idee, wie man aus diesem Zen-Golddollar Millionen machen kann. Der Coup gelingt. Der alte Hoffmann ist in aller Augen ein Millionär. Er kann sich vor Krediten nicht retten, die Stadt beginnt aufzublühen, wächst und wächst, wird eine moderne Großstadt, Bohrtürme und Raffinierien schließen aus der Erde und all das hat der kleine Schmidt mit den zehn Dollar des alten Hoffmann fertiggebracht. Sie werden glauben, er hat es getan, um ein reicher Mann zu werden!? – Nein! Er hat das alles für Käthe, die Tochter des alten Brandt getan. Er liebt sie heimlich. Sie kann ihn nicht lieben. Aber nach und nach nimmt die Tüchtigkeit des kleinen Schmidt sie sehr für ihn ein, doch sie läßt sich nichts anmerken. Und dann eines Tages, durch einen Zufall, kommt der ganze Schwindel heraus. Gerade an dem Tage an dem Hoffmann zum Ehrenbürger der Stadt ernannt werden soll, erfährt der Bürgermeister, daß Hoffmann gar kein Millionär ist. Und die Stadt sowie tausend andere haben ihm Riesenkredite gegeben.
Alle sind ratlos. Man will Hoffmann der Staatsanwaltschaft übergeben, obwohl er immer gesagt hat, er besitze keinen Pfennig, was man ihm aber nie glauben wollte. Da greift der kleine Schmidt mit einer Rede rettend ein. – Er erklärt den Leuten, wieso und warum man kein Geld brauche, und daß es nicht darauf ankomme, ob der alte Hoffmann Millionen besitze oder nicht, sondern darauf, daß tatsächlich etwas geschafft ist: nämlich eine große, moderne Stadt und Arbeit für Hunderttausende von Menschen. – Schmidt bekommt seine Käthe und der alte Hoffmann wird dazu verurteilt, lebenslänglich Millionär zu bleiben!
Kritik (Hans Feld, Film Kurier #031, 02/05/1932):
Man braucht kein Geld, wenn man eh keins hat. Es muß auch anders gehen. Barschaftlos, denn der (Geld-)Schein trügt. –
So doziert nein, so plaudert Gabor, der mit allen französischen Wassern gewaschene Ungar, unter dem Decknamen Altenkirch. Kein Rezept wie man durch Kreditgebarung weiterkommt: eher schon eine kleine Demaskierung des goldlos goldgehorteten Zeitalters.
Wahrheit, liebenswürdig serviert, Ernstes in heitere Form gefaßt, Unterhaltung, die lachen läßt, ohne Hinterher zu verstimmen: Das ist die große Form der Kleinkunst.
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Eine Bank ohne Devisen und Effekten-Deckung, doch mit Generaldirektion, wird zum Schulfall, die Leere des Tresors zur Lehre. Nicht Geld braucht man; nur Kredit. Und den muß ein Hascherl von Onkel versorgen, der nach dreißigjähriger Verbannung in Amerika in die Heimat zurückkehrt. Nicht alles glänzt wertbeständig, was von jenseits des Ozeans kommt; und dem Heimgekehrten wiederum präsentiert sich das Heimatstädtchen als ein Ort wo zugleich mit dem Wohlstand auch Idylle und kaufmännische Ehrbegriffe sich verflüchtigt haben.
Die sonst meist schwächste Stelle des allgemeinen Produktionsgangs, die Manuskriptunterlage, hat ihre Stärke eben in der Voraussetzungslosigkeit. Es bedarf keines Versuchs, der Verspieltheit der Spottfreude eine tiefere Bedeutung hereinzuschmuggeln. Für solche Hochstapelei von Tüfteln und Nachtrags-Entschuldigung ist in der Hochstaplerkomödie nicht Raum.
Schwerlos, leicht flüssig ist die Abrundung der Filmkomödie. Diese Koffer erreichen ihr Ziel; kein literaturverbrämtes Gepäck belastet den Handlungsgang.
Der Widersinn einer Epoche, in der keiner mehr ist, was er zu sein vorgibt und doch vorgeben muß, um überhaupt noch leben zu können, rollt ab. Unsichtbar aber deutlich zu spüren ist im Hintergrund die Projektion einer Erweiterung ins allgemein Gültige. Ein unausgesprochenes Endergebnis, aber es ist wahrzunehmen.
Braucht man wirklich kein Geld? Eben weil es so notwendig ist, muß man den Mangel verdecken. Wer liegt, wird gestoßen und nur wer fest zu stehen scheint, kann sich halten.
Das ist Zeit-Erkennen und -Erkenntnis. Wer es nicht wissen will, mag sich mit der freundlichen Spiegelung begnügen, die auch da porträtähnlich ist, wo sie – besserer Wirkung halber – den Blickrand ins Amüsante verzerrt.
Eine gute Methode, erprobt seit jener Zeit, da Figaro von den Brettern herab eine Welt bedeutete. (Und zurückzuverfolgen bis zu der unheroischsten Art Lyistratas, Heroismus zu entlarven.) Lachend zu sagen, was ist, glossieren ohne zu verletzen. Wahrheit plaudernd zu vermitteln, hier ist’s geglückt.
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Gab es nicht, sorgsam entwickelt, eine Nebelthese, der Film dürfe sich nie in des Theaters Nähe wagen? Auch das mag er, sofern nur die eigenen Gesetze dieser – ebenfalls möglichen – Seh- und Hörform wahr bleiben.
Also: Wenn die Verlagerung des dramaturgischen Schwergewichts vom Bild auf den Ton ihre Rechtfertigung im Witz der Dialoge finden. Wenn die Umwelt der Bauten eine Korrektur ins Stilisierte erfährt. Nüchternheit vom Räumlichen her wird somit vermieden; und die Aufnahmewilligkeit des Zuschauers angeregt.
Locker sitzen die Pfeile geschliffenen Worts. Sie treffen –, und es macht nichts aus, wenn der eine im Gelächter, das der Vorhergehende erzielte abprallt. In meines Gabors Köcher sind viele.
Präzision im Sprachlichen, kein Dialogumweg, um einer kümerlichen Pointe willen, darin allein beruht das Geheimnis des Sprechfilms. Wo der Wort-Tausch fesselt, kann auf den Vorrang von Situation und Bild verzichtet werden. Die Lizenz dieser Filmgattung ist in geistiger Leistung zahlbar. (Für die Mehrheit der deutschen Filmautoren also nicht zu erschwingen.)
Das Wort regiert die Kinostunde; das ist gut so. Man hört, hört mit Vergnügen und kein Ohr wird durch einen unangebrachten Gesang beleidigt, keine Stimung vermittels nicht montierter Songs zerfetzt.
Man braucht kein Geld, man braucht auch keine Schlager. Ein glückliches Produktionsmoment, für das zumal die musikalischen Kinobesucher besonderen Dank wissen werden.
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Das Nicht-Alltägliche im Fabrikationsbetrieb dieses Films aus dem Alltag ist es, die Summe der vorbereitenden Arbeit, deren Ergebnis eine Heiterkeit ohne Trübung erzielt.
Stürme des Lachens sind unmitttelbare Folge unterhaltsamer Begebenheiten. Der Coup ist dort gelandet, wohin er treffen sollte: beim Allgemeinverständlichen.
Arnold Preßburger, der Produzent, mit seinem Produktionsleiter Wilhelm Szekely hatten die so seltene Witterung für die Eigenart von Kino und Besuchermassen. Das Höchstniveau der freien Produktion zeigt auf’s neue, wie wertvoll gerade die von dieser Seite aus geschaffenen Werke sind.
Bereicherung der Programme, Lachattraktionen für’s Lichtspielhaus, sie schafft jene notwendige Abwechslung, die dem Film als Kunstgattung Vielfarbigkeit und Schattierungsmöglichkeit gibt, deren er bedarf.
Sachlich einwandfreie Leistung der Manuskriptverfasser Kart Noti und Hans Wilhelm. Wahrung des Esprit-Geplauschs, ohne Behinderung durch optische Passagen und gewaltsame Schnitt-Gewolltheiten.
Beste Unterstützung durchs Architektonische: Die Bauten des Julius von Borsody. – An der Kamera: Willy Goldberger; Ton: Erich Lange; unauffällige Musik-Begleitung: Artur Guttmann; Ton- und Bildschnitt: G. Polletschik.
Carl Boese hat seine Schauspieler fest in der Hand. Dieser Regisseur, unter den deutschen Filmleuten der Tätigsten einer, kennt keine falsche Prätention. Immer bleibt er im Rahmen seines Werkes.
Diesmal, mit erweiterten Schaffensmöglichkeiten begabt, läßt er kein Zuviel aufkommen. Drücker und unterstrichene Hinweise, das ganze neckische Beigesteuer einfallsreicher Prominenter sind höflichst verbeten. Eine glückliche Art, unmerklich Regie zu führen, die Freude am Spiel zu schüren und nur dann einzugreifen. wenn Tempozerrung und Ueberdeutlichkeit entstünden.
Auch für die Kollegen von der Sprechbühne, den Reinhardt-Stab nicht ausgeschlossen, ist ein Besuch lehrreich und empfehlenswert. Sogar der Voelger-Ausschuß könnte für seine Spruchpraxis manches Wissenswerte erfahren.)
Ein großes Aufgebot von Darstellern: Paul Henckels, Kurt Gerron, Hans Junkermann. Albert Florath, Hugo Fischer-Köppe, Ludwig Stößl, Fritz Odemar. Freundlicher Gruß aus der Stummfilmzeit: Hedi Kieslers Bildanmut.
Prächtige Gelegenheiten gibts für unsere Ida Wüst. Was für ein Charme steckt da in dieser Frau; und wieviel amüsante Hintergründigkeit! Ihre souveräne Art die Pointe nebenbei zu servieren, noch aus dem gleichgültigsten Satz Konversationswirkungen herauszuholen, ist bezaubernd.
Zwei aber tragen den Film. Heinz Rühmann und Hans Moser. Sie sind verschiedensten Temperaments:
Heinz Rühmann, in verblüffender Uebereinstimmung von Körperwitz und Sprachlichem, arbeitet mit leisesten Mitteln. Leichte Drehung, ein hingeworfenes Wort, ein kleines Zucken im Gesicht. Das Ideal eines Filmschauspielers, dank seiner Disziplin.
Hans Moser ist der begnadete Schauspieler des Menschen aus dem Volke. Auch er in der passiven Art der Unaufdringlichkeit. Immer grantig, sich selbst verloren gegangen. Ein Melancholiker aus dem Stamme jener Chaplins, gestaltet er Rollen ins Dichterische.
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Solches hat der Film eingefangen, bild- und tongetreu bis in feinste Einzelheiten.
Er vermittelt es Millionen von Menschen, trägt in den kleinsten Flecken, wo immer eine weiße Kinowand schimmert, den Schein einer besseren Welt.