Originaltitel: Peter Voß, der Millionendieb. Groteskkomödie 1932; 104 min.; Regie: E.A. (Ewald André) Dupont. Darsteller: Willi Forst, Alice Treff, Paul Hörbiger, Otto Wernicke, Edith d’Amara, Erika Mann, Hans Hermann Schaufuß, Gregori Chmara; Emelka-Tobis-Klangfilm.
Um die Veruntreuung eines Bankiers zu verschleiern, nimmt sein Prokurist den Verdacht eines Diebstahls auf sich und flüchtet nach Afrika. Verfolgt von einem tölpelhaften Detektiv und einer Journalistin, Tochter bes benachteiligten Kommitenten der Bank. Es gelingt bem Ausreißer, sich so lange seinen Verfolgern zu entziehen, bis eine Börsenhausse bas Manko wieder wett gemacht hat.
Zusammenfassung
Zwei Millionen Mark muß das Bankhaus Schilling & Co. an den Millionär Pitt auszahlen. Der Bankier Schilling will diesen Befrag durch Verkauf von Elektro-Aktien flüssig machen; aber ein „schwarzer Freitag“ an der Börse macht die Aktien zu wertlosen Papieren. Bankier Schilling kann die Summe nicht aufbringen, und die Bank muß zusammenbrechen, wenn es ihm nicht gelingt, in irgend einer Form das Geld zu beschaffen. In dieser peinlichen Situation macht der Prokurist, Peter Voss, einen Vorschlag, der die Bank retten kann. Er beabsichtigt die nicht vorhandenen 2000000 Mark zu stehlen und sich dann solange versteckt zu halten, bis ein Steigen der Papiere es der Bank möglich macht, die Schuld an Pitt zu begleichen. In seiner Not, und um sein Geschäft vor dem Zusammenbruch zu retten, geht Schilling auf den Vorschlag seines Prokuristen ein.
In der folgenden Nacht begibt sich Peter Voss in die Tresorräume und verläßt gegen Mitternacht im Reiseanzug und mit einer großen Aktentasche die Bankräume.
Am anderen Morgen, als die Bank geöffnet wird, stellt man den Einbruch im Tresor fest. Der Wächter hat Peter Voss nachts dort gesehen, und Bankier Schilling erklärt, daß das Geld des Millionärs Pitt, das ja in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist, gestohlen worden ist. Kein anderer als Peter Voss kann der Dieb gewesen sein.
Mit der Verfolgung wird der Detektiv Bobby Dodd beauftragt, und Polly, die Tochter des Millionärs Pitt, entschliefet sich, an dieser Verfolgung teilzunehmen, um als Journalistin über den Raub und die Verfolgung in den Zeitungen zu berichten.
Der Millionendieb hat sich inzwischen auf einem Überseedampfer in Richtung Amerika in Sicherheit gebracht. Bobby Dodd mit Polly nehmen seine Verfolgung in einem Flugzeug aut und es gelingt ihnen, den Dampfer auf hoher See einzuholen. Ein kühner Sprung aus dem Flugzeug bringt sie auf den Dampfer, auf dem sich Peter Voss befindet. An der verräterischen Aktentasche erkennen sie sofort den Millionendieb, und es beginnt ein Versteckspiel zwischen Verfolgern und Verfolgtem, das allerdings nicht ganz programmmäßig verläuft, da sich Polly in Peter Voss verliebt. Peter Voss ergreift die erste Gelegenheit, um sich der gefährlichen Nachbarschaft zu entziehen, springt kurz-entschlossen über Bord und erreicht schwimmend einen Frachtdampfer.
Auf diesem Frachtdampfer befindet sich Madame Bianca, die Leiterin einer Ballett-Truppe, auf dem Wege nach Marseille. Er findet Gnade vor Madame Bianca’s Augen und wird als Klavierspieler für die Truppe engagiert. Bobby Dodd und Polly sind inzwischen in Marseille gelandet und erwarten dort Peter Voss. Nur mit äußerster Mühe entgeht er im Hafen einer Verhaftung durch französische Polizisten. Er tritt in einer Marseiller Hafenkneipe mit Madame Bianca’s Truppe auf. Aber nicht lange bleibt er verborgen, denn bei einer Fremdenführung durch die dunklen Hafenviertel Marseilles stöbern ihn Bobby Dodd und Polly auf. Aber wieder kann er sich vor der polizeilichen Übermacht retten. Seine Flucht geht weiter, und jetzt entkommt er nach Marokko. Doch auch hier finden ihn seine Verfolger wieder. Bei Flucht und Verfolgung in die Wüste erleben diese drei die verschiedensten Abenteuer. Polly wird von einem reichen Araber entführt, und Peter Voss gerät in seiner Verkleidung als Beduine in die Hände der Eingeborenen. Eine tolle Jagd in die Wüste hinein beginnt, doch schließlich findet der Flüchtling seine Ruhe, Er erfährt durch einen Zufall, daß die Elektro-Aktien sich erholt haben, wieder hoch im Kurse stehen und Bankier Schilling in der Lage ist, die 2000 000 Mark an Pitt zu zahlen. Im letzten Augenblick, als es Bobby Dodd nach unzähligen Mißerfolgen endlich gelingt, Peter Voss verhaften zu lassen, stellt es sich heraus, daß der Millionendieb gar nichts gestohlen hat. Polly kann Peter Voss bei dieser Gelegenheit klarmachen, daß sie ihn nur aus Liebe und nicht wegen der Millionen verfolgt hat. – Als Held kommt Peter Voss mit Polly in die Heimat zurück, um dort Teilhaber seines früheren Chefs zu werden.
Kritik (-ger., Film Kurier #072, 03/24/1932):
München hat recht gehabt: Geiselgasteig wurde geistig-technisch Arbeits- und Startplatz für beste Filmqualität.
Ein neues Gesicht Film-Münchens zeigt sich. Es kann sich in der Schönheits-Konkurrenz mit ganz Film-Europa messen.
Das ist ein Gewinn, der auch Gewähr gibt, daß Emelka-München produktiv bleibt. Das erste Arbeitsergebnis ist groß und gut, gemessen an den Schwierigkeiten, die die Zeit türmt.
Von der Emelka her gesehen: Ein repräsentativer Film, ein repräsentativer Erfolg.
★
Vom Film her sieht es etwas anders aus, es ist nicht der erste Film, der erscheint und nicht einmal der erste Tonfilm. Noch gewichtiger: Der Stoff gehört zum Auferstehungs-Genre.
„Erinnerung“ heißt eine böse Krankheit.. – wenn sich Filmleute in die Sessel zurückbiegen und zu träumen beginnen „könnte man nicht noch mal . .“ (etwa „Die Nibelungen“ als Tonfilm, „Der letzte Mann“ mit Ton-Wasser-Spülung usw. usw. . . .) „könnte man nicht nochmal den alten Stummfilm-Erfolg auf neu bearbeiten?“
So hat man hier von dem alten, seligen Fortsetzungsfilm-Erfolg geträumt „Der Mann ohne Namen“ (einst sechs Teile!)
Die Manie, alte Stoffe hervorzuholen, ist gefährlich. Lasset die Toten ruhn. Lasset die „Neu“-Verfilmungen!
Andere Zeiten, andere Taten, anderes Tempo. (Wir haben selbst vor Langs „Mabuse“ Furcht.)
★
Die Emelka-Leute haben gefühlt, daß man (den von Kraus-Hiss erworbenen Stoff) radikal ändern müsse. Modernisieren.
Vor einem Jahrzehnt öffnete unserem deutschen Publikum dieser Reise-Film Horizonte vier Kriegsjahre lang beschossener verschlossener Länder; mit einer heiter-noblen amüsant gehetzten, mondän-verdrehten Abenteurerhandlung.
In einem Jahrzehnt und in den drei Tonfilm-Jahren sind wir schon oft in Marseille, wiederholt auch in Marokko gewesen. Die Abenteuer sind billig geworden.
Man mußte also schon sehr raffiniert, sehr verrückt kommen, wollte man uns an einen eingebildeten Millionen-Dieb fesseln, dem ein vertrottelter Detektiv und ein gar lustig Mägdlein folgen.
Man muß an einen – längst verlorenen, nur in der Erinnerung noch wachen, 100mal variierten, toten Stoff alle Belebungsversuche verschwenden. (Lasset künftig die Toten …)
Raffiniert und verrückt – das soll gewiß der Auferstehungs-Stil sein, dazu eine Art „trockenen“ Humors, Versachlichung mit Groteskkomik; well, es hat ihnen bei diesem repräsentativen und teuren Film – dem man es auch ansieht – alles und allerlei vorgeschwebt.
Daher schwebt viel vorüber, man treibt sich auf 1001 Tummelplätzen der Autoren- und Regie-Einfälle umher, man fährt zu Schiff nach Frankreich, wimmelt zwischen dem Börsen-Betrieb, gerät in einen Mädchen-Schoner, boxt sich unter Apachen-Darstellern blau, bummelt in Marokko.
– viel gibt’s zu sehen, aber immer wieder findet sich Zeit für den Zuschauer: die Einfälle zu zählen. Und da stutzt man:
Denn die Autoren – mit dem gemütlich-sanften, Pointen wohl dosierenden Theater-Schriftsteller Bruno Frank an der Spitze – haben eins so gar nicht, was man für derartige Bluff-Stoffe braucht: den Sensationsstil, das Aufziehen und an der Naseherum-führen.
Sie komponieren zahllose Nebenbei-Bemerkungen, lustige Zwischen-Anekdoten. Die große Linie der Handlung, den durchgehenden Aktionsrhythmus konnten sie aus dem Buch E. W. Seeligers nicht herausholen.
Sie geben ihre Abenteuer gentlemanlike, anständig-echt, gelegentlich mit Ironie oder gewollter Glossierung.
Sie erinnern aber den Zuschauer zu oft daran daß sie ihn für klug halten und bitten damit, selbst für klug und ernst genommen zu werden.
O, ihr Au-Toren! Solche Stoffe, solche Filme müssen 5 gerade sein lassen. Jene unhöfliche Portion „Kintopp“ ist nötig, die einen Wallace als Spannungs-Spektakel, einen Schwank mit Quatsch riskiert.
Kultivierte Posse – Schwank mit Intellekt wollte man hier. Das stimmt nicht in allen Szenen zusammen.
Hinter der Toten-Stoff-Erweckung bleibt die Besessenheit spürbar, daß alle Beteiligten das Beste wollen.
Für Geiselgasteig bedeutet es eine Großtat: diese Mobilisierung aller Kräfte Film-Münchens. (Wir wiederholen diesen spießig-trivialen Satz: „das Beste wollen“. Doch es kann der Beste nicht in Frieden filmen, wenn es (id est dieser Stoff) dem bösen Nachbar nicht gefällt.
★
Das Resultat: ein dem heutigen Kinoempfinden nicht unmittelbar genäherter Film.
Doch hat immer den Kontakt: Paul Hörbiger. Er ist hier ein „Held“, der sich auf dumm verstellen muß. Sein Schatten: der etwas dürftigere Willy Forst. Hörbiger – der Detektiv hat mit seiner Nuancierungsbuntheit wieder einen unglaublichen Erfolg.
Er braucht nur ein Bärtchen an die Lippe zu halten und phantasiert uns gleich vor: Hitler, oder einen Spießer. Oesterreicher, Araber, wie ihrs wollt. Ein Spontangenie.
Willy Forst: sympathisch, aber zu korrekt. Hohl, packt nicht. Nur die Charleys-Tante-Situationen beleben ihn.
Eine neue Bekanntschaft: Alice Treff. Sportdame Typ; laßt sie Eishockey spielen oder Fulda aufsagen, warum filmen. Film hat noch immer etwas mit mimischer Aussagekunst zu tun. Was mimt sie? Wir wollen gewiß keinen Star-Kult. Aber wenn selbst Behn-Grunds Kamera davor versagt . . . (Behn-Grund hat natürlich wundervolle Marokko-Reise-Bilder mitgebracht.)
Darsteller, die auffallen: Ida Wüst, Grigori Chmara, Schaufuß, Wernicke, Erica Mann –.
Doch der Inszenierer ist kein Schauspieler-Vorführer, er liebt die Dinge mehr, oder die Massen, die Steine, die anonymen Menschen-Masken mehr als die motorischen Persönlichkeiten. Er ist zuviel E. A. Dupont und zu wenig Regisseur auf lauten Erfolg. (Er müßte einen Erfolgstoff erhalten, an dem er Dupont sein könnte.)
★
Die Emelka hat diesen Film – sehr bescheiden – als „Visiten-Karte“ bezeichnet.
Er ist mehr ihr „Präsentierteller“. Allerhand liegt darauf.
Vor allem: dem Publikum gibt dieser Film anderthalb Stunden der Ver-Wunderungen. Man staunt, wieviel Möglichkeiten sich finden, über einen einfachen, kindlichen Film-Vorgang die Vorhänge vor der wirklichen Welt emporzuziehen – und Meere zu entschleiern, Völkertypen, Wogen aus Gesichtern und Geschlechtern – und darum wird das Publikum (dem man den Peter-Keuder-Schlager vom Wein-Glas nicht vorenthalten sollte) sich an diesem Film vergnügen.
Er wird den Volkskinos außerordentlich viel bieten Um-Welt-Schau und ein paar gelüftete ZwischenVorhänge.